Flächenverbrauch 3 ­ Gewerbegebiet Kolbermoor

Auf einem landschaftlich prägenden Grünzug zwischen den Städten Rosenheim und Kolbermoor sollen nun letzte Flächen des Mangfalltals für gewerbliche Nutzung im Rahmen des Gewerbegebiets Mitterhart-Ost ausgewiesen werden. Die noch verbliebene räumliche Strukturierung würde verloren gehen und eine hässliche Gewerbebauten-Anhäufung jegliche Regionalplanung ad absurdum führen. Nach dem Regionalplan Südostoberbayern sollen die bestehenden Wiesen, Büsche und Bäume als Grünzug zwischen den Städten erhalten bleiben. Zudem liegen große Bereiche dieser Flächen im Retentionsbereich der Mangfall und wären als potentielle Überschwemmungsflächen von jeglicher weiteren Bebauung auszunehmen.

In diesem Zusammenhang frage ich die Staatsregierung:

1. Wie ist diese geplante Gewerbegebietsausweisung mit den verbindlichen Zielsetzungen des Landesentwicklungsprogramms (LEP) und des Regionalplans vereinbar?

2. Ist eine Neuausweisung von Gewerbegebieten auf der grünen Wiese mit dem LEP vereinbar, wenn in unmittelbarer Nähe ein Naturschutzgebiet angrenzt? Welche Abstandsregelungen sind hier geboten?

3. Wie beurteilt die Staatsregierung die Tatsache, dass über die Hälfte der Ausgleichsflächen für das Gewerbegebiet Mitterhart-Ost außerhalb des Bebauungsplans nachgewiesen werden soll?

4. Wäre es nicht sinnvoll im Rahmen von Flächenrecycling, Flächen des stillgelegten Conrady-Geländes und die an das Tonwerkgelände angrenzenden Teile des Faserbetonwerkes in Kolbermoor zu renaturieren und beispielsweise in Waldflächen umzuwandeln?

5. Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung, dieses Flächenrecycling einzufordern und damit einen Beitrag zur Minderung des Flächenverbrauchs und zur Verbesserung des Klimaschutzes zu veranlassen?

6. Wie wird die Staatsregierung die Sicherung der Retentionsflächen der Mangfall angesichts der geplanten Gewerbegebietsausweisung (nördlich der Staatstraße 2078) im neuen Flächennutzungsplan von Kolbermoor einfordern?

7. Wäre es nicht sinnvoll, einen Teil der Flächen der stillgelegten Bundeswehrkaserne und des 134 Hektar Geländes der ehemaligen amerikanischen Abhöranlage Echelon in der Nähe von Bad Aibling, neben der geplanten Nutzung durch den Bund, für interkommunale Gewerbeflächennutzung vorzusehen? Welche Unterstützung kann hierzu die Staatsregierung geben?

8. Welche Maßnahmen bzw. Kontrollmechanismen sind bei übergeordneten staatlichen Stellen vorgesehen, um Flächenrecycling und eine Minderung des Flächenverbrauchs tatsächlich zu gewährleisten?

Antwort des Staatsministeriums des Innern vom 04.06.

Die schriftliche Anfrage beantworte ich im Einvernehmen mit den Staatsministerien für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie sowie für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz wie folgt: Gegenstand der schriftlichen Anfrage ist eine von der Stadt Kolbermoor, Lkr. Rosenheim, im Rahmen der Neuaufstellung ihres Flächennutzungsplans beabsichtigte Darstellung gewerblicher Bauflächen entlang der Staatsstraße 2078 östlich des Stadtteiles Mitterhart sowie die beabsichtigte Aufstellung eines Bebauungsplans für ein Gewerbegebiet Mitterhart-Ost in diesem Bereich. Die Flächen liegen an der Stadtgrenze der Stadt Kolbermoor und grenzen an das Stadtgebiet von Rosenheim an.

Im Verfahren zur Neuaufstellung des Flächennutzungsplans fand bereits eine Beteiligung der Träger öffentlicher Belange statt. In diesem Rahmen haben sich sowohl das Landratsamt Rosenheim als auch die Regierung von Oberbayern als höhere Landesplanungsbehörde kritisch zu der beabsichtigten Darstellung von Gewerbegebietsflächen im Bereich Mitterhart-Ost geäußert.

Vor diesem Hintergrund nehme ich zu den einzelnen Fragen wie folgt Stellung:

Zu 1.: Sowohl das Landratsamt Rosenheim als auch die Regierung von Oberbayern haben in ihren Stellungnahmen als Träger öffentlicher Belange im Rahmen der Neuaufstellung des Flächennutzungsplans darauf hingewiesen, dass die beabsichtigte Darstellung gewerblicher Bauflächen im Bereich Mitterhart-Ost nach ihrer Auffassung nicht in Einklang mit den Zielen des Landesentwicklungsprogramms und des Regionalplans für die Region 18 Südostoberbayern steht. Die Regierung hat in diesem Zusammenhang dargelegt, dass das bei Realisierung des Gewerbegebiets entstehende durchgehende Siedlungsgebiet entlang der Staatsstraße 2078 dem Ziel B VI.1.6 des Landesentwicklungsprogramms Bayern (LEP), wonach ungegliederte, bandartige Siedlungsentwicklungen vermieden werden sollen, widerspricht. Auch das Landratsamt Rosenheim hat erhebliche Bedenken im Hinblick auf das genannte Ziel des LEP sowie die Ziele B I 2.1 sowie B II 3.1 des Regionalplans geltend gemacht, wonach gliedernde Grünflächen und Freiräume zwischen den Siedlungseinheiten erhalten, entwickelt und erweitert werden sollen und eine ungegliederte bandartige Siedlungsentwicklung durch ausreichende Freiflächen zwischen den Siedlungseinheiten verhindert werden soll.

Zu 2.: Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Zu dem in der Fragestellung verwendeten Begriff grüne Wiese ist allerdings auch darauf hinzuweisen, dass in dem Bereich an der östlichen Stadtgrenze der Stadt Kolbermoor zu Rosenheim mit einem bestehenden Postverteilungszentrum bereits gewerbliche Bebauung vorhanden ist. Das der Ausweisung am nächsten gelegene Naturschutzgebiet Kalten liegt ca. 2 km von den beabsichtigten Gewerbeflächen Mitterhart-Ost entfernt. Nach Ziel B I 2.1.3 des LEP soll auf eine extensive Landnutzung im Umfeld der Naturschutzgebiete hingewirkt werden, wodurch z. B. die Verarmung und Veränderung des Artenspektrums vermieden werden soll. Ein Widerspruch zu diesem Ziel ist im Hinblick auf die große Entfernung zum Naturschutzgebiet Kalten nicht erkennbar.

Zu 3.: Es ist rechtlich zulässig, dass Ausgleichsflächen und -maßnahmen außerhalb des Geltungsbereichs des Eingriffsbebauungsplans nachgewiesen werden.

Nach § 1a Abs. 2 Nr. 2 sind in der bauleitplanerischen Abwägung auch die Vermeidung und der Ausgleich der zu erwartenden Eingriffe in Natur und Landschaft, also die Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz, zu berücksichtigen. Für die Entscheidung, wie und an welchem Ort der Ausgleich erfolgt, eröffnet § 1a Abs. 3 den Gemeinden einen Entscheidungsspielraum. Der Ausgleich der zu erwartenden Eingriffe kann durch geeignete Darstellungen im Flächennutzungsplan als Flächen zum Ausgleich und durch geeignete Festsetzungen im Bebauungsplan als Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich erfolgen. Soweit dies mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung und den Zielen der Raumordnung sowie des Naturschutzes und der Landschaftspflege vereinbar ist, können diese Darstellungen und Festsetzungen auch an anderer Stelle als am Ort des Eingriffs erfolgen. Anstelle von Darstellungen und Festsetzungen können Regelungen zum Ausgleich in städtebaulichen Verträgen getroffen oder sonstige geeignete Maßnahmen zum Ausgleich auf von der Gemeinde ­ auch an anderer Stelle als am Ort des Eingriffs ­ bereitgestellten Flächen getroffen werden.

Im Rahmen des Aufstellungsverfahrens für den Bebauungsplan für das Gewerbegebiet Mitterhart-Ost wird die Stadt Kolbermoor in Zusammenarbeit mit der unteren Naturschutzbehörde zu prüfen haben, ob die vorgesehenen Ausgleichsflächen bzw. Ausgleichsmaßnahmen den genannten rechtlichen Vorgaben entsprechen.

Zu 4.: Zu dieser Frage ist zunächst klarstellend darauf hinzuweisen, dass die Planungshoheit bei den Gemeinden liegt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 sind Bauleitpläne von der Gemeinde in eigener Verantwortung aufzustellen. Der Planungshoheit entspricht es, dass die staatlichen Behörden, die über die Genehmigung von Flächennutzungsplänen zu entscheiden haben, in ihrer Prüfung darauf beschränkt sind, ob die Gemeinde die einschlägigen öffentlich-rechtlichen Bestimmungen beachtet hat. Inwieweit hingegen eine Planung als mehr oder weniger sinnvoll erscheint, ist regelmäßig eine Frage des Abwägungsspielraums der Gemeinde.

Unbeschadet dessen misst die Staatsregierung dem Gesichtspunkt des Flächenrecyclings gerade unter dem Aspekt einer Flächen sparenden Bauleitplanung hohe Bedeutung bei. So enthält das Landesentwicklungsprogramm das Ziel, dass zur Verringerung der Inanspruchnahme von Grund und Boden vorrangig auf die angemessene Nutzung leer stehender oder leer fallender Bausubstanz hingewirkt und die Innenentwicklung einschließlich der Umnutzung brachliegender ehemals baulich genutzter Flächen, insbesondere ehemals von Militär, Bahn, Post und Gewerbe genutzter Flächen im Siedlungsbereich verstärkt werden soll.

Was die in der Frage konkret angesprochenen Flächen angeht, hat die Stadt Kolbermoor nach Kenntnis der Regierung von Oberbayern sowohl für das stillgelegte Conrady-Gelände als auch für Teile des Faserbetonwerks Bebauungspläne aufgestellt, wobei in beiden Fällen auch Grünflächen festgesetzt sind.

Zu 5.: In der Antwort zu Frage 4 wurde bereits auf das insoweit einschlägige Ziel des Landesentwicklungsprogramms hingewiesen. Die Landesplanungsbehörden wirken mit ihren Stellungnahmen im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange im Bauleitplanverfahren darauf hin, dass den Erfordernissen der Raumordnung Rechnung getragen wird.

Im Genehmigungsverfahren für Flächennutzungspläne wird geprüft, inwieweit die Planung mit den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Anforderungen einschließlich der Erfordernisse der Raumordnung in Einklang steht.

Im Übrigen kommt vor dem Hintergrund der gemeindlichen Planungshoheit der Information der Gemeinden über Möglichkeiten und Chancen einer Flächen sparenden Bauleitplanung große Bedeutung zu. Zur systematischen Erfassung und Fortschreibung vorhandener Bauflächenpozentiale wurde durch das damalige Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen und das Staatsministerium des Innern unter Beteiligung des Bayer. Städtetags und des Bayer. Gemeindetags im Rahmen des Pilotprojekts Kommuna les Flächenressourcen-Management eine Arbeitshilfe zur vorrangigen Nutzung der Potenziale der Innenentwicklung für Kommunen erarbeitet, die seit Anfang des Jahres 2002 allen Gemeinden zur Verfügung steht. Hinweise zum Flächenrecycling enthält im Übrigen auch die von der Obersten Baubehörde herausgegebene Broschüre Von der Industriebrache zur lebendigen Innenstadt: zum Beispiel Marktredwitz.

Zu 6.: Soweit die von der Stadt Kolbermoor beabsichtigte Darstellung von Gewerbeflächen im Bereich Mitterhart-Ost im Flächennutzungsplan nördlich der Staatsstraße 2078 im faktischen Überschwemmungsgebiet der Mangfall zu liegen kommt, wird die Gemeinde diesem Gesichtspunkt im weiteren Verfahren Rechnung zu tragen haben. Entsprechendes gilt für den in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan Mitterhart-Ost.

Im Genehmigungsverfahren für den Flächennutzungsplan wird das Landratsamt Rosenheim zu prüfen haben, inwieweit die Gemeinde den ­ wie die Hochwasserereignisse der letzten Jahre gezeigt haben ­ wichtigen Belangen des Hochwasserschutzes Rechnung getragen hat.

Zu 7.: Bei den angesprochenen militärischen Anlagen handelt es sich um Liegenschaften des Bundes, die einer kommunalen Bauleitplanung derzeit noch nicht zugänglich sind. Die Anlagen befinden sich auf dem Gebiet der Stadt Bad Aibling.

Welche Art von Nachfolgenutzung für diese Anlagen und Liegenschaften in Frage kommt, wird von der Stadt Bad Aibling erst noch genauer zu untersuchen sein. Ob und in welchem Umfang es zu einer Nutzung als Gewerbeflächen kommt, ist derzeit noch nicht absehbar.

Die Staatsregierung weist die Gemeinden seit langem auf die Vorteile interkommunaler Zusammenarbeit im Bereich der Gewerbeflächenentwicklung hin. Beispielhaft sei die vom Staatsministerium des Innern herausgegebene Broschüre Gewerbeflächenmanagement in interkommunaler Zusammenarbeit genannt, in der u.a. Anwendungsbereiche und Formen interkommunaler Zusammenarbeit sowie finanzielle Aspekte dargestellt sind. Im Übrigen können modellhafte Bauleitplanungen auch im Bereich interkommunaler Gewerbegebiete mit Planungszuschüssen gefördert werden.

Zu 8.: Im Rahmen der Bauleitplanverfahren haben die Gemeinden die Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich durch die Planung berührt wird, zu beteiligen. Die Regierungen als höhere Landesplanungsbehörden und die Landratsämter wirken anlässlich ihrer Beteiligung als Träger öffentlicher Belange auf einen sparsamen und schonenden Umgang mit der Fläche hin. Ihre Aufgabe ist es auch, der planenden Gemeinde die einschlägigen Ziele des Landesentwicklungsprogramms zu verdeutlichen.

Davon abgesehen wurden die Gemeinden mit einem Rundschreiben des Staatsministeriums des Innern vom 15.10.2003 gebeten, bei der Darstellung neuer Siedlungsflächen im Flächennutzungsplan Zahl, Art und Umfang der bestehenden Potenziale an Brach- und Konversionsflächen den jeweiligen Genehmigungsbehörden für den Flächennutzungsplan mitzuteilen, wobei hierbei insbesondere ehemals von Militär, Bahn oder Gewerbe genutzte Flächen angesprochen sind. Eine Erfassung dieser Potenziale durch die Gemeinden ist auch schon aus dem Grund geboten, dass im Rahmen der Bauleitplanung für neue Siedlungsflächen bei der Ermittlung des Flächenbedarfs vorrangig auch zu prüfen ist, ob und inwieweit vorhandene Brach- und Konversionsflächen Neuausweisungen entbehrlich machen können.

Schließlich ist die Beachtung der rechtlichen Verpflichtungen zu einer Flächen sparenden Bauleitplanung von den Regierungen und Landratsämtern als Genehmigungsbehörden für Bauleitpläne zu prüfen. Flächennutzungspläne und deren Änderungen sind nach § 6 Abs. 2 zu genehmigen, wenn sie nicht in Widerspruch zu Vorschriften des Baugesetzbuchs oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften stehen. Für genehmigungspflichtige Bebauungspläne gilt Entsprechendes. Bestandteil der Prüfung ist auch, ob der Anpassungspflicht der Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung Rechnung getragen wurde und die Anforderungen an eine sachgerechte Abwägung unter Einschluss der Bodenschutzklausel erfüllt sind.