Abwicklung des Soltau-Lüneburg-Abkommens

Neu entdeckter Sprengplatz Kürzlich wurde dem Landkreis Soltau-Fallingbostel über einen Bürger der Gemeinde Bispingen Kenntnis darüber gegeben, dass im Jahr 1946 im heutigen Naturschutzgebiet Lüneburger Heide von den britischen Streitkräften ein bisher unbekannter Sprengplatz betrieben wurde. Bei insgesamt 23 Sprengungen wurden dort große Mengen TNT - munitioniert bzw. lose in Kisten - gesprengt und die entstandenen Drücke und Krater wissenschaftlich ausgewertet. Als Ziel wird die Festlegung von Sicherheitsregeln für die Explosivstofflagerung vermutet.

An einigen noch heute sichtbaren Kratern wurden am 13. Mai 2003 von Vertretern des Landkreises sowie des Kampfmittelbeseitigungsdienstes Munitionsteile und offen liegende TNT-Brocken entdeckt. Der Sprengplatz wurde später rund vier Jahrzehnte als Übungsgebiet der britischen Rheinarmee im Soltau-Lüneburg-Gebiet genutzt. Aufgrund der bekannten Daten und der gefundenen Munitions- und Explosivstoffteile hat die untere Bodenschutzbehörde des Landkreises SoltauFallingbostel den Sprengplatz als Verdachtsfläche in das Altlastenverzeichnis aufgenommen. Mit einer erheblichen Boden- und ggf. Grundwasserbelastung wird gerechnet.

Sollte das Vorhaben des Landkreises scheitern, den Bund als Rechtsnachfolger des deutschen Reiches zur Sanierung heranzuziehen, müssten die örtlichen Behörden sich zwangsweise an die Zustandsstörer wenden; in dem geschilderten Fall an den Verein Naturschutzpark e. V.

Es kann eigentlich nicht unbekannt geblieben sein, dass es diesen Sprengplatz gegeben hat. Mit Verwunderung habe ich festgestellt, dass nun plötzlich völlig Unbeteiligte möglicherweise von der Problematik der Sanierung berührt sein könnten.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Wie ist es zu erklären, dass trotz einer kartenmäßigen Aufnahme des ehemaligen SLAGebietes dieser Sprengplatz erst jetzt entdeckt wurde?

2. Wer hat die Kartierung seinerzeit durchgeführt?

3. Welche Behörden waren dafür zuständig?

4. Wie ist das in Frage kommende Gebiet in der Kartierung beschrieben worden?

5. Welche Kenntnisse gibt es über mögliche Boden- und Grundwasserbelastungen?

6. Wer ist für die Sanierung zuständig?

7. Welche Schritte sind unternommen worden, um die britischen Streitkräfte für diese Sanierung in Anspruch zu nehmen, die im übrigen SLA-Gebiet vorbildlich geräumt und saniert haben?

8. Wie könnte die Sanierung durchgeführt werden?

9. Mit welchen Kosten der Sanierung ist zu rechnen, und wie wird sich das Land beteiligen?

Nach den vorliegenden Informationen ist ein Bürger der Gemeinde Bispingen durch private Recherchen in Großbritannien (Ministry of Supply, London) auf Informationen über einen früheren Sprengplatz gestoßen, der als solcher bisher nicht gesondert erfasst war. Bei dem Sprengplatz handelt sich um eine Fläche im heutigen Naturschutzgebiet Lüneburger Heide (Osterheide bei Schneverdingen an der Bundesstraße 3), welche die britischen Besatzungstruppen im Jahre 1946 zur Vernichtung von Munition aus Beständen des Deutschen Reiches genutzt haben sollen. Der Landkreis Soltau-Fallingbostel als zuständige untere Bodenschutzbehörde hat davon im Frühjahr dieses Jahres Kenntnis erlangt.

Die Einrichtung und Nutzung dieses Sprengplatzes steht in keinem zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit dem Soltau-Lüneburg-Abkommen. Das Soltau-Lüneburg-Abkommen von 1959 trat erst nach Ratifizierung durch die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1961 in Kraft. Damit wurde den britischen Streitkräften - ebenfalls im Gebiet des heutigen Naturschutzgebietes Lüneburger Heide - ein Gebiet für Panzerübungen zugewiesen. Die Nutzung des Gebietes als Übungsgelände der britischen Streitkräfte endete 1994 mit deren Abzug.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1 bis 4: Für den Zeitpunkt 1945 ist das Gebiet als Munitionslager und Ausbildungsfläche kartiert.

Es ist nicht erkennbar, dass die weit zurückliegende Nutzung des Geländes als Sprengplatz für die Munitionsvernichtung bei Inkrafttreten des Soltau-Lüneburg-Abkommens bekannt war oder berücksichtigt wurde. Der Sprengplatz wurde bei der Kartierung nicht gesondert ausgewiesen.

Die Abwicklung des Soltau-Lüneburg-Abkommens wurde in den 90er-Jahren von einem Koordinierungsausschuss unter der Federführung der Oberfinanzdirektion Hannover (OFD) und unter Beteiligung des Bundesvermögensamtes Soltau geregelt. In diesem Zusammenhang wurde vom Institut uve (Gesellschaft für Umwelt, Verkehr und Energie GmbH), Potsdam, eine multitemporale Luftbildauswertung durchgeführt. Die Luftbilder zeigen eine relativ gleichmäßige Trichterstruktur, die zumindest nachträglich als Anhaltspunkt für die Jahrzehnte zurückliegende Nutzung als Sprengplatz angesehen werden können.

Zu 5: Explosivstoffbrocken, die durch Sprengungen in die Landschaft verteilt worden sind, stellen grundsätzlich eine Gefahr dar, da dadurch eine schädliche Verunreinigung von Boden und Wasser eintreten kann.

Über mögliche Boden- und Grundwasserbelastungen an dem Standort des jetzt entdeckten Sprengplatzes liegen noch keine verlässlichen Erkenntnisse vor. Die ersten Ermittlungen lassen lediglich vermuten, dass nach fast vier Jahrzehnten Panzerbetrieb TNT auch in fein verteilter Struktur (Feststoff) und gelöst im Sickerwasser nachzuweisen sein wird. Eine ordnungsgemäße Gefährdungsabschätzung steht noch aus. In diesem Zusammenhang wird insbesondere die Frage zu klären sein, inwieweit das Grundwasser als maßgeblicher Wirkungspfad gefährdet ist.

Zu 6: Nach § 4 Abs. 3 des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG) sind der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger (Handlungsstörer), der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Grundstück (Zustandsstörer) verpflichtet, den Boden und Altlasten sowie durch schädliche Bodenveränderungen und/oder Altlasten verursachte Verunreinigungen von Gewässern so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen. § 4 Abs. 3 BBodSchG ist wegen § 24 BBodSchG gleichzeitig Anknüpfungspunkt für die Kostentragungspflichten.

Die Auswahl des Störers - gerade auch beim Zusammentreffen mehrerer Verpflichteter im Sinne des § 4 Abs. 3 BBodSchG - ist eine im Einzelfall zu treffende Ermessensentscheidung, die sich an den Grundsätzen der effektiven Gefahrenabwehr und der Verhältnismäßigkeit zu orientieren hat.

Dabei sind die Effektivität und Möglichkeit des Vollzugs ebenso wie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mit zu berücksichtigen.

In Anbetracht der Komplexität des Einzelfalls kann die Klärung der Rechtslage, wer als Sanierungspflichtiger in Anspruch zu nehmen ist, - das haben vergleichbare Fälle gezeigt - Jahre dauern.

Aus diesem Grunde kann gegenwärtig auch keine Aussage dazu getroffen werden, ob und inwieweit der Verein Naturschutzpark e. V., dessen eigene Rechtsposition ebenfalls noch im Einzelnen zu klären wäre, letztlich überhaupt als Sanierungspflichtiger in Anspruch genommen werden kann.

Im Übrigen erstattet der Bund den Ländern entsprechend der seit den 50er-Jahren bestehenden Staatspraxis auf Antrag die Ausgaben für die Beseitigung ehemals reichseigener Kampfmittel, von denen eine unmittelbare Gefahr für Leben oder Gesundheit des Menschen ausgeht.

Zu 7: Die Sprengungen sind unmittelbar nach Ende des zweiten Weltkrieges durchgeführt worden und stehen mit dem Soltau-Lüneburg-Abkommen nicht in Zusammenhang. Entsprechend hätte eine Sanierung durch die britischen Streitkräfte auch im Rahmen der Abwicklung des Soltau-LüneburgAbkommens nicht vorgesehen werden können. Soweit die Kampfmittel im Eigentum des Deutschen Reiches standen, sind sie heute Bundeseigentum. Eine mögliche Handhabung durch alliierte Truppen ist dabei ohne Belang. Andere völkerrechtliche Grundlagen für eine nachträgliche Inanspruchnahme der britischen Streitkräfte sind nicht ersichtlich.

Zu 8: Als erste Maßnahme ist im Rahmen der allgemeinen Gefahrenabwehr eine Kampfmittelräumung auf dem Sprengplatz durchzuführen. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes Niedersachsen ist bereits eingebunden.

Die Notwendigkeit und der Umfang einer ggf. nachfolgenden Sