Innerhalb der Gruppe der Beamten auf Zeit nehmen die hauptamtlichen Bürgermeister der Gemeinden eine besondere Stellung ein

Im Grunde ist aus demokratietheoretischer Perspektive die Einführung der direkten Abwahl eine logische Konsequenz.

8. Ist aus Ihrer Sicht allein das Vertrauensverhältnis, resp. ein gestörtes Vertrauensverhältnis, zwischen Kommunalvertretung und Hauptverwaltungsbeamten entscheidend oder kann auch das Vertrauensverhältnis, resp. ein gestörtes Vertrauensverhältnis, zwischen den Bürgerinnen undBürgern und dem Hauptverwaltungsbeamten maßgeblich sein?

Innerhalb der Gruppe der Beamten auf Zeit nehmen die hauptamtlichen Bürgermeister der Gemeinden eine besondere Stellung ein. Sie beruht auf der Grenzposition dieser Amtsträger zwischen Beamtenrecht und Kommunalrecht.

Dabei wird ihre Stellung in der Gemeinde in erster Linie durch die Gemeindeverfassung bestimmt. Der Bürgermeister vertritt die Gemeinde in einem ganz anderen, viel unmittelbareren Sinn als ein anderer Beamter seinen Dienstherrn. Durch den Bürgermeister tritt die Gemeinde handelnd erst in Erscheinung. Bei Erfüllung der kommunalen Aufgaben kann er weitgehend frei und schöpferisch gestalten und so der Gemeindeverwaltung seinen Stempel geben. Aber gerade das kann er nur, wenn er in stetem Einvernehmen mit dem gemeindlichen Willensbildungsorgan, dem Rat, bleibt. Die §§ 41 und 73 GO NRW weisen auf die vertrauensvolle Kooperation hin, auf die der Bürgermeister angewiesen ist. So ähnelt die Stellung des Bürgermeisters in der Gemeinde der der Regierung im parlamentarischen System. Wie sie bedarf der Bürgermeister der Vertrauensgrundlage in der Volksvertretung. Dabei liegt es auf der Hand, daß der hauptamtliche Bürgermeister in eine gewisse Abhängigkeit zur Gemeindevertretung steht. Dies gilt für die sachliche Notwendigkeit guter Zusammenarbeit wie auch der Wunsch, wieder gewählt zu werden. Für letzteres ist der Rat aber nicht zuständig. Das der Bürgermeister von den Bürgern abgewählt werden kann, ist nur konsequent, da sie ihn durch die Wahl in das Amt gebracht haben. Bislang ist es aber so, dass die GO NRW den Bürgern aber gibt. D.h. ein Abwahlverfahren in Gang zu setzen, zum Beispiel durch ein Bürgerbegehren. Die Unzufriedenheit der Bürger mit ihrem Bürgermeister könnte also nur insoweit bedeutsam werden, als Ratsmitglieder deren Unzufriedenheit zum Anlass nähmen, die Initiative für ihren Antrag an den Rat nach § 66 zu ergreifen. Die GO unterstellt wohl als Regelfall, dass Ratsmitglieder mit der Amtsführung des Bürgermeisters unzufriedensind und deshalb das Verfahren einleiten, um die Bürgern zur Entscheidung über die Abwahl des Bürgermeisters aufzurufen. Ein Beispiel aus jüngster Vergangenheit zeigt, dass Rat und Wählerschaft schon mal in der Einschätzung auseinander liegen. In der Gemeinde Nideggen beschloss der Stadtrat fast einstimmig - unter der Federführung der CDU - die Einleitung eines Abwahlverfahrens des Bürgermeisters (CDU). Da die Wahlbeteiligung nicht ausreichte und auch die Mehrheit der teilnehmenden Bürger gegen eine Abwahl gestimmt hatten, blieb der Bürgermeister im Amt.

9. Könnte man durch die Möglichkeit eines Bürgermeisterabwahlverfahrens eine bei den Kommunalwahlen verringern?

1O. Welche Regelungen im Hinblick auf die Initiierung von Abwahlverfahren bei Hauptverwaltungsbeamten sehen die Gemeindeordnungen anderer Bundesländer vor?

Direkte Abwahl durch Bürgerentscheid gibt es in folgenden Bundesländern: Abschließend können die Regelungen zur Abwahl in den deutschen Flächenländern in direkte und indirekte Abwahl (Abberufung) unterschieden werden (Übersicht 1). Die direkte Abwahl zeichnet sich durch die unmittelbare Beteiligung der Bürgerschaft an der Entscheidung über den Amtsverbleibaus.

Während bei der indirekten Abwahl die Kommunalvertretung die Abstimmung vornimmt.

Ist die Initiierung eines Abwahlbegehrens erfolgreich - unabhängig davon, ob das Verfahren durch ein Bürgerbegehren oder ein Ratsbegehren eingeleitet wurde - kommt es zum Urnengang über die Abwahl.

Der Bürgermeister muss sein Amt niederlegen, wenn folgende zwei Quoren erfüllt werden: Zum einen muss die Mehrheit der an der Abstimmung teilnehmenden Gemeindebürger/innen für die Abwahl des Bürgermeisters stimmen und zum anderen muss diese Mehrheit einen bestimmten Prozentsatz der wahlberechtigten Bürger/innen der Gemeinde betragen. Ziel der doppelten H9rde im Abstimmungsquorum ist es, Zufalls oder Bagatellmehrheiten zu verhindern.

In elf Bündesländern werden für den Erfolg eines Abwahlentscheids fünf verschiedene Quoren vorgesehen: In Brandenburg, Niedersachsen.und Nordrhein-Westfalen reicht eine einfache Mehrheit, wenn diese 25% der Stimmberechtigten beträgt. In Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, und Thüringen muss eine Mehrheit von 30% der Wahlberechtigten gegen den Verbleib des Bürgermeisters im Amt stimmen. In Schleswig-Holstein reicht eine Zustimmung von 20% der Stimmberechtigten. Am höchsten liegen die Zustimmungsquoren in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. In Sachsen müssen sich 50% der Stimmberechtigten gegen den Bürgermeister aussprechen. In Mecklenburg- Vorpommern müssen 33,3% der wahlberechtigten Bürger für die Abwahl sein.

In Brandenburg sah das Gesetz bis zu seiner Änderung im Jahre 1998, dass zehn Prozent der Wahlberechtigten die Initiative zur Abwahlunterstützen müssen. Nun gilt eine gestaffelte Regelung naoh Gemeindegröße: in Gemeinden bis zu 20 000 Einwohnern müssen 25% der wahlberechtigten Bürger für den Abwahlantrag stimmen und in Gemeinden zwischen 20 000 und 60 000 Einwohnern 20%. Städte mit mehr als 60 000 Einwohnern haben ein Initiativquorum von 15% der Wahlberechtigten.

In Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Schleswig-Holstein ist die Einleitung eines Ratsbegehrens am einfachsten zu realisieren. Für den Antrag ist kein besonderes Quorum erforderlich, er kann von nur einem Mitglied der Gemeindevertretung gestellt werden. In Brandenburg, Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland muss der Antrag von mindestens der Hälfte der Ratsmitglieder unterstützt werden. In Niedersachsen und Sachsen-Anhalt liegen die Hürden für die Antragsstellung mit einer geforderten drei Viertel und zwei Drittel Mehrheit der Ratsmitglieder am höchsten.

Im zweiten Schritt stimmt die Kommunalvertr.etung über die Einleitung eines Abwahlverfahrens ab (Beschlussfassung). Der Antrag gilt als angenommen, wenn die Mehrheit der Ratsmitglieder für die Durchführung eines Bürgerentscheids stimmt. In der Regel basieren Ratsbegehren auf einer Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Rat und Bürgermeister und nicht zwingend auf einer Dienstverfehlung von Seiten des Bürgermeisters. In Thüringen reicht für die Beschlussfassung eine einfache Mehrheit im Stadtrat. In Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein müssen zwei Drittel für die Einleitung. des Verfahrens stimmen. In Sachsen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt bedarf die Beschlussfassung im Rat sogar einer drei Viertel Mehrheit der Mitglieder der Kommunalvertretung.