Haftpflichtversicherung

Ausgesuchte Probleme und Einzelfälle

6. Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung (SCHUFA)

Scoring-Verfahren

Im Jahr 2005 gingen zahlreiche telefonische und schriftliche Anfragen und Beschwerden zur Berechnung des SCHUFA-Scorewerts ein.

Exemplarisch für die Vielzahl der Beschwerden werden zwei Fälle heraus gegriffen:

Ein Betroffener beschwerte sich darüber, dass sein Scorewert mit 40 von 1000 Scorepunkten extrem schlecht war. Er gab an, dass ihm im Laufe des Jahres 2005 drei Barkreditanfragen von jeweils unterschiedlichen Banken abgelehnt worden seien, obgleich er in ungekündigter Stellung und mit einem sehr hohen, frei verfügbaren Einkommen ausgestattet sei und keinerlei Negativeinträge habe. Da er als Akademiker mit beratender Tätigkeit in der Vergangenheit seinen Wohnort häufiger habe wechseln müssen, seien bei der SCHUFA 8 Adressen gespeichert.

Die SCHUFA hatte seine Anfrage, aus welchen Gründen er so schlecht eingestuft worden sei, mit einem merkblattartigen Schreiben beantwortet, das lediglich allgemeine Ausführungen zum Scoreverfahren enthielt. Sie verwies darauf, dass die Ablehnungen wegen der Vertragsfreiheit der Kreditgeber und der Prüfung der Kreditsachbearbeiter nicht auf den SCHUFAScorewert zurück zu führen seien und der Betroffene im übrigen doch noch einen Kredit bei einer anderen Bank bekommen habe.

Es wurden keine auf den konkreten Fall bezogenen Auskünfte erteilt, aus welchen Gründen der konkrete Scorewert so schlecht ausgefallen war, vielmehr berief sich die SCHUFA hinsichtlich der Wertigkeiten in den ScoreBerechnungen auf das Geschäftsgeheimnis.

In einem anderen Fall übersandte ein Betroffener der Aufsichtsbehörde seine Korrespondenz mit der SCHUFA, die sich um die wiederholte Berechnung seiner Scorewerte und deren drastischer Veränderung innerhalb von zwei Jahren drehte. Wenngleich die Entwicklung zum Positiven erfolgt war, verlangte er eine Erklärung.

Der Betroffene hatte sich im September 2004 seine Scorewerte für alle Sparten berechnen lassen. Dabei wurden hohe Risikoquoten ausgewiesen, d.h. der Beschwerdeführer wurde in schlechte Ratingstufen einordnet. Kurz zuvor hatte der Betroffene auch eine Selbstauskunft eingeholt, in der verschiedene Kreditverträge, Kreditanfragen und eine Anfrage wegen Dienstleistung enthalten waren. Dem Betroffenen war durch die Diskussion in der Öffentlichkeit bekannt, dass mehrere Kreditanfragen bei der Berechnung des Scorewerts problematisch sein könnten.

Seine Beschwerde bei der SCHUFA führte zu einer allgemeinen Erläuterung des Scoring-Verfahrens sowie dem Hinweis, dass der Scorewert allein keine hinreichende Grundlage für eine Kreditentscheidung sei. Nicht beantwortet wurde jedoch die Frage, aus welchen Gründen die Werte im konkreten Fall des Betroffenen so schlecht ausgefallen waren.

Die nächsten Scorewerte, die sich der Betroffene im November 2004 errechnen ließ, wiesen eine starke Verbesserung bis zu drei Ratingstufen auf, obgleich die parallel eingeholte Selbstauskunft keine Verringerung der Kreditbelastungen zeigte, sondern vielmehr zwei neue Kreditanfragen und eine weitere Anfrage "Dienstleistung" hinzu gekommen waren.

Eine dritte Scoreberechnung im September 2005 ergab schließlich eine noch deutlichere Verbesserung der Ratingstufen, eine davon sogar Ratingstufe A, eine andere Stufe B, obgleich in der Selbstauskunft vier neue Kreditanfragen, eine Leasinganfrage und zwei neue Kreditkarten eingetragen waren.

Die Leasinganfrage stellte sich später als fehlerhaft heraus, weil sie einem Leasinggeschäft galt, das mit einer Aktiengesellschaft geschlossen werden sollte, bei dem der Betroffene Geschäftsführer (Vorstandsvorsitzender) war.

Nachdem die fehlerhafte Leasinganfrage gelöscht worden war, übersandte die SCHUFA dem Betroffenen im Februar 2006 eine neue Berechnung des Scorewerts, die noch viel besser ausfiel, so dass alle Ratingstufen hervorra14 gend waren. Die drastisch positiven Veränderungen der Scorewerte des Betroffenen waren nicht ohne weiteres zu erklären.

Der Beschwerdeführer vermutete, dass dies mit dem Wegfall der oben genannten zwei Anfragen zu einer Dienstleistung zusammen hängen müsse, die nach Ablauf der Jahresfrist inzwischen automatisch gelöscht waren und somit bei den späteren Scoreberechnungen nicht mehr einflossen. Diese Anfragen waren von einem Anbieter von Gentests gestellt worden, dessen wesentliches Geschäftsfeld die Durchführung von Abstammungsgutachten ist.

Der Betroffene vermutete, dass Kunden dieses Unternehmens hauptsächlich Väter seien, die einen Vaterschaftstest durchführen ließen, um sich aus finanziellen Gründen ihren Unterhaltspflichten zu entziehen, und dass er in diese Kategorie eingeordnet worden sei.

Da diese Klientel zu einem hohen Anteil finanziell schwach sei, jedoch im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung eine relativ kleine Vergleichsgruppe darstelle, seien die daraus gewonnenen statistischen Aussagen nicht aussagekräftig.

Für die Aufsichtsbehörde ist neu, dass offensichtlich auch Dienstleister dieser Art Vertragspartner der SCHUFA sind. Sollte sich die Vermutung des Betroffenen bestätigen, würde dies wohl bedeuten, dass beim SCHUFAScoring der Geschäftsgegenstand bzw. der einmeldende Vertragspartner einfließen und gewichtet werden. Die Aufsichtsbehörde befindet sich diesbezüglich in der Prüfung.

Sowohl den geschilderten Fällen als auch nahezu allen anderen Eingaben ist gemeinsam, dass die Betroffenen mehr Transparenz bzgl. des ScoringVerfahrens fordern. Sie wollen vor allem wissen, warum ihre Scorewerte schlecht sind oder waren.

Für den SCHUFA-Score ist zwar bekannt, dass im Grundsatz alle im Auskunftsdatenbestand gespeicherten Daten für die Scoreberechnung verwendet werden (können), so dass sich die Datenbasis prinzipiell aus der Eigenauskunft ersehen lässt, die jeder Betroffene einholen kann (siehe hierzu unter Nr. 6.1 des 17. Berichtes der Landesregierung über die Tätigkeit der für den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich in Hessen zuständigen Aufsichtsbehörden, LT-Drucksache 16/3650).

Allerdings gibt dies noch keine klare Vorstellung, inwieweit und wie die Daten tatsächlich für die Scoreberechnung nach den verschiedenen Scorekarten verwendet werden und welche Daten letztlich maßgeblich waren für einen schlechten Scorewert. Die Betroffenen können derzeit, wie die Beispielsfälle zeigen, nur spekulieren.

Die Aufsichtsbehörde forderte die SCHUFA immer wieder auf, das Verfahren transparenter zu machen, so dass die Betroffenen die Möglichkeit haben, die durch den Scorewert ausgedrückte Risikoprognose durch Darlegung ihrer individuellen Situation, ggfs. verbunden mit weiteren Nachweisen für ihre Bonität, zu entkräften.

Die SCHUFA lehnte dies mit der Begründung ab, dass die Bewertung (Auswahl und Gewichtung) der von den Betroffenen vorhandenen Daten im Rahmen des Scoring-Verfahrens ihr Geschäftsgeheimnis sei.

Die Beschwerdeführer beklagten auch, dass sie von den potentiellen Kreditgebern bzw. Vertragspartnern nicht offen darüber informiert würde n, dass ihre Entscheidung auch auf einem enthaltenen Scorewert beruhte. Ferner trugen die Beschwerdeführer z.T. vor, sie seien eher durch Zufall und zumeist durch die Medien auf mögliche Zusammenhänge der Scorewertberechnung aufmerksam geworden und hätten einen zuvor ablehnenden Kreditgeber nur durch ihre Eigeninitiative doch noch von ihrer guten Bonität überzeugen können.

Die Aufsichtsbehörde hält ergänzende gesetzliche Verpflichtungen der Scoreentwickler und -nutzer zur Schaffung größerer Transparenz für erforderlich, damit die Interessen der Scorenutzer und die Interessen der Betroffenen in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander gelangen.

Es wäre denkbar, die Pflichten aus § 6a Abs. 2 Nr. 2 BDSG, geeignete Maßnahmen zur Wahrung der berechtigten Interessen der Betroffenen zu ergreifen, sowie die ggfs. zu präzisierende Auskunftspflicht aus § 6a Abs. 3 BDSG auf Entscheidungen auszudehnen, bei deren Zustandekommen ein Scorewert in nicht unerheblichem Maße berücksichtigt wurde. Bisher gilt die Vorschrift nur für Entscheidungen, die ausschließlich auf einen Scorewert gestützt werden.

Die Aufsichtsbehörde begrüßt es daher, dass sich die Bundesregierung in ihrem angekündigten Bericht über die Auskunfteien u.a. mit Fragen des Scorings befassen will. Bemerkenswert und erfreulich ist, dass im Rahmen einer Plenardebatte im Deutschen Bundestag alle Redner Handlungsbedarf gesehen und sich für eine gemeinsame Initiative ausgesprochen haben (Plenardebatte am 9. März 2006, Bundestagsdrucksache 16/022, S. 1733-1740).

Neben der Frage der Transparenz ist für das Scoring-Verfahren auch maßgeblich, welche Faktoren überhaupt einfließen dürfen.

Problematisch ist insoweit beispielsweise die Verwendung des Merkmals "AK"(=Anfrage Kredit). Dieses Merkmal wird bei einer SCHUFA-Anfrage eines Kreditinstitutes gespeichert und für 10 Tage beauskunftet, um zu verhindern, dass ein Kunde mehrere Kredite gleichzeitig erhält, die kumulativ seine Zahlungsfähigkeit übersteigen. Anschließend bleibt es für ein Jahr zu Dokumentations- und Kontrollzwecken (Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anfrage) gespeichert und wird dem Betroffenen in der Selbstauskunft mitgeteilt. Während des gesamten Zeitraumes wird das Merkmal jedoch für die Scoreberechnung verwendet (je nach Scorekarte).

In der Arbeitsgruppe Auskunfteien des Düsseldorfer Kreises bestand Einvernehmen zwischen den Aufsichtsbehörden, dass dies jedenfalls ab dem 11.

Tag im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 31 BDSG nicht gerechtfertigt sei. Die SCHUFA widersprach dem jedoch und versucht möglicherweise, der Kritik auch durch eine Änderung der SCHUFA-Klauseln zu begegnen.

Die Verwendung der Anzahl der Kreditanfragen für das Scoring kann u.U. dazu führen, dass sich ein verbraucherpolitisch erwünschtes Verhalten (Einholung mehrerer konkreter Vergleichsangebote) negativ auf den Score auswirkt und ist auch insoweit kritisch zu sehen.

Auch mit Blick auf die Frage der zulässigen Faktoren ist es daher sehr zu begrüßen, dass sich die Bundesregierung und der Bundestag mit der Scoringproblematik befassen.

Erweiterung des Kreises der Vertragspartner

Die SCHUFA ist bestrebt, den Kreis ihrer Vertragspartner immer weiter auszudehnen. Bereits unter Nr. 6.4 des Siebzehnten Berichtes der Landesregierung über die Tätigkeit der für den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich in Hessen zuständigen Aufsichtsbehörden (Drs. 16/3650) wurde über die kritische Bewertung der Datenschutzaufsichtsbehörden in der Arbeitsgruppe "Auskunfteien/SCHUFA" berichtet.

Die SCHUFA hat jedoch große gewerbliche Vermieter bereits als BVertragspartner angeschlossen, ohne irgendwelche Beschränkungen, wie sie vom Hessischen Ministerium des Innen und für Sport als Co-Vorsitzendem der Arbeitsgruppe gegenüber der SCHUFA gefordert wurden, vorzunehmen.

Auch Versicherungsunternehmen bietet die SCHUFA - trotz der Kritik der Aufsichtsbehörde - in weitaus größerem Umfang als bisher an, SCHUFAVertragspartner zu werden. Bislang haben die Aufsichtsbehörden den Anschluss von Versicherungsunternehmen nur akzeptiert, soweit ein echtes kreditorisches Risiko der Versicherung besteht (grundpfandrechtlich gesicherte Kreditanträge bei Versicherungsgesellschaften, Deckungszusage bei Kfz-Haftpflichtversicherungen).

Die SCHUFA versucht einen weitergehenden Datenaustausch mit der Versicherungswirtschaft u.a. mit dem Argument zu rechtfertigen, dass es einen Zusammenhang zwischen der Bonität eines Kunden und dem Versicherungsrisiko gäbe.