Staatsminister Dr Beckstein Innenministerium Herr Kollege Ritzer diese Frage kann ich eindeutig

Dr. Ritzer (SPD): Herr Minister, ich teile durchaus die Auffassung der Innenministerkonferenz, dass Sozialhilfebezug ein Kriterium ist bzw. sein kann, nach dem im Zusammenhang mit Rückführungen sortiert wird. Ich frage mich allerdings, ob es dann nicht sinnvoll wäre, entsprechende Feststellungen zu treffen. Denn aus meiner Praxis im Petitionsausschuß weiß ich, dass man durchaus zwischen längerem und weniger langem Sozialhilfebezug unterscheiden kann. Meine Frage zielt doch darauf, ob man den Betroffenen erst durch die Rückkehrverpflichtung die Arbeitserlaubnis genommen und sie damit zu Sozialhilfeempfängern gemacht hat.

Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Herr Staatsminister.

Staatsminister Dr. Beckstein (Innenministerium): Herr Kollege Ritzer, diese Frage kann ich eindeutig verneinen.

Es ist nicht etwa so, dass die Betroffenen erst durch die zur Diskussion stehende ausländerrechtliche Maßnahme zu Sozialhilfeempfängern geworden wären. Das kann ich eindeutig verneinen.

Zu der zweiten Frage. Es ist nicht etwa so - das muss ich hier korrekterweise angeben -, dass nach der Auffassung der Innenministerkonferenz Sozialhilfebezug etwa ein Kriterium wäre. Es handelt sich um ein zusätzliches Merkmal, das wir in Bayern einschränkend gegenüber der ersten Stufe der Rückführung gemäß Innenministerkonferenz festgelegt haben. Die Innenministerkonferenz sagt: alle Ledigen, unabhängig davon, ob berufstätig oder nicht. Wir dagegen haben gesagt, dass das einschränkend erfolgen soll. Wie Sie wissen, hatten andere Länder zum Teil die ausländerrechtlichen Voraussetzungen überhaupt noch nicht. Einige Länder haben sie erst jetzt geschaffen.

Andere haben erklärt, dass sie den Winter hindurch nicht abschieben. Andere haben Abschiebungen versucht, aber nicht durchgeführt. Wiederum andere haben in einzelnen Fällen Abschiebungen vorgenommen.

Wir haben, da es bei uns um große Zahlen geht, von vornherein erklärt, dass wir innerhalb der ersten Kategorien Leute über 55 Jahre, die wir - jedenfalls unter den schwierigen Umständen - nicht für arbeitsfähig halten, zumindest ausschließen. Das heißt, Arbeitsfähige zwischen 18 und 55 Jahren, die bei uns Sozialhilfe beziehen, sollten uns nach den Richtlinien, die wir den Ausländerbehörden gegeben haben, für die Rückführung der ersten Phase bzw. der ersten Stufe gemäß den Beschlüssen der Innenministerkonferenz zuerst gemeldet werden. Es war aber keinesfalls beabsichtigt und es ist auch nicht gegeben, dass Leute erst dadurch, dass wir die Abschiebung vornehmen wollten, in die Arbeitslosigkeit getrieben worden wären.

Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Gibt es eine Zweite Zusatzfrage: Herr Kollege Dr. Hahnzog.

Dr. Hahnzog (SPD): Herr Dr. Beckstein, welche Bundesländer schieben schon jetzt Sozialhilfeempfänger ab?

Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Herr Staatsminister.

Staatsminister Dr. Beckstein (Innenministerium): Ich bitte Sie, bei den anderen Kollegen nachzufragen, weil ich mich selber nicht in der Lage sehe, zum Teil vertrauliche Informationen, die ich von anderen Kollegen bekommen habe, hier öffentlich wiederzugeben, bevor ich deren Einverständnis habe, mit den Informationen öffentlich umzugehen.

Die Frage von Veröffentlichungen aus der Abschiebungspraxis hängt von dem einzelnen Land ab. Manche Länder wollen es bewußt öffentlich machen, ob abgeschoben wird. Andere Länder legen Wert darauf, dass das relativ unter der Decke erfolgt.

Ich möchte dazu noch folgendes sagen. Heute früh habe ich mit einem Kollegen eines A-Landes telefoniert, der mich ausdrücklich gebeten hat, keinerlei Angaben über die mir erteilten Informationen zur Abschiebepraxis seines Bundeslandes, das deutlich nördlich von Bayern liegt, zu machen.

Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Die dritte Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Köhler.

Frau Elisabeth Köhler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, werden Sie auch weiterhin Sozialhilfeempfänger und Straftäter gemeinsam in einem Flugzeug abschieben, und glauben Sie nicht, dass das die Menschen, die keine Straftaten begangen haben, stigmatisiert?

Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Herr Staatsminister.

Staatsminister Dr. Beckstein (Innenministerium): Ich habe deutlich hervorgehoben, dass wir bis Ende Januar keine größere Abschiebeaktion durchführen. Ich will auch hier noch einmal in aller Deutlichkeit sagen: Dadurch, Frau Kollegin Köhler, dass gerade von Ihrer politischen Richtung derartige Informationen nicht weitergegeben werden, werden viele Betroffene völlig unnötig verunsichert. Ich habe gesagt: Eine entsprechende Aktion mit einem gecharterten Flugzeug wird es von Bayern und von bayerischen Behörden bis Ende Januar nicht geben. Nach Ende Januar, also ab Februar, werden wir weitere Aktionen durchführen.

Wenn wir zum Beispiel ein Flugzeug chartern - was aus Kostengründen zwingend geboten ist, weil das viel preisgünstiger ist als sonstige Abschiebemaßnahmen - dann wird versucht, das Flugzeug mit Abzuschiebenden zu füllen. Es bedeutet keineswegs eine Diskriminierung anderer, wenn diese in einem Flugzeug zusammen mit Straftätern sitzen. Wir schieben Straftäter beispielsweise auch über Linienmaschinen von Fluggesellschaften ab.

Ich halte eine solche Maßnahme auch nicht für eine Diskriminierung von Sozialhilfeempfängern. Sozialhilfe ist ein Recht, auf das man Anspruch hat. Trotzdem sind auch die Interessen unseres Landes berechtigt, dass diejenigen, die den Steurzahler, hier die Kommunen, viel Geld kosten, ihrer Ausreiseverpflichtung als erste nachkommen. Das ist meine Meinung. Ich werde darin auch von vielen Kommunalpolitikern quer durch alle Fraktionen bestätigt.

Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Die nächste Frage stellt Herr Kollege Dr. Hahnzog. Bitte, Herr Kollege.

Dr. Hahnzog (SPD): Wurde die am 4. Dezember 1996 als erste entsprechend dem Abkommen von Dayton aus Bayern zurückgeführte Gruppe an ihrem Ankunftsort registriert?

Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Herr Staatsminister.

Staatsminister Dr. Beckstein (Innenministerium): Herr Kollege Hahnzog, die am 4. Dezember 1996 zurückgeführte Gruppe ehemaliger bosnischer Bürgerkriegsflüchtlinge wurde nicht, wie Sie in der Anfrage vermuten, entsprechend dem Abkommen von Dayton zurückgeführt, sondern nach dem deutschen Ausländerrecht. Ob die bosnischen Staatsangehörigen in Sarajevo von den Mitarbeitern der bosnischen Regierung registriert wurden, ist hier nicht bekannt. Die bosnische Regierung hat jedoch in allen Fällen ihre völkerrechtliche Verpflichtung anerkannt und wahrgenommen, für die Aufnahme ihrer Staatsangehörigen und gegebenenfalls die Weiterleitung zum gewünschten Zielort Sorge zu tragen.

Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Die erste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Dr. Hahnzog.

Dr. Hahnzog (SPD): Wie beurteilen Sie dann einen Bericht, den Ihre Kollegin, Frau Ministerin Stamm, am 07.11. gegenüber dem Landtag gegeben hat, und zwar unter Beifügung eines Merkblattes, aus dem sich die zentrale Bedeutung der Registrierung der zurückgeführten Flüchtlinge ergibt? Denn nur Registrierte werden als Flüchtlinge anerkannt und können überhaupt eine Wohnung bzw. eine Unterkunft bekommen.

Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Herr Staatsminister, bitte.

Staatsminister Dr. Beckstein (Innenministerium): Zu der Angabe von Frau Kollegin Stamm kann icht nichts sagen.

Ich habe hier das Abkommen von Dayton. Eine Registrierung der genannten Art habe ich dort nicht gesehen.

Ich kann aber noch einmal hervorheben, dass bezüglich der zurückgeführten Straftäter der bosnische Innenminister persönlich unterrichtet war. Bezüglich der bosnischen Bürgerkriegsflüchtlinge, die als Sozialhilfeempfänger zurückgeführt wurden, war der bosnische Flüchtlingsminister Recica unmittelbar persönlich mehrfach in die Vorgänge eingeschaltet und hat sich selber bzw. durch seinen Stellvertreter unmittelbar um alle Maßnahmen in diesem Fall gekümmert. Mein zuständiger Mitarbeiter hat eine große Anzahl von Telefongesprächen mit den Spitzenpolitikern, die für diesen Bereich zuständig sind, geführt. Es wurde dafür Sorge getragen, dass tatsächlich alle Vorschriften des innerbosnischen Rechts und der Verwaltungspraxis beachtet wurden.

Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Die zweite Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Köhler.

Frau Elisabeth Köhler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, warum wurde der UNHCR von dieser Abschiebung nicht informiert bzw. nicht einbezogen?

Schließlich ist auch laut Dayton-Vertrag der UNHCR für die Flüchtlingsrückführung maßgeblich mit zuständig.

Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Herr Staatsminister.

Staatsminister Dr. Beckstein (Innenministerium): Der UNHCR war informiert. Gegenteilige Meldungen sind falsch. Er war übrigens auch am Flughafen.

Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Dritte Zusatzfrage: Herr Kollege Dr. Hahnzog.

Dr. Hahnzog (SPD): Herr Staatsminister, kennen Sie die offiziellen Informationsblätter des UNHCR, in denen es unter i - Schicksal nach der Ankunft - heißt, dass sich Flüchtlinge und Vertriebene beim örtlichen Flüchtlingskommissar registrieren lassen müssen, um als solche anerkannt zu werden, und wo es weiterhin heißt, dass nur Flüchtlinge und Vertriebene zur Nutzung leerstehenden Wohnraums berechtigt sind? Beabsichtigen Sie, in diesem Sinne Informationen gegenüber rückkehrwilligen Menschen vorzunehmen?

Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Herr Staatsminister.

Staatsminister Dr. Beckstein (Innenministerium): Herr Kollege Hahnzog, mir sind die Einzelheiten, die in Bosnien gelten, nicht bekannt. Es ist auch völkerrechtlich nicht so, wie angenommen wird. Die bayerische Staats-regierung hatte die Bundesregierung über die Vorgänge vorher informiert. Ich persönlich hatte Bundesinnenminister Kanther über die Abschiebung informiert. Die Bundesregierung hatte keine Einwände erhoben, sondern mich ausdrücklich ermuntert, die Abschiebung durchführen zu lassen.

Die Frage, wie in Bosnien vorzugehen ist, betrifft nicht die Aufgaben deutscher, sondern die Aufgaben bosnischer Behörden. Die bosnische Regierung war unmittelbar als Regierung - das betrifft jedenfalls Regierungsmitglieder über den beabsichtigen Abschiebevorgang informiert und hatte alle erforderlichen Maßnahmen vorgenommen. Wir selber hatten durch die Entsendung und Begleitung eigener Beamter - übrigens auch durch die Information der deutschen Botschaft - lediglich sichergestellt, dass die bosnische Seite die eingegangenen Verpflichtungen tatsächlich einhält. Nachdem dies der Fall war, war es selbstverständlich, dass von unseren deutschen bzw. bayerischen Mitarbeitern keinerlei Maßnahmen durchgeführt wurden. Denn die Verantwortung für das bosnische Gebiet liegt nicht bei uns. Herr Kollege Ritzer, ich will nicht noch einmal den Fehler begehen, von südlich oder nördlich angrenzenden Ländern zu sprechen; denn dadurch könnte ein falscher Eindruck entstehen.

Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Die nächste Frage stellt Herr Kollege Dr. Fleischer. Bitte, Herr Kollege.

Dr. Fleischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatsminister, welche konkreten Fälle waren der Anlaß, im Entwurf eines Bayerischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes eine Sicherheitsüberprüfung von Persönlichkeiten, denen der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland oder auch der Bayerische Verdienstorden verliehen werden soll, durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz vorzusehen, und beabsichtigt die Staatsregierung, diese Sicherheitsüberprüfungen vornehmen zu lassen, ohne dass zuvor das Einverständnis der Betroffenen eingeholt wird?

Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Herr Staatsminister.

Staatsminister Dr. Beckstein (Innenministerium): Der Entwurf des Bayerischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes sieht keine Sicherheitsüberprüfung von Personen bei der Verleihung von Orden vor; Sie sind falsch informiert.

Die Ordensbehörden müssen jedoch sichergehen, daß Ordensträger aufgrund ihrer Vorbildfunktion dem demokratischen Staat nicht feindlich gegenüberstehen oder durch eine Nazi- oder Stasi-Vergangenheit belastet sind.

Zu diesem Zweck schalten die Ordensbehörden das Landesamt für Verfassungsschutz ein, das in der Regel die eigenen Erkenntnisse überprüft und, wenn der Betreffende vor dem 1. Januar 1926 geboren ist, bei der Zentralstelle der Landesjustizverwaltungen zu NS-Verbrechen in Ludwigsburg nachfragt. Dabei handelt es sich um keine Sicherheitsüberprüfung nach dem Bayerischen Sicherheitsüberprüfungsgesetz, wie Sie fälschlicherweise meinen, sondern lediglich um eine Auskunftserteilung des Landesamtes für Verfassungsschutz über vorliegende Erkenntnisse.

Für die Auskunft des Landesamtes bestand schon bisher eine ausreichende Rechtsgrundlage in den Artikeln 3 Absatz 3 Nummer 2, 5 Satz 1 und 14 Absatz 1 Satz 2 des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes. Der Datenschutzbeauftragte forderte jedoch, die Mitwirkung des Landesamtes für Verfassungsschutz in Ordensangelegenheiten zur Klarstellung ausdrücklich als Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz in das Verfassungsschutzgesetz aufzunehmen. Dies soll jetzt im Zusammenhang mit der Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes geschehen, die aus anderem Anlaß, nämlich aufgrund des neuen Bayerischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes, notwendig ist.

Eine Ausweitung der Rechtsgrundlage für die Auskunft des Landesamtes für Verfassungsschutz und eine Erweiterung der Auskunftspraxis sind damit nicht verbunden.

Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Erste Zusatzfrage: Herr Kollege Dr. Hahnzog. Bitte.

Dr. Hahnzog (SPD): Herr Staatsminister, räumen Sie damit ein, dass der entsprechende Artikel in dem heute oder morgen zu beratenden Sicherheitsüberwachungsgesetz eine Irreführung des Parlaments ist? Denn dieses Gesetz ist nur überschrieben Sicherheitsüberwachungsgesetz, und auch der Langtext zur Bezeichnung dieses Gesetzes geht nur in diese Richtung, aber nicht in Richtung neuer Aufgaben oder klarzustellender Aufgaben des Verfassungsschutzamtes.

Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Herr Staatsminister.

Staatsminister Dr. Beckstein (Innenministerium): Herr Kollege Hahnzog, ich räume nicht ein, dass das eine Irreführung des Parlaments ist. Ich traue dem Parlament eine mindestens durchschnittliche, sogar eine wesentlich überdurchschnittliche Fähigkeit zu, eine Gesetzesbegründung zu lesen und auch zu verstehen.

Ich werde aber gerne heute abend ausprobieren, ob mein 1 6jähriger Sohn das versteht. Gegebenenfalls können wir dann Nachbesserungen machen, um die Begründung auch für durchschnittliche Fähigkeiten verständlich zu machen.

Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Zweite Zusatzfrage: Herr Kollege Dr. Fleischer.

(Dr. Ritzer (SPD): Das ist unfair gegenüber dem Sohn! - Walter Engelhardt (SPD): Das erlaubt Rückschlüsse auf den Vater! - Dr. Weiß (CSU): Testen wir meine elfjährige Tochter! - Heiterkeit) Bitte, stellen Sie Ihre Frage.

Dr. Fleischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich wollte nur warten, bis die Heiterkeit sich legt.

Herr Staatsminister, nachdem Sie vorhin dargestellt haben, dass es sich nicht um eine neue Praxis handelt, sondern um eine Präzisierung der gesetzlichen Grundlage, frage ich Sie im Anschluß daran, da der Verfassungsschutz wohl bisher schon vor der Ordensverleihung beim Bayerischen Verdienstorden eingeschaltet war: In wie vielen Fällen ist das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz fündig geworden und konnte Personen, die auf der Vorschlagsliste standen, zum Ausscheiden zwingen, weil sie nicht mit dem Grundgesetz oder der Bayerischen Verfassung in Einklang standen?