Immobilie

1.3. Wertung der Erkenntnisse zu den strafrechtlichen Ermittlungsverfahren

Die Erkenntnisse beziehen sich auf Angaben der Generalstaatsanwaltschaft Bremen, die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten, den aus den Strafverfahren ausgewerteten Beweismitteln und Angaben der Zeugen/Beschuldigten in der öffentlichen Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses.

Die Verfahren wegen Vorteilsannahme/Bestechlichkeit beziehen sich auf fünf Personen, die mit der Entscheidungsfindung im Rahmen von Bauvorhaben befasst waren.

Gegen Herrn Prof. Zantke, als die zentrale Person der Bremer Bauverwaltung in den vergangenen Jahren, wurde am 9. Januar 2003 Anklage zum Landgericht Bremen wegen Bestechlichkeit in einem besonders schweren Fall erhoben.

Der Tatvorwurf bezieht sich auf die Ausführung von Baumaßnahmen am Privathaus des Prof. Zantke durch das Unternehmen Zechbau. Ausweislich der Pressemitteilung über die erhobene Anklage soll Prof. Zantke im Rahmen von Renovierungsarbeiten an seinem Privathaus vom Unternehmen Zechbau unentgeltlich erbrachte Bauleistungen in Höhe von 452.694,46 DM dafür erhalten haben, dass er sich im Zusammenhang mit seiner dienstlichen Zuständigkeit für die Erteilung von Bauaufträgen an das Unternehmen Zechbau eingesetzt hatte bzw. einsetzen sollte.

Indizien dafür, dass eine mögliche Bestechung durch das Unternehmen Zechbau zudem aktiv verschleiert werden sollte, ergeben sich aus den Aussagen der Zeugen Pfob und Büssing vor dem Untersuchungsausschuss. Beide Handwerker haben in Übereinstimmung mit den polizeilichen Ermittlungen erklärt, dass sie Handwerkerrechnungen für das private Bauvorhaben des Prof. Zantke nach Aufforderung des zuständigen Mitarbeiters des Unternehmens Zechbau auf das Bauvorhaben Weserstadion-Ostkurve ausgestellt bzw. umgeschrieben haben.

Die Anweisungen von leitenden Mitarbeitern der Firma Zechbau an Handwerker, Rechnungen für ihre Werkleistungen nicht auf das Bauvorhaben des Herrn Prof. Zantke, sondern auf das Weserstadion-Ostkurve auszustellen, ist ein sicheres Indiz dafür, dass seitens des Unternehmens Zechbau Spuren einer möglichen Bestechung Herrn Prof. Zantkes verwischt werden sollten.

Diese Vorgänge wiederholen sich hinsichtlich des Verdachts der Vorteilsannahme gegenüber weiteren Personen. In ähnlichen Fällen sollen durch oder über das Unternehmen Zechbau erbrachte private Baumaßnahmen weit unter Wert berechnet worden sein.

Dieser Verdacht richtet sich gegen den beim Ausbau der Weserstadion-Ostkurve beteiligten Geschäftsführer der damaligen Bremer Sport- und Freizeitgesellschaft (BSF), ab 1. Juli 2002 Weserstadion Bremen (WSB), Abteilungsleiter der obersten Landesbehörde für Sport und Leiter des Kommunalen Sportamtes, Herrn Hoffmann, und gegen den als Verwaltungsbeamten beim Sportamt und in einer Nebentätigkeit bei der BSF beschäftigten Herrn Brünjes.

Herr Brünjes hat vor dem Untersuchungsausschuss angegeben, er habe zwei Privatbauvorhaben durch das Unternehmen Zechbau durchführen lassen. Dabei habe es sich um Rohbauarbeiten beim Einbau einer neuen Küche nebst Installations- und Fliesenlegerarbeiten gehandelt. Weiter seien Mitte der 90er Jahre durch einen vom Unternehmen Zechbau beauftragten Tischler in seinem Privathaus zwei Schränke eingebaut worden. Auf Nachfrage, ob er üblicherweise Einbauschränke bei einer Hochbaufirma in Auftrag geben würde, antwortete der Zeuge Brünjes, er habe das Unternehmen Zechbau nur als Mittler zwischen sich und dem Tischler gesehen. Der Tischler habe den Schrank eingebaut und das Unternehmen Zechbau ihm die Arbeiten nur weiter berechnet.

Die Rechnungsstellung des Unternehmens Zechbau lag einige tausend DM unter dem Wert der vom Unternehmen Zechbau an die Tischlerei gezahlten Kosten.

