Wettbewerbsverzerrungen im Straßen-Güterverkehr

Die aktuelle Diskussion über die ökologische Steuerreform hat gezeigt, dass es im Güterkraftverkehrsgewerbe erhebliche Wettbewerbsverzerrungen gibt. Gerade viele kleinere Unternehmen sind einem unfairen Wettbewerb ausgesetzt, der auch zu nicht vertretbaren Arbeitsbedingungen für die Fahrer im Güterkraftverkehrsgewerbe führt. Durch Umgehung der Sozialversicherungsvorschriften und illegale Kabotage werden die Preise auf ein extrem niedriges Niveau gedrückt. Das führt zu Marktversagen, weil Kostensteigerungen aus anderen Bereichen nicht weitergegeben werden können. Als Sündenbock für diese eklatanten Wettbewerbsverzerrungen musste dann die Ökosteuer herhalten.

I. Innerhalb Deutschlands und innerhalb der EU gibt es für EWR-Staaten (EU-Staaten plus Island, Norwegen und Liechtenstein) keine Beschränkungen für den Güterverkehr, sofern das Fuhrunternehmen die vorgeschriebenen fachlichen und finanziellen Voraussetzungen erfüllt und die Zuverlässigkeit des Unternehmens gegeben ist. Für Transportunternehmen mit Sitz in Deutschland werden keine Arbeitserlaubnisse für Fahrer aus Drittstaaten (Nicht-EU-Staaten) erteilt. Einige EU-Staaten handhaben dies jedoch anders. So können beispielsweise Transportunternehmen mit Sitz in Österreich auch auf innerdeutschen Transporten Fahrer aus Rumänien unter Bedingungen des Sozialdumpings einsetzen. In den Niederlanden gibt es für 10 000 Fahrer aus Polen eine Arbeitserlaubnis, in Dänemark dürfen Fahrer aus Polen unbegrenzt eingesetzt werden, sofern für sie dänische Arbeitsbedingungen eingehalten werden.

II. Über die EWR-Staaten hinaus gibt es für die so genannten Cemt-Länder (Konferenz der europäischen Transportminister, der sich inzwischen auch nicht-europäischen Staaten angeschlossen haben), eine Anzahl Lizenzen, die keine innerstaatlichen Transporte, jedoch einen grenzüberschreitenden Güterverkehr innerhalb und zwischen den EWR-Staaten und den Cemt-Staaten erlauben. Von diesen kontingentierten Cemt-Lizenzen scheinen inzwischen jedoch etliche Fälschungen auf dem Markt zu sein, die von den Originalen bisweilen nicht mehr zu unterscheiden sind.

III. Landwirtschaftliche Fuhrunternehmen bzw. Zugmaschinen, die unter bestimmten Rahmenbedingungen der Beförderung landwirtschaftlicher Güter dienen, genießen gegenüber herkömmlichen Fuhrunternehmen verschiedene Wettbewerbsvorteile: Sie sind z. B. von der Kfz-Steuer und von den EG-Sozialvorschriften (Lenk- und Ruhezeiten) befreit, müssen sich nicht an die AU-Sonderregelungen halten und bekommen Gasölbetriebsbeihilfen. Während der Erntezeit können in der Landwirtschaft Saisonkräfte als so genannte Erntehelfer beschäftigt werden, für die die sonst geltenden Vorschriften bezüglich einer Arbeitserlaubnis nicht eingehalten werden müssen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie beurteilt sie die Wettbewerbsverzerrungen im Gütertransport innerhalb Europas durch die o. g. Möglichkeit, in einigen EWR-Staaten Fahrer unter Bedingungen des Sozialdumpings einsetzen zu können, und was beabsichtigt sie ggf. dagegen zu unternehmen?

2. Zu welchen Tarif- und Sozialbedingungen werden in den Niederlanden und in Dänemark Fahrer aus nicht EU-Staaten bzw. aus EU-Beitrittskandidaten eingesetzt?

3. Wie stellt sie sicher, dass Unternehmen mit Landesbeteiligung ihren Gütertransport

- mittelbar und unmittelbar - durch Unternehmen durchführen lassen, die sich an geltendes Tarifrecht und geltende Sozialversicherungsvorschriften halten oder ggf. warum stellt sie dies nicht sicher?

4. Welche Möglichkeiten sieht sie bzw. welche Initiativen will sie ggf. selbst ergreifen, um gegen gefälschte Cemt-Lizenzen vorzugehen?

5. Hält sie die o. g. Wettbewerbsvorteile von landwirtschaftlichen Fuhrunternehmen gegenüber herkömmlichen Fuhrunternehmen für gerechtfertigt, und was beabsichtigt sie ggf. dagegen zu unternehmen?

