Ausnahmegenehmigungen vom Sonntagsfahrverbot zum Transport von Schnittblumen und Topfpflanzen

Gem. § 30 Abs. 3 der StVO dürfen an Sonn- und Feiertagen in der Zeit von 00.00 Uhr bis 22.00 Uhr Lastkraftwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 7,5 t sowie Anhänger hinter Lastkraftwagen nicht verkehren. Das Verbot gilt u. a. nicht für die Beförderung von Lebensmitteln und leicht verderblichem Obst und Gemüse. Diese Ausnahme gilt nicht für frische Schnittblumen und Topfpflanzen.

In einem Schreiben vom 26. November 1996 an die Stadt Papenburg teilt die Bezirksregierung folgendes mit: „Die o. a. Problematik wurde zwischenzeitlich im Bund-LänderFachausschuß für Straßenverkehr und Verkehrspolizei beraten. Dabei sind die Teilnehmer zu dem Ergebnis gekommen, dass es eine generelle Befreiung vom Sonntagsfahrverbot zum Transport von Schnittblumen und Topfpflanzen nicht geben soll. Unabhängig davon wird sich eine vom BLFA-StVO eingesetzte Arbeitsgruppe damit befassen, ob Blumen, Beet- und Balkonpflanzen unter die Kategorie frisch bzw. leicht verderblich fallen. Das Ergebnis dieser Beratung bleibt jedoch abzuwarten."

Der Präsident des Nordwestdeutschen Gartenbauverbandes, Herr Engelbert Lüske, teilt mir nunmehr mit, dass nach wie vor bei der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen äußerst restriktiv verfahren wird. Es sei zwingend erforderlich, bei den großen Auktionen auch an Sonn- und Feiertagen frische Ware anzuliefern. Die ausländischen Mitbewerber würden dazu regelmäßig große Lkw benutzen. Der Einsatz von kleineren Fahrzeugen sei kostenaufwendiger, umweltbelastender und personal- und zeitintensiver. Die niederländischen und belgischen Mitbewerber unserer Gartenbaubetriebe hätten dadurch erhebliche Wettbewerbsvorteile.

Ich frage die Landesregierung:

1. Gibt es durch nationales Recht eine deutliche Benachteiligung unserer heimischen Betriebe?

2. In welchen EU-Nachbarstaaten gilt ein dem bundesrepublikanischen Recht entsprechendes oder zeitlich vergleichbares Fahrverbot?

3. Zu welchem Ergebnis ist die vom BLFA-StVO eingesetzte Arbeitsgruppe gekommen, und welche Schlußfolgerungen sind daraus zu ziehen?

4. Ist die Landesregierung bereit, diese erheblichen Wettbewerbsnachteile für die heimischen Gartenbaubetriebe hinzunehmen, oder ist eine Initiative zur Änderung des zur Zeit geltenden Fahrverbotes geplant?

5. Gibt es innerhalb der Landesregierung zwischen dem Landwirtschaftsministerium und dem Ministerium für Wirtschaft und Verkehr eine einheitliche Auffassung zu dieser Frage?

6. Gibt es in den einzelnen Bundesländern eine unterschiedliche Verfahrensweise bezüglich der Ausnahmegenehmigungen (Dauerausnahmegenehmigungen in NRW)?

7. Gab es in Niedersachsen die Praxis, Dauerausnahmegenehmigungen zum Transport von Schnittblumen und Topfpflanzen zu erteilen?

Das Sonn- und Feiertagsfahrverbot des § 30 Abs. 3 der Straßenverkehrsordnung schränkt den Straßenschwerverkehr an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen ein und ermöglicht gleichzeitig dem Personenverkehr einen gleichmäßigen Verkehrsfluß. Ausgenommen vom Sonntagsfahrverbot sind neben dem kombinierten Güterverkehr Schiene/Straße die Beförderung bestimmter frischer oder leicht verderblicher Lebensmittel.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die gestellten Fragen wie folgt:

Zu 1: Das Sonntagsfahrverbot des § 30 Abs. 3 StVO gilt für alle Lkw über 7,5 t und Lkw mit Anhängern. Gesetzlich ausgenommen sind die eingangs genannten Transporte; Blumen und Topfpflanzen fallen nicht darunter. Nach § 46 Abs. 1 Nr. 7 StVO können die Straßenverkehrsbehörden (das sind in Niedersachsen die Landkreise, kreisfreien Städte und großen selbständigen Städte) in begründeten Einzelfällen Ausnahmen genehmigen. Allein wirtschaftliche oder wettbewerbliche Gründe rechtfertigen eine Ausnahme nicht (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zu § 46 Abs. 1 Nr. 7 StVO). Diesen deutschen Vorschriften unterliegen auch ausländische Fahrzeuge. Ihre Anträge auf Erteilung von Ausnahmegenehmigungen werden nach den gleichen Kriterien geprüft wie die der heimischen Unternehmen.

Die Genehmigungspraxis ist in den einzelnen Bundesländern leider unterschiedlich.

Nach Kenntnis der Landesregierung werden in Schleswig-Holstein Ausnahmen für Blumentransporte am Sonntag erteilt. Die Ausnahmepraxis wird damit begründet, es sei erforderlich, insbesondere dänischen Blumenerzeugern zu ermöglichen, ihre Waren zum Wochenbeginn in Nordrhein-Westfalen abzusetzen.

Zu 2: Dem Sonn- und Feiertagsfahrverbot in Deutschland entsprechende Regelungen gibt es in Österreich, Frankreich, Italien, Luxemburg, Portugal und tageszeitlich sehr begrenzt in Spanien. Die Kommission der EU arbeitet z. Z. an einem Richtlinienentwurf mit dem Ziel der Harmonisierung der Regelungen in den Mitgliedstaaten. Deutschland hält die EU für nicht berechtigt, diesen Teil des Verhaltensrechts einheitlich regeln zu dürfen und wendet die Subsidiarität ein. Soweit erkennbar, teilen diese Auffassung auch Frankreich und Österreich.

Eine Arbeitsgruppe des Bund-Länder-Fachausschusses Straßenverkehr und Verkehrspolizei hat sich bisher ausschließlich mit der Definition von frischen und leicht verderblichen Lebensmitteln befaßt. Sie wird ihre Beratungen mit dem Ziel der Neufassung des § 30 Abs. 3 StVO im September d.J. fortsetzen. Nach heutigem Erkenntnisstand scheint eine generelle gesetzliche Ausnahme für Topf-, Beet- und Balkonpflanzen auch für die Zukunft als sehr unwahrscheinlich. Ob der Transport von Schnittblumen zukünftig privilegiert werden sollte, ist im Rahmen der ab September anstehenden Beratungen zu erörtern.

Zu 4: Wettbewerbsnachteile für die heimischen Gartenbaubetriebe würden nur dann bestehen, wenn in anderen Bundesländern in großem Stil Ausnahmegenehmigungen erteilt würden.

Dies ist nach hiesiger Kenntnis nicht der Fall. Eine Ausweitung der Ausnahmepraxis hätte Präjudizwirkungen für den Transport anderer Erzeugnisse und würde damit dem Schutzzweck der Norm zuwiderlaufen. Die Landesregierung ist vielmehr bestrebt, bundesweit eine einheitliche restriktive Handhabung der Ausnahmegenehmigungen sicherzustellen.

Zu 5: Maßgeblich ist nicht die Auffassung von Landesbehörden, sondern die Anwendung von Bundesvorschriften, weil die Verwaltungsbehörden als Vollzugsorgane an Gesetz und Recht gebunden sind (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes).

Zu 6: Das Verkehrsministerium in Nordrhein-Westfalen hat die dortigen Behörden in einem Erlaß vom 6. Dezember 1996 darauf hingewiesen, dass bei der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen vom Sonntagsfahrverbot die restriktive Praxis beizubehalten ist.

Zu 7: Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne untere Straßenverkehrsbehörden von der Möglichkeit des § 46 Abs. 1 Nr. 7 StVO Gebrauch gemacht und Dauerausnahmegenehmigungen zum Transport von Schnittblumen und Topfpflanzen erteilt haben. Den Behörden ist aber bekannt, dass bei der Erteilung derartiger Ausnahmen restriktiv zu verfahren ist. Restriktiv bedeutet in diesem Zusammenhang auch, dass keine Dauerausnahmegenehmigungen erteilt werden dürfen.