Druckvergasungsanlage für Klärschlamm in Aschaffenburg

Die Projektentwicklungs- und Betriebsgesellschaft plant in Aschaffenburg die Errichtung einer Druckvergasungsanlage für Klarschlämme mit einer Kapazität von 120.000 t Jahresdurchsatz.

Ich frage die Staatsregierung:

1. Gibt es in Bayern bzw. in den anderen Bundesländern bereits Druckvergasungsanlagen für Klärschlämme bzw. sind der Staatsregierung entsprechende Planungen bekannt? Wenn ja, wo?

2. Welche Mengen werden bzw. sollen künftig dort behandelt werden?

3. Können nach Meinung der Staatsregierung alle Klärschlämme, z. B. auch hochgradig schwermetallbelastete, in einer Druckvergasungsanlage behandelt werden oder dürfen bestimmte Schadstoffe in Klärschlämmen einen gewissen Grenzwert nicht überschreiten? Wenn letzteres der Fall ist, welche Schadstoffe dürfen welchen Grenzwert nicht überschreiten?

4. Liegen der Staatsregierung Emissionsdaten für das Abgas vor, das bei der Verströmung entsteht? Wenn ja, welche?

5. Liegt der Staatsregierung eine Klimabilanz von Klärschlammtrocknung und Druckvergasung im Vergleich zu den Alternativen, z. B. Naßoxidation, landwirtschaftliche Nutzung, Kompostierung, Verbrennung, Deponierung etc. vor?

6. Ist die Staatsregierung der Meinung, dass alle Möglichkeiten zur Klärschlammvermeidung (z.B. die biologische Phosphateliminierung, Regenwasserversickerung), zur Schadstoffeliminierung (Abwasserbehandlung) und zur Verwertung (z.B. Kompostierung) ausgeschöpft sind?

Wenn nein, in welchem Bereich gibt es in welcher Größenordnung Entwicklungsmöglichkeiten?

7. Die Firma NOELL-DBI entwickelt jedoch das Verfahren an einer Pilotanlage in Freiberg/Sachsen weiter. Die Leistung dieser Pilotanlage beträgt 3 MW (bezogen auf den thermischen Wirkungsgrad), der Klärschlammdurchsatz liegt bei 300 kg/h Trockengut.

Auch wurden an einer Anlage zur Kohlevergasung in Freiberg mit einer Leistung von 130 MW (entspricht einer Durchsatzleistung von ca. 30 t/h Trockengut) Versuche mit Klärschlamm gefahren, um weitere Erkenntnisse über die grundsätzliche Funktionsfähigkeit größerer Anlagen zu gewinnen.

Die Firma Veba Oel AG befaßt sich seit Jahren ebenfalls mit der Entwicklung vergleichbarer Verfahren. Sie hat im Bereich der Emschergenossenschaft eine Vergasungsanlage mit einer Durchsatzleistung von 2,5 t/h errichtet. Detaillierte Unterlagen über diese Versuchsanlagen liegen dem Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen allerdings nicht vor.

Neben der Planung für eine Druckvergasungsanlage für Klärschlamm in Aschaffenburg gibt es Planungen der Firma zur Errichtung einer Anlage in Lauingen, Landkreis Dillingen. Nach dem derzeitigen Planungsstand sollen in dieser Anlage ca. 80.000 t/a Klärschlammtrockengut behandelt werden.

Die geplante und von der Regierung von Oberbayern bereits genehmigte dritte Druckvergasungsanlage für Klärschlamm am Kraftwerk Peißenberg, Landkreis Weilheim-Schongau, mit einer Durchsatzleistung von ca. 2 t/h Trockengut bzw. ca. 5.000 bis 10.000 t/a Trockengut war als Demonstrationsanlage konzipiert und wird nach Angaben des Kraftwerkbetreibers zumindest in absehbarer Zeit nicht verwirklicht werden.

Zu 3.: In der geplanten Druckvergasungsanlage in Aschaffenburg soll nur kommunaler Klärschlamm thermisch behandelt werden. Kommunaler Klärschlamm ist durchweg nicht erheblich mit Schwermetallen belastet. Bei den wenigen kommunalen Klärschlämmen, bei denen aufgrund von Überschreitungen der Grenzwerte der Klärschlammverordnung eine landwirtschaftliche Verwertung nicht möglich ist, ist die thermische Behandlung geboten.

Dabei werden aufgrund der Anlagentechnik der Behandlungsanlagen und der erforderlichen Abgasbehandlung keine grundsätzlichen Emissionsprobleme gesehen. Grenzwerte für Schadstoffe im Klärschlamm, die eine Behandlung in der Druckvergasungsanlage ausschließen würden, gibt es nicht.

Für die Beurteilung der Anlage ist im wesentlichen maßgebend, ob die Emissionen entsprechend dem Stand der Technik begrenzt werden.

Zu 4.: Gemessene Emissionsdaten für das Abgas, das bei einer Druckvergasungsanlage mit anschließender Energienutzung bei der Verbrennung des Synthesegases entsteht, liegen dem Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen bisher nicht vor.

Nach Angaben der Fa. für die Anlage in Aschaffenburg kann sie bei einer Energienutzung über einen Dampfkessel folgende Garantiewerte einhalten, die in der nachfolgenden Tabelle den Tagesmittelwerten der 17.Treibhausgases Kohlendioxid in der Atmosphäre kommt neben anderen Faktoren wie Brandrodungen in erster Linie dadurch zustande, dass der Kohlenstoff fossiler Energieträger, die in erdgeschichtlichen Zeiträumen aus Flora und Fauna entstanden sind, nunmehr in relativ kurzer Zeit durch Verbrennung als Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangt. Dadurch wird die Resorptionsfähigkeit der heutigen Biosphäre möglicherweise überfordert.

Demgegenüber wird bei der Verbrennung nichtfossiler Energieträger, also sogenannter nachwachsenden Rohstoffen wie Holz, mit dem Kohlendioxid nur derjenige Kohlenstoffanteil in die Atmosphäre abgegeben, den die Pflanze wenige Jahre vorher der Atmosphäre entnommen hat. Der natürliche Kreislauf des Kohlenstoffs wird dadurch nicht wesentlich beeinflußt.

Der Kohlenstoffanteil der verbrennbaren organischen Substanzen aus dem Klärschlamm stammt naturgemäß aus der heutigen Biosphäre, so dass das Verbrennen von Klärschlamm die Atmosphäre nicht zusätzlich mit Kohlendioxid belastet. Diese Überlegungen gelten für alle Arten der Klärschlammverbrennung bzw. Oxidation unter genügender Sauerstoffzufuhr, also auch für die Naßoxidation. Der biologische Abbau von Klärschlamm beispielsweise im Zusammenhang mit einer landwirtschaftlichen Verwertung würde im wesentlichen die gleiche Menge Kohlendioxid freisetzen.

Für eine Beurteilung der verschiedenen Behandlungs- und Verwertungsverfahren bzw. der Ablagerung von Klärschlamm im Rahmen einer Ökobilanz sind die Auswirkungen auf das Klima nur ein Teilaspekt. Aus ökologischer Sicht sind insbesondere folgende Gesichtspunkte relevant:

Bei einer landwirtschaftlichen Nutzung werden zwar die im Klärschlamm enthaltenen Nährstoffe verwertet, die ebenfalls enthaltenen Schadstoffe wie Schwermetalle allerdings werden großflächig verteilt. Dies trifft sowohl für die Klärschlammaufbringung als auch die Klärschlammkompostierung mit anschließender landwirtschaftlichen Verwertung zu. Bei der thermischen Behandlung ist eine Nutzung der Nährstoffe im Klärschlamm nicht möglich. Andererseits werden beim thermischen Prozeß organische Schadstoffe im Klärschlamm zerstört und die Schwermetalle weitestgehend in den Rückständen aufkonzentriert und einer geordneten Entsorgung zugeführt. Diese Fakten können zwar für eine allgemeine Beurteilung mit herangezogen werden, für eine Bilanzierung im Rahmen einer Ökobilanz fehlen jedoch vergleichende Kriterien. Außerdem wäre eine verfahrensbezogene Wertung unvollständig, wenn nicht örtliche Gegebenheiten, etwa die Art der landwirtschaftlichen Nutzung und die vorhandene Immissionssituation, berücksichtigt werden.

Die entsorgungspflichtigen Körperschaften wurden deshalb aufgefordert, Klärschlammentsorgungskonzepte zu erarbeiten, in denen derartige Aspekte mit gewürdigt werden können.

Zu 6.: Die Städte und Gemeinden sind nach Art. 41 b des zur Abwasserbeseitigung verpflichtet. Demnach muss das Hauptaugenmerk auf der Sammlung und ordnungsgemäßen Behandlung der Abwässer liegen. Bei der Abwasserbehandlung fällt zwangsläufig Klärschlamm an, dessen Aufkommen durch Maßnahmen der Niederschlagswasserversickerung, der Abwasserableitung oder der Abwasserbehandlung nur in sehr engen Grenzen beeinflußt werden kann. Dort, wo es wie bei der biologischen Phosphorelimination möglich ist, besteht bereits bei den Betreibern ein finanzielles Interesse, Kosten für die Klärschlammentsorgung und für Fällmittel einzusparen.

Daneben bestehen auch bundes- als auch satzungsrechtliche Vorgaben, z. B. den Abwasserpfad nicht zur Abfallentsorgung zu mißbrauchen oder abwasserarme Produktionsverfahren zu verwenden.

Die Schadstoffeliminierung muss bereits am Anfallort ansetzen. Hier hat Bayern bereits 1985 eine Indirekteinleiterverordnung erlassen und diese 1990 auf alle Betriebe ausgedehnt, die mit gefährlichen Stoffen umgehen. In Bayern erfüllen deshalb über 90 % der Schlämme die Anforderungen der Klärschlammverordnung. Eine Steigerung dieses Anteils ist durch den laufenden Vollzug der Verordnung noch zu erwarten.

In bezug auf die Verwertung des Klärschlamms im Landbau ist auszuführen, dass dieser Verwertungsweg in den vergangenen Jahren zugenommen hat (Verwertungsanteile im Jahr 1993: ca. 66 % der angefallenen Schlammenge). Immer mehr Kläranlagenbetreiber gingen dazu über, ihren Klärschlamm an Entsorgungsfirmen abzugeben, die ihn in Akkerlandgebiete innerhalb oder auch außerhalb Bayerns transportieren und dort verwerten (ca. 19 % des verwerteten bayerischen Klärschlamms wurden im Jahr 1993 in den neuen Bundesländern in der Landwirtschaft und bei der Rekultivierung von Braunkohletagebaustätten eingesetzt).

Es wird allerdings erwartet, dass in der landbaulichen Verwertung des Klärschlamms zukünftig keine erheblichen Zunahmen mehr erreichbar sind. Gründe hierfür sind folgende:

­ Akzeptanzprobleme in der Landwirtschaft

­ beschränkende Abnahmeverträge von Lebensmittelherstellern (kontrollierter Vertragsanbau)

­ Haftungsfragen

­ Flächenstillegungsprogramme

­ Konkurrenz der landwirtschaftlichen Gülleverwertung

­ Zunahme der Kompostverwertung in der Landwirtschaft

­ Abnahme geeigneter Rekultivierungsflächen.

Alternative Entsorgungskonzepte für den landwirtschaftlich nicht zu verwertenden und für den zukünftig nach den Anforderungen der Technischen Anleitung Siedlungsabfall nicht mehr deponierbaren Klärschlamm müssen deshalb umgesetzt werden.

Zur Kompostierung ist anzumerken:

Durch die Zunahme der Kompostierung von Bioabfällen in Bayern werden künftig erhebliche Mengen von Komposten auf dem Markt zur Verfügung stehen, die teilweise in Konkurrenz zur landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung treten. Im Jahr 1993 wurden in Bayern bereits 329.751 t (mit ca. 60 % Trockenmasse) Fertigkompost erzeugt. Die Menge wird sich voraussichtlich mittelfristig um weitere 100.000 t erhöhen.

Der Einsatz oder der Miteinsatz von Klärschlamm bei der Kompostierung kann zu einem schadstoffreicheren Produkt führen. Bei der Kompostierung (Rotte) von Klärschlamm kann das Rottegut, unabhängig von der Art der Zuschlagsstoffe, Schwermetallgehalte aufweisen, die über den zur Beurteilung der zulässigen Schwermetallgehalte von Komposten maßgeblichen Richtwerten der RAL-UZ 45 liegen. Entsprechendes gilt für die in den Hinweisen zum Aufbringen von Grüngut, Grüngutkompost und Bioabfallkompost auf landwirtschaftlich genutzten Flächen des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 20.09.94 enthaltenen Richtwerte für Schwermetalle (sie entsprechen den Richtwerten der RAL-UZ 45) und organische Schadstoffe in Bioabfallkomposten. Im übrigen ist der Einsatz von Klärschlamm bei der Kompostierung von Grünmaterial nach RAL-UZ 45 ausgeschlossen.

Eine Kompostierung oder Rotte von Klärschlamm mit dem Ziel des Einsatzes des Rottegutes als Bodenverbesserungsmittel (organischer Humusbildner) ist deshalb in der Regel abzulehnen. Von der Verwendung von Klärschlamm als Zusatz zu gering belasteten Komposten, z. B. Grünschnitt- oder Bioabfallkomposten sollte Abstand genommen werden.

Zu 7.: Die Kosten für die Trocknung und Druckvergasung von Klärschlamm hängen stark von den jeweiligen Anlagengrößen sowie von den Transportentfernungen ab. Nach bisherigen Kalkulationen muss von spezifischen Gesamtkosten in Höhe von ca. 800 DM bis ca. 1.500 DM pro Tonne Klärschlamm-Trockenmasse zuzüglich Transportkosten zu einer Trocknungsanlage ausgegangen werden. Dies entspricht Kosten in Höhe von ca. 0,35 bis ca. 0,65 DM pro m3 Abwasser.

Die Fa. nennt allerdings für die Anlage Aschaffenburg erheblich niedrigere Kosten.

Der durchschnittliche Abwasserpreis betrug in Bayern 1993 rund 2,30 DM/m3.