6. Inwieweit dürfen „Erntehelfer" auch für den „Erntetransport" eingesetzt werden, und hält die Landesregierung dies für gerechtfertigt?

Der im Zuge der europäischen Entwicklung weitgehend liberalisierte deutsche Güterkraftverkehrsmarkt muss sich seit einiger Zeit mit einer kräftigen Zunahme des Transportangebotes auseinandersetzen. Jeder ausländische Unternehmer mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU bzw. des EWR darf mit einer - mengenmäßig nicht mehr begrenzten Gemeinschaftslizenz auch Binnenbeförderungen in allen EU/EWR-Mitgliedstaaten durchführen. Die Konkurrenzsituation führt zunehmend zur illegalen oder missbräuchlichen Beschäftigung von Arbeitnehmern aus Nicht-EU/EWR-Staaten. Diese - vorwiegend ausländischen - Transportunternehmer erlangen spürbare Kostenvorteile, in dem sie bei der Beschäftigung von ausländischem Fahrpersonal Regelungen des Aufenthalts-, des Arbeitsgenehmigungs- sowie des Sozialversicherungsrechts verletzen oder umgehen und auf ihren im EU/EWR-Staat zugelassenen Fahrzeugen Personal aus Mittel- und Osteuropa zu Niedrigstlöhnen einsetzen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Zu 1: Die illegale Beschäftigung von Fahrpersonal aus Drittländern zu Heimatlohnbedingungen und die unberechtigte Teilnahme am deutschen und EU/EWR-Binnenverkehrsmarkt stellen eine ernsthafte Belastung für das deutsche Güterkraftverkehrsgewerbe dar. Die Bekämpfung rechtswidrigen Handelns ist gleichermaßen ein Anliegen der niedersächsischen Landesregierung wie auch der Bundesregierung und der anderen Landesregierungen.

Aufgrund deutscher Vorstöße hat sich auch die Europäische Kommission dieses Problems angenommen. Sie beabsichtigt die Einführung einer so genannten Fahrerbescheinigung zum Nachweis eines legalen Beschäftigungsverhältnisses im Mitgliedstaat des Unternehmenssitzes. Der entsprechende Vorschlag für eine Verordnung sieht vor, dass mit der Fahrerlizenz dem Fahrpersonal bescheinigt wird, legal beschäftigt zu sein. Der aus ländische Unternehmer übernimmt die Verantwortung für die Entrichtung von Steuern und Sozialabgaben.

Die europäische Lösung wird jedoch nicht in der aus deutscher Sicht notwendigen Schnelligkeit wirksam werden können. Daher hat der Bund - nach intensiven Beratungen mit den Ländern - im November 2000 einen Vorschlag zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes vorgelegt, der im Kern als nationale Sofortmaßnahme im Vorgriff auf eine europäische Regelung die Bedingungen für den Einsatz des Fahrpersonals und deren Überwachung gewährleisten soll. Das „Gesetz zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung im gewerblichen Güterkraftverkehr" soll auch den Auftraggeber einer Beförderung in die Verantwortung mit einbeziehen, die Befugnisse der Kontrollberechtigten bis hin zur Untersagung der Weiterfahrt regeln sowie die notwendigen Sanktionsbestimmungen enthalten.

Das Bundesamt für Güterverkehr überwacht im Übrigen schon im laufenden Jahr die Einhaltung der Rechtsvorschriften über die Beschäftigung des Fahrpersonals verstärkt.

Das Bundesamt wird seinen Straßenkontrolldienst im nächsten Jahr zur weiteren Intensivierung dieser Überwachung aufstocken.

Zu 2: Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, zu welchen Tarif- und Sozialbedingungen in den Niederlanden und in Dänemark Fahrer aus Nicht-EU-Staaten eingesetzt werden.

Zu 3: Die Geschäftsaktivitäten auch der Unternehmen mit Landesbeteiligung orientieren sich an betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten. Sie unterliegen den gleichen Wettbewerbsbedingungen wie ihre Mitbewerber. Die Landesregierung übt keinen besonderen Einfluss auf die Geschäftsführung dieser Unternehmen aus.

Mit dem In-Kraft-Treten des zu Nr. 1 genannten Gesetzes wird allerdings der Transportunternehmer verpflichtet, nur Fahrpersonal mit einer Arbeitsgenehmigung einzusetzen.

Über den Beförderer hinaus wird auch derjenige insoweit verantwortlich, der einen Fracht- oder Speditionsvertrag abschließt; es wird seine Pflicht, darauf hinzuwirken, dass die Beförderung nur ein Unternehmer als Frachtführer oder Unterfrachtführer durchführt, der eine Transporterlaubnis hat und Fahrpersonal legal einsetzt.

Zu 4: Trotz der relativ großzügigen - von der Konferenz der Europäischen Verkehrsminister (CEMT) beschlossenen - Ausstattung der osteuropäischen Länder mit CEMT-Genehmigungen führen die offenbar noch immer vorhandenen überschüssigen Transportkapazitäten in einigen dieser Länder in jüngster Zeit zu Fälschungen und Manipulationen unterschiedlichster Art beim Einsatz dieser Genehmigungen.

Der Bund hat inzwischen den Kontrolldienst des Bundesamtes für Güterverkehr und die Zolldienststellen an den deutschen EU-Außengrenzen über die verschiedenen Fälschungsvarianten und die Möglichkeiten der Erkennung eingehend informiert. So sind die Kontrolleure des Bundesamtes u. a. mit UV-Strahlern ausgerüstet worden, mit denen die Echtheit der Genehmigungen geprüft werden kann.

Die Landesregierung, die durch die Berichte des Bundesamtes mit dem Problem vertraut ist, unterstützt die Maßnahmen des Bundes, die mittlerweile zu einem deutlichen Anstieg der Aufdeckungsrate entsprechender Fälschungen geführt hat. Konkretes Zahlenmaterial liegt ihr allerdings nicht vor.

Zu 5: Das Güterkraftverkehrsgesetz nimmt einige wenige Beförderungsfälle von seiner Geltung aus. Hierzu zählen bestimmte land- und forstwirtschaftliche Sonderverkehre wie die Beförderung von Milch und Beförderungen im Rahmen von Maschinenringen durch land wirtschaftliche Fuhrunternehmer. In beiden Fällen sind die Voraussetzungen für eine frei gestellte Beförderung aber sehr eng begrenzt (z. B. Transporte im Umkreis von 75 km, Mitgliedschaft im Maschinenring und Beauftragung über diesen). Zudem handelt es sich allenfalls um saisonale „Transportspitzen" (z. B. Rübentransporte), die von Lohnunternehmern, die häufig selbst Landwirte sind, übernommen werden. Diese Beförderungen sind verkehrswirtschaftlich nicht von Bedeutung, eine besondere Wettbewerbsverzerrung wird nicht gesehen.

Die Fahrpersonalverordnung nimmt - in Übereinstimmung mit dem EU-Recht - den landund forstwirtschaftlichen Nahverkehr von der Geltung der Sozialvorschriften aus. Ebenso wie die AU-Sonderregelungen und die Befreiung von der Kfz-Steuer führen die Ausnahmen von den EG-Sozialvorschriften wegen der (räumlichen und typbezogenen) Begrenztheit der zulässigen Beförderungen nicht zu spürbaren Wettbewerbsverzerrungen.

Bei der Umsetzung des Landwirtschafts-Gasölverwendungsgesetzes (LwGVG) werden ebenfalls keine Wettbewerbsvorteile für landwirtschaftliche Fuhrunternehmer gesehen.

Nach dem LwGVG wird nur eine Verbilligung gewährt, wenn Betriebe der Landwirtschaft Gasöl zum Betrieb von

­ Ackerschleppern,

­ standfesten oder beweglichen Arbeitsmaschinen (z. B. Mähdrescher) und Motoren oder

­ Sonderfahrzeugen bei der Ausführung von Arbeiten zur Gewinnung pflanzlicher und tierischer Erzeugnisse durch Bodenbewirtschaftung oder durch mit Bodenbewirtschaftung verbundene Tierhaltung verwenden. Hierunter können ggf. auch Transporte fallen, Transporte mit LKW werden aber überhaupt nicht begünstigt.

Sonstige Transporte (mit Ackerschleppern etc.) außerhalb des landwirtschaftlichen Betriebes (z. B. Rüben zur Zuckerfabrik) werden nur gefördert, wenn sie durch den landwirtschaftlichen Betrieb selber bzw. in Nachbarschaftshilfe durchgeführt werden. Landwirtschaftliche Lohnunternehmer erhalten für diese Transporte keine Verbilligung.

Das LwGVG soll vom Agrardieselgesetz abgelöst werden, die Regelungen des LwGVG werden im Wesentlichen übernommen.

Zu 6: In landwirtschaftlichen Betrieben werden zur Bewältigung von Arbeitsspitzen (z. B. Spargelernte, Gemüseernte) häufig zeitlich befristet Saisonarbeitskräfte eingestellt. Soweit es sich um ausländische Arbeitskräfte handelt, wird für diese vom Arbeitsamt eine befristete Arbeitserlaubnis erteilt. Diese Saisonarbeitskräfte können für alle anfallenden landwirtschaftlichen Arbeiten eingesetzt werden. Sofern sie über eine entsprechende Fahrerlaubnis verfügen, gilt das natürlich auch für landwirtschaftliche Transporte. Eine Wettbewerbsverzerrung wird hierin nicht gesehen.