Steuerberater

Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie (8.) 16.02.

Ausschuss für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Integration (10.) fi genommen für eine sinnvolle Kontrolle eines Tariftreuegesetzes notwendig gewesen wäre. Daran ist aus unserer Sicht das letzte Tariftreuegesetz gescheitert.

Johannes Pöttering (unternehmer nrw, Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen e. V., Düsseldorf): Unser Verband repräsentiert 130 Mitgliedsverbände, die wiederum 80.000 Betriebe mit etwa 3 Millionen Beschäftigten repräsentieren. Der ganz überwiegende Teil dieser Betriebe zahlt Tariflöhne, entweder durch direkte Anwendung der Tarifverträge oder durch Bezugnahmeklauseln. Deswegen sind wir von Haus aus Befürworter von Tarifverträgen, und wir sind unseren eigenen Tarifen gegenüber tariftreu.

Zu den Fragen von Herrn Wüst und Herrn Brockes bezüglich der Tarifautonomie. Da der Deutsche Bundestag in der letzten Legislaturperiode im ArbeitnehmerEntsendegesetz deutliche Ausweitungen vorgenommen hat, haben wir ­ und das ist vielleicht eine andere Ausgangsbasis als 2002 ­ eine andere Situation. Es ist ein viel breiterer Bereich erfasst, sodass die Ausgangslage aus unserer Sicht eine andere ist. Die Regelungen in diesen Bereichen sind so weitgehend, dass wir nicht einsehen, warum dies in einem weiteren Gesetz zusätzlich geregelt werden sollte. Wenn man sieht, wie kurz diese Änderungen im Arbeitnehmer-Entsendegesetz wirken und wie neue Branchen hineingedrängt werden, dann müssen wir uns als Tarifpartner schon Sorgen darum machen, dass die Tarifautonomie immer weiter ausgehöhlt wird. Denn wenn immer mehr Bereiche staatlich geregelt werden und der Regelungsbereich von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften kleiner wird, dann schränkt dies auch unsere Kompetenzen ein. Und wenn sowieso staatlich geregelt wird, wie der Lohn aussieht, dann verlieren die entsprechenden Verbände und Gewerkschaften an Anziehungskraft. Dann braucht man nicht mehr in eine Gewerkschaft oder einen Arbeitgeberverband einzutreten. Das ist ein grundsätzlicher Punkt.

Zur Bürokratie. Wir reden immer davon, dass wir den Mittelstand entlasten wollen. Im Koalitionsvertag habe ich etwas von einem Mittelstandsgesetz gelesen. Auch wir gehen davon aus, dass gerade der Mittelstand im Bereich Bürokratie entlastet werden sollte. Unabhängig davon, wie die Regelungen im Tariftreuegesetz ausfallen, glaube ich nicht, dass dann die Unternehmen weniger belastet werden. Denn erstens muss ich als Unternehmen etwas nachweisen. Dies erfordert zusätzlichen Papierkram.

Wenn wir uns auf wenig Papierkram verständigen, dann haben wir vielleicht hinterher ein Problem mit der Kontrolle. Wenn man nur erklären muss, dass man es einhält, hat man vielleicht hinterher das Problem, dass man noch stärker kontrollieren muss.

Insofern werden gerade kleine Betriebe nicht die notwendigen Ressourcen haben, um den Nachweis zu erbringen.

Der andere Punkt betrifft die Kontrolle. Dr. Wackers hat es gesagt: Das werden die Auftraggeber ­ und das hat die Erfahrung gezeigt ­ kaum kontrollieren können. Denn viele Tarifverträge sind äußerst kompliziert. Die erste Frage wäre: Welcher Tarifvertrag ist überhaupt repräsentativ? ­ Die nächste Frage wäre: Auf welches Gewerk ist welcher Tarifvertrag anzuwenden? ­ Auch das kann ein Auftraggeber noch durchblicken. Aber wenn es um ein großes Projekt mit vielen verschiedenen einzelnen Tätig9

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Ausschuss für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Integration (10.) fi keiten geht, wird es kompliziert. Dann stellt sich die Frage, welche Tätigkeit wie einzugruppieren ist und ob all das in der Kalkulation richtig berücksichtigt worden ist.

Derjenige, der das kalkulieren will, der muss quasi mehr Ahnung haben als derjenige, der das Projekt für das Unternehmen kalkuliert hat. Hier sehen wir große Probleme, und daher sind wir der Meinung, dass man es bei dem, was im ArbeitnehmerEntsendegesetz geregelt ist, belassen sollte. Wenn sich auf Bundesebene die Mehrheiten ändern, können natürlich andere Regelungen getroffen werden. Aber auf Bundesebene und daneben auf Landesebene Regelungen zu treffen, führt irgendwann zu einem Chaos. Daher sind wir gegen ein solches Gesetz.

Andre Busshuven (Verband Freier Berufe im Lande Nordrhein-Westfalen e. V., Düsseldorf): Ich möchte einen geschichtlichen Rückblick wagen und es dadurch ein bisschen bereichern. Das Tariftreuegesetz Nordrhein-Westfalen aus dem Jahre 2002 hat sich als untaugliches bürokratisches Gebilde erwiesen. Deshalb ist es im Jahre 2006 abgeschafft worden. Dass das Gesetz ein untaugliches bürokratisches Gebilde ist, habe ich mir nicht ausgedacht. Vielmehr wurde diese Aussage durch die Landtagsanhörungen aus den Jahren 2002 und 2004 bestätigt. Zwar wurden schon damals die allgemeinen Ziele des Gesetzes durchaus unterstützt. Aber die Umsetzungsprobleme waren so groß, dass es letzten Endes abgeschafft werden musste.

