Pfefferspray

Als Auslöser hierfür kämen mehrere Umstände in Frage, die in ihrem Zusammenwirken noch nicht abschließend beurteilt werden könnten: Es sind dies die mögliche Intoxikation mit Betäubungsmitteln, ein Atemstillstand nach massiver, auch psychisch ausgelöster Agitation und eine Infektion der oberen Luftwege, die sich bei der Obduktion nachweisen ließ.

Im Klartext: Pfefferspray kann in Zusammenwirken mit den übrigen Komponenten zu dem Schockgeschehen beigetragen haben ­ muss aber nicht.

Zu dem Ergebnis einer wahrscheinlichen Wechselwirkung zwischen Kokain und Capsaicin war im Vorjahr allerdings bereits eine amerikanische Studie auf der Grundlage eines Tierversuches gekommen.

Zu einer ähnlichen Schlussfolgerung kommt auch einer der führenden deutschen Rechtsmediziner, Prof. Michael Tsokos von der Berliner Charite. Pfefferspray, so Tsokos, sei als Todesursache durch eine Obduktion nicht zu beweisen; zugleich warnt er jedoch: Kerngesund gibt es nicht! und bestätigt damit drei Jahre später unbewusst die nachgeschobene Aussage des Polizeitechnischen Instituts der Deutschen Hochschule der Polizei? zu ihrem seinerzeitigen Positiv-Bericht an die IMK, wonach Menschen sehr unterschiedlich auf das ökologische Wundermittel OC/PAVA reagieren könnten, da liegen die wirksame und die tödliche Dosis nicht so weit auseinander.

Eigentlich sollte man nach solchen Einsatzfolgen und der ganzen Unklarheiten bei ihrer Beurteilung denken, dass die Sicherheitsverantwortlichen hierzu klärende unabhängige wissenschaftliche Studien in Auftrag gegeben und der Einsatz von Pfefferspray bis zu einem abschließenden Ergebnis zumindest ausgesetzt würde. Dies zumal als bekannte Risiken unterdessen auch in die Polizeiliteratur eingegangen sind43 und zumindest in den Niederlanden, Großbritannien und Schweden bereits 2001 entsprechende Untersuchungen in Auftrag angelaufen sind.

Über die Ergebnisse ist leider nichts bekannt.

Doch nichts davon: 2.190 versprühte Dosen Pfefferspray bei der Anti-Castor-Demonstration im November 2010 in Gorleben; in den Jahren 2007-2011 setzten Berliner Polizeibeamte in insgesamt 2.534 Fällen Pfefferspray ein. Überwiegend in Fällen von Häuslicher Gewalt.

Und dann im Februar 2011 erstmals ein Einsatz von Pepperballs gegen Nazi-Blockierer in Dresden.

Lassen wir es damit bewenden.

Widergabe medizinischer Bewertungen durch einen Laien Ohnehin ist es an der Zeit, den Katalog der bekannten potentiellen Gesundheitsgefährdungen etwas genauer zu durchblättern: Temporäre Blindheit bis zu 30 Minuten; ein brennendes Gefühl auf der Haut, das bis zu einer Stunde anhalten kann; Krämpfe im Oberkörper, die die Betroffenen zwingen, sich nach vorne zu krümmen; unkontrollierbarer Husten; Sprech- und Atemschwierigkeiten bis zu einer Viertelstunde48

­ die Wirkungen von Pfefferspray sind erheblich stärker als die anderer so genannter Tränengase. Besonders gefährlich ist es für Personen, die unter Asthma leiden bzw. Medikamente und Drogen nehmen. Die?Technologiefolgen-Abschätzungseinheit? des Europa-Parlaments (STOA) nennt in seinem Bericht zu OC vom Mai 200049 zu den potentiellen Gefahren weiterhin Schädigungen des Erbgutes, Degenerationen der Nervenfasern der Augenhornhaut und nervenlähmenden Hornhautentzündungen, Schädigungen von Gehirn, Leber und Nieren sowie Magengeschwüren. Dabei beruft sich der Bericht insbesondere auf US-amerikanische Forschungen die noch eine ganze Reihe weiterer gesundheitlicher Risiken nennt: Augenschäden, Hautkrankheiten (Allergien, Blasen), Schädigungen von Atmungsorganen (Kehlkopfkrämpfe, Bronchialkrämpfe, Atemstillstand, Lungenödem), akuter Bluthochdruck und Unterkühlung. Eine aktuelle Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes im Deutschen Bundestag sowie ein darauf fußendes Gutachten kommen zudem zu weiteren Symptomen: Die psychischen Auswirkungen sind je nach Verfassung der betroffenen Person unterschiedlich. Die schmerzhafte, symptomintensive und schnell einsetzende Wirkung von Pfefferspray kann (...) zu Angst- und Beklemmungsgefühlen, Orientierungslosigkeit, Aggressionssteigerung und panischen Reaktionen führen. In Abhängigkeit von der Erstversorgung können diese Symptome bis zu 45 Minuten anhalten. Posttraumatische Belastungen als verzögerte Reaktion (...) sind nicht auszuschließen.