1039 Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Bremen ­ Pressestelle ­ 01/2003

1040 Büssing 12205/2

1041 Brünjes 11008/9

Zwei weitere Strafverfahren wegen Vorteilsannahme richten sich gegen zwei Polizeibeamte, die an den Umbauplanungen des neuen Polizeipräsidiums in der Vahr beteiligt waren.

Ermittlungen werden auch gegen einen Prokuristen der BREPARK Bremer Parkraumbewirtschaftungs- und Management (im Folgenden kurz: BREPARK der mit der Auftragsvergabe für Baumaßnahmen im Bereich der Parkhäuser befasst ist, geführt. Die BREPARK ist eine 100 %-ige Tochter der Freien Hansstadt Bremen, deren Gesellschafterrechte vom Senator für Bau und Umwelt wahrgenommen werden. Vergleichbar zu anderen Fällen bezieht sich das Ermittlungsverfahren auf den Verdacht, dass für einen Ausbau des Privathauses des Prokuristen durch das Unternehmen Zechbau ein niedrigerer als der vertraglich vereinbarte Preis in Rechnung gestellt worden ist. Nach Pressemitteilungen soll der tatsächliche Rechnungsbetrag 35.000? unterhalb des Selbstkostenpreises gelegen haben. In den Zuständigkeitsbereich des von 1985 bis 2000 alleinigen Prokuristen soll die Vergabe von Aufträgen im Gesamtvolumen von 3,6 Mio.? an das Unternehmen Zechbau gefallen sein.

Spiegelbildlich zu den Strafverfahren wegen des Verdachts der Vorteilsannahme/ Bestechlichkeit werden unter anderem gegen Verantwortliche des Unternehmens Zechbau Strafverfahren wegen Vorteilsgewährung und Nötigung geführt.

Der Zeuge Kurt Zech und die als Zeugen geladenen Bauleiter des Unternehmens Zechbau, Herr Hildebrandt und Herr Suling, haben aufgrund dieser Ermittlungsverfahren vor dem Untersuchungsausschuss von ihrem umfassenden Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 55 Gebrauch gemacht. Auch der Zeuge Hundsdörfer, der nach seinen Angaben gegenüber der Presse als Gesellschafter aus dem Unternehmen Zechbau ausgeschieden ist, hat sich umfassend auf sein Aussageverweigerungsrecht gemäß § 55 vor dem Ausschuss berufen.

Weitere Strafverfahren wegen des Verdachts des Betruges und der Untreue beziehen sich auf die im Rahmen der Baugenehmigung der Lettow-Vorbeck-Kaserne abgerechnete Genehmigungsgebühr beim Bauordnungsamt.

Die Gebühr war aufgrund der angegebenen Baukosten in Höhe von 27 Mio. DM auf 256.500 DM festgesetzt worden. Dies, obwohl in allen internen Berechnungen zum Bauprojekt und auch in den Veröffentlichungen der örtlichen Presse, die sich teilweise auch in der Bauakte befunden haben, über weit höhere Baukosten von zum Teil bis zu 86 Mio. DM berichtet worden ist.

Dafür, dass hier bewusst und vorsätzlich die Baugenehmigungsgebühr aufgrund einer falschen Angabe über die Höhe der Baukosten festgesetzt wurde, spricht unter anderem, dass Anfang 1998, nachdem ein Gebührenbescheid auf Grundlage einer irrtümlich durch das Bauordnungsamt eingesetzten Bausumme von 37 Mio. DM beim Unternehmen Zechbau eingegangen war, dieses nochmals gegenüber dem Bauordnungsamt ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass die Baukosten für die Genehmigungsgebühren nur 27 Mio. DM betragen würden.

Auch nach Abschluss des Bauvorhabens ist es zunächst nicht zu einer Nachberechnung der Gebühren aufgrund der tatsächlichen Bausumme des Polizeipräsidiums in der Vahr gekommen und die Bauakte wurde ohne abschließende Prüfung abgelegt. Erst nach Aufnahme der kriminalpolizeilichen Ermittlungen und nachdem die Einsetzung des Untersuchungsausschusses absehbar war, wurde durch das Bauordnungsamt mit Schreiben vom 25. März 2002 an das Unternehmen Zechbau ein Nachweis der tatsächlichen Baukosten für das Polizeipräsidium in der Vahr angefordert.