Hier sind die Stichwort „Schwierigkeiten bei Kalkulationsprüfungen" und Kontrollen zu nennen. Nur über eine Intensivierung ­ und hier waren sich alle Landtagsfraktionen einig ­ der Kontrollen könnten diese Probleme beseitigt werden. Dies würde aber zu mehr staatswirtschaftlicher Bürokratie führen, und das lehnen wir ab.

Lutz Pollmann (Baugewerbliche Verbände, Düsseldorf): Ich bin Hauptgeschäftsführer der Baugewerblichen Verbände, Düsseldorf. Meine Stellungnahme erfolgt aber auch im Namen unseres Schwesterverbandes aus Dortmund.

Zunächst eine Zahl für Sie, meine Damen und Herren Abgeordnete: Der Durchschnittslohn am Bau betrug in den westdeutschen Bundesländern im Jahre 2010

14,95. Dieser wurde tatsächlich gezahlt, und dies wurde von den Sozialkassen der Bauwirtschaft festgestellt. Dort sind praktisch alle abhängig Beschäftigten im Bauhauptgewerbe erfasst, sodass es sich hier um eine wirklich nachvollziehbare Zahl handelt.

In Nordrhein-Westfalen liegt der durchschnittliche Stundenlohn, der im Jahre 2010 gezahlt worden ist, sogar über 15. Er liegt also weit entfernt von dem, was das Mindestlohngesetz ­ nichts anderes kann das Tariftreue- und Vergabegesetz sein ­ eigentlich vorsehen soll.

Daran sehen Sie schon, dass kein Bedarf für ein derartiges Gesetz besteht. Darüber hinaus unterliegt das Bauhauptgewerbe dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Dort finden wir einen gesetzlich fixierten Mindestlohn vor, der zurzeit in der Lohngruppe 1

10,90 und in der Lohngruppe 2 12,95 beträgt. Diese Mindestlöhne werden zum 1. Juli dieses Jahres auf 11 bzw. 13 anwachsen. Auch dort besteht eine erhebliche Differenz zu dem, was hier in Nordrhein-Westfalen geplant ist. Insofern besteht auch

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Ausschuss für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Integration (10.) fi aus diesem Grund überhaupt kein Bedarf, ein Tariftreuegesetz in Nordrhein Westfalen zu verabschieden; die Thematik ist auf bundesgesetzlicher Ebene bereits geregelt. Hinzu kommt, dass diese Mindestlöhne für alle Firmen gelten, die in Nordrhein-Westfalen arbeiten. Das gilt auch für Firmen aus den neuen Bundesländern, die vor Ort einen etwas niedrigeren Mindestlohn haben. Es gilt allerdings der Mindestlohn am Ort der Baustelle.

Nun zum Bürokratismus. Warum ist das alte Tariftreuegesetz in Nordrhein-Westfalen abgeschafft worden? ­ Zum Schluss konnten Sie im Internet 300 Tarifverträge finden, die eventuell anwendbar waren. Kein Mensch ­ weder wir noch der Zoll noch die öffentlichen Auftraggeber ­ waren in der Lage, zu sagen, welcher Tarifvertrag unter welcher Bedingung auf welcher Baustelle gilt. Das war ein bürokratisches Monster, das überhaupt nicht mehr kontrollierbar war. Aus diesem Grund haben alle Beteiligte dafür plädiert, das Tariftreuegesetz abzuschaffen. Am Anfang waren wir alle dafür. Denn wir als Arbeitgeberverbände ­ davon können Sie ausgehen ­ vertreten natürlich die tariftreuen Firmen, die die Tarifverträge einhalten.

Selbst der Zoll, meine Damen und Herren, kann einen Tariflohn auf der Baustelle nicht feststellen. Der Zoll kontrolliert nur noch den gesetzlichen Mindestlohn, und zwar den niedrigeren gesetzlichen Mindestlohn. Denn er selbst ist nicht in der Lage, zwischen Lohngruppe 1 und Lohngruppe 2 zu unterscheiden. Das heißt, wenn Sie ein Gesetz entsprechend dem vorliegenden Gesetzentwurf verabschieden, dann können Sie lediglich den Mindestlohn kontrollieren. Sie können nie und nimmer den Tariflohn kontrollieren. Insofern ist es schon wegen des bürokratischen Aufwands unmöglich.

Welches Interesse hat denn die öffentliche Hand an einem Tariftreuegesetz? ­ Keins. Die öffentliche Hand und insbesondere die Kommunen möchten preiswert bauen. Für die öffentliche Hand gilt immer der Mindestfordernde. Der öffentlichen Hand ist es zunächst einmal völlig egal, ob der Anbietende den Tariflohn einhält oder nicht. Wir wissen aufgrund des alten Tariftreuegesetzes, dass nur dann, wenn wir etwas beanstandet haben, die öffentliche Hand bereit war, eventuell zu versuchen, zu kontrollieren, ob der Tariflohn eingehalten wurde oder nicht. Dann hat es sich im Regelfall als schier unmöglich herausgestellt, das zu kontrollieren. Der Höhepunkt war, dass dann irgendwelche Steuerberater oder Organisationen Nachkalkulationen anstellten. Das war der Grund, warum das alte Tariftreuegesetz abgeschafft worden ist. ­ Danke.

Harald Kern (Bauindustrieverband NRW e. V., Düsseldorf): Herr Dr. Petersen!

Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Punkt „bürokratischer Aufwand" Stellung nehmen. Herr Pollmann hat es gerade zum Teil angesprochen: Der bürokratische Aufwand besteht zum einen bei den öffentlichen Auftraggebern, wenn sie nicht nur Preise und Angebote prüfen, sondern auch Interna in den Angeboten überprüfen muss.