Insbesondere der Islam hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen

Die Gesellschaft in Deutschland und vor allem in Nordrhein-Westfalen hat innerhalb der letzten 50 Jahre einen grundlegenden Wandel durchlaufen. Deutschland ist ein Einwanderungsland geworden. Allein in Nordrhein-Westfalen leben über vier Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Dies entspricht fast einem Fünftel der Einwohner.

Verschiedene Religionen und Kulturkreise gehören inzwischen zum Alltag in Deutschland.

Insbesondere der Islam hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Die Studie Muslimisches Leben in Nordrhein-Westfalen hat gezeigt, dass die Zahl der Muslime in Nordrhein-Westfalen zwischen 1,3 und 1,5 Millionen Menschen beträgt und damit 7 bis 8 Prozent der Wohnbevölkerung umfasst. Im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland leben damit nicht nur die meisten Menschen mit Migrationshintergrund, sondern auch die meisten Muslime. Die hier lebenden Mitbürger aus muslimisch geprägten Gesellschaften haben nicht nur den Islam mitgebracht, sondern auch ihre eigenen Vorstellungen und Bedürfnisse in Hinblick auf eine würdevolle Bestattung. Zwar bevorzugen die Hinterbliebenen vor allem der Migranten der ersten Generation überwiegend noch eine Überführung der Verstorbenen in das jeweilige Herkunftsland, doch finden zunehmend auch islamische Bestattungen auf Friedhöfen in Deutschland statt.

Bislang werden rund 90 Prozent der muslimisch Gläubigen nach ihrem Tod zur Bestattung in ihr ursprüngliches Heimatland überführt. Für die meisten Muslime in Nordrhein-Westfalen bedeutet dies, dass ein Besuch am Grab eines Angehörigen mitunter mit einer weiten Reise ins Ausland verbunden ist.

Nordrhein-Westfalen sollte sich darauf einstellen, dass sich die Nachfrage nach muslimischen Bestattungen zukünftig erhöhen wird. Bei vielen Muslimen, die hier leben, besteht mittlerweile der Wunsch, auch hier ihre letzte Ruhe finden zu können. Für diese Menschen ist eine Beisetzung nach islamischem Brauch wichtig. Zwar gibt es mittlerweile in Nordrhein-Westfalen einige Städte und Gemeinden wie Köln, Duisburg, Wuppertal oder

Münster, in denen islamische Bestattungen erfolgen können, von einem im Ansatz bedarfsgerechten Angebot kann bislang aber noch nicht gesprochen werden.

Dies liegt vor allem daran, dass die weitestgehende Einhaltung der einzelnen islamischen Riten in der Regel nicht ohne weiteres möglich ist. Die islamischen Bestattungsbrauchtümer und die deutschen Bestattungsregelungen stehen sich oft ausschließend gegenüber.

Bei einer muslimischen Bestattung ist ein fester Ablauf vorgeschrieben. Die Beisetzung sollte bei der Bestattung im Islam umgehend nach Eintreten des Todes stattfinden, also möglichst bereits am Todestag. Die Gräber sollten für die Beisetzung so angelegt werden, dass der Tote auf seiner rechten Körperseite liegend mit dem Gesicht nach Mekka gerichtet ist. Der Leichnam ist ferner einer rituellen Waschung zu unterziehen, soll anschließend in weiße Leinentücher gewickelt und so in einem Erdgrab beigesetzt werden. Die Bestattung erfolgt normalerweise ohne Sarg. Gemäß den Bestattungstraditionen sollte eine Einbettung am besten in jungfräuliche Erde, das heißt ohne Vornutzung, erfolgen. Zudem besteht das Gebot ewiger Totenruhe. Der Kennzeichnung des Grabes kann ein Stein oder ein einfacher Grabstein dienen. Umfangreiche Grabaufbauten, Grabschmuck oder Bepflanzungen sind eher unüblich.

In dem seit 2003 bestehenden nordrhein-westfälischen Bestattungsgesetz NRW) ist festgelegt, dass nur Gemeinden und Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, Friedhöfe anlegen und unterhalten dürfen (Friedhofsträger). Da bisher keiner muslimischen Religionsgemeinschaft dieser Status verliehen wurde, gibt es in diesem Sinne keine islamischen Friedhöfe. Das NRW steht einer islamischen Bestattung generell jedoch keineswegs entgegen. Das NRW sieht beispielsweise keinen Sargzwang vor und eröffnet somit grundsätzlich die Möglichkeit für eine traditionelle muslimische Bestattung. Gemäß § 7 Absatz 2 NRW sollen ­ soweit möglich ­ Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass Bestattungen unter Berücksichtigung des Empfindens der Bevölkerung und der Glaubensgemeinschaft, der die zu Bestattenden angehörten, vorgenommen werden können. Der Friedhofsträger kann dementsprechend jederzeit und ohne Bindung an bestimmte Voraussetzungen den Sargzwang abschaffen oder verändern.

Dennoch ist aktuell eine Beerdigung von Muslimen in Nordrhein-Westfalen immer noch mit großen Schwierigkeiten verbunden. Häufig fehlt es an Räumlichkeiten für rituelle Waschungen und Trauerfeiern, Gräbern in bislang nicht für Bestattungen genutzter Erde mit Ausrichtung gen Mekka und ohne den in Deutschland üblichen Umbruch nach 30 oder spätestens 99 Jahren. Auch bei der Gestaltung des Grabes treten Probleme auf. Viele Friedhofssatzungen sind beim Thema Grabpflege und Instandhaltung sehr eng gefasst. Dies birgt schon im Kleinen großes Konfliktpotential.

II. Handlungsnotwendigkeiten

Es ist absehbar, dass sich in Nordrhein-Westfalen die Anzahl derjenigen, die den Wunsch nach einer dem islamischen Glauben entsprechenden Bestattung haben, erhöhen wird. In dem Maße, wie die Kinder von islamisch gläubigen Migranten in Nordrhein-Westfalen geboren werden und wie Muslime insgesamt den Bezug zu den Herkunftsländern ihrer Familien verlieren, wächst das Anliegen nach einer Bestattung im Land des eigenen Lebensmittelpunktes. Kerngedanke dieses Anliegens ist auch, die Integration der in Deutschland ansässigen Moslems zu fördern. Integration sollte Themen wie Tod und Bestattungen miteinbeziehen. Wenn sich Menschen muslimischen Glaubens verwurzelt fühlen und wollen, dass ihre Angehörige das Grab regelmäßig besuchen können, dann wird es in den nächsten Jahrzehnten immer mehr muslimische Beisetzungen geben.

Aus diesem Grund sollten die Rahmenbedingungen für islamische Bestattungen weiter verbessert werden. Muslimische Mitbürger sollten selbst entscheiden können, wo sie ihre verstorbenen Angehörigen nach islamischer Tradition bestatten möchten.

Bei allen zukünftigen Schritten ist es wichtig, dass bei dem Lösungsfindungsprozess zwischen den einschlägig Beteiligten, wie beispielsweise den Kommunalen Spitzenverbänden, anerkannten Religionsgemeinschaften und Vertretern der muslimischen gläubigen Bürger, ein größtmöglicher Konsens gefunden wird. Die unterschiedlichen Gegebenheiten vor Ort werden kreative Lösungen erfordern.

III. Beschlussfassung

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich für eine Erleichterung islamischer Bestattungen in Nordrhein-Westfalen einzusetzen; in Zusammenarbeit mit den einschlägig Beteiligten zu prüfen, wie die Rahmenbedingungen für islamische Bestattungen weiter verbessert werden können.

Hieraus abzuleitende Handlungsnotwendigkeiten sollten im größtmöglichen Konsens erarbeitet und umgesetzt werden.