Diese Berechnungen liegen nunmehr vor und der Zeuge Peinemann gab in seiner Aussage vom 1. November 2002 vor dem Untersuchungsausschuss an, dass mittlerweile Nachforderungen auf der Basis einer Bausumme von 52 Mio. DM berech1042 Nachrichtenmagazin Focus Nr. 34 vom 19. August 2002

1043 Der damalige Innensenator Borttscheller im Weser Kurier vom 19. Juni 1998

1044 Erklärung des UA-Vorsitzenden Kleen über den Inhalt einer nichtöffentlichen Sitzung v. 1. November 2002, 12703/11

1045 Kleen, 12704/2 net werden.

Diese Summe erschließt sich aus neuen Angaben des Unternehmens Zechbau und liegt damit fast um das Doppelte über der ursprünglich genannten Bausumme. Damit hat sich für den Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen der Verdacht erhärtet, dass hier gezielt und vorsätzlich im Zusammenwirken des Unternehmens Zechbau, der BIG, der Commerzleasing und Beamten des Bauordnungsamtes die Bausumme mit 27 Mio. DM deutlich unter dem zu erwartenden und tatsächlichen Baupreis angegeben wurde, um in den Vorteil einer ca. 200.000 DM niedrigeren Baugenehmigungsgebühr zu kommen.

Nach Abschluss der Beweisaufnahme eröffnete Verfahren

Der Ausschuss konnte nicht in alle staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten zum Tatkomplex Korruption Einsicht nehmen, da Teile aus ermittlungstaktischen Gründen gesperrt waren. Wie dargestellt, bestehen gegen eine solche Sperrung von Aktenteilen aus ermittlungstaktischen Gründen von Bündnis 90/Die Grünen keine Vorbehalte.

Nach Auswertung der bei den Durchsuchungen aufgefundenen Beweismittel wurden die Ermittlungen der Polizei und Staatsanwaltschaft erheblich ausgeweitet. Während und nach der Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses kam es laut Presseberichten zur Einleitung weiterer Ermittlungsverfahren. Im Rahmen dieser Ermittlungsverfahren wurden im Dezember 2002 auch die Geschäftsräume des SV Werder Bremen und Privaträume des Vorstandsmitglieds des SV Werder Bremen, Herrn Klaus-Dieter Fischer, durchsucht.

Fazit:

Insgesamt sind die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, die durch die Akteneinsicht für den Untersuchungsausschuss umfassend dokumentiert wurden, als äußerst sorgfältig zu bewerten. Aus ihnen ergibt sich der dringende Verdacht, dass Entscheidungsträger im Rahmen der Untersuchungskomplexe Polizeipräsidium in der Vahr, Polizeihaus am Wall und Weserstadion-Ostkurve durch Vorteilsannahmen im Bereich privater Bauprojekte begünstigt worden sind. Es besteht der dringende Verdacht, dass sie im Rahmen ihrer Entscheidungsbefugnis oder Einflussmöglichkeit die entsprechenden Vergabeverfahren zu Gunsten einer Auftragsvergabe an das Unternehmen Zechbau beeinflusst haben bzw. beeinflussen sollten.

2. Das System Zech

Das Unternehmen Zechbau

Im Hinblick auf die zu untersuchenden Bauvorhaben hatte der Untersuchungsausschuss ein besonders Augenmerk auf das Unternehmen Zechbau zu legen.

Dieses Unternehmen steht unter dem Verdacht, Entscheidungsprozesse bei städtischen Immobiliengeschäften unzulässig zu seinen Gunsten beeinflusst zu haben.

Das Unternehmen Zechbau spielte zu Beginn der 90er Jahre sowohl in Bremen, als auch bundesweit nur eine unbedeutende Rolle in der Baubranche. Während der Beweisaufnahme wurde häufiger durch Zeugen ein frühzeitiges Herantreten an das Unternehmen Zechbau, auch mit den hervorragenden Referenzen die dieses Unternehmen vorzuweisen habe, begründet. Dass diese Qualifizierung des Unternehmens Zechbau zum damaligen Zeitpunkt ­ Anfang bis Mitte der 90er Jahre ­ als unzutreffend anzusehen ist, machte der Zeuge Prof. Dr. Haller in seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss besonders deutlich: 1994, würde ich jetzt einmal vermuten, hatte die Firma Zechbau in Bremen praktisch überhaupt kein Projekt. Das wird ja immer wieder gern erzählt, aber sie hatten sich sehr stark im Osten engagiert und hatten sich bundesweit engagiert, aber so doll war das nicht.

1046 Peinemann 12705/1 ff.; beispielhaft sei an dieser Stelle auf die in diesem Zusammenhang nicht den Tatsachen entsprechende Darstellung im Mehrheitsbericht hingewiesen, S. 86 f.

1047 die tageszeitung vom 16. Dezember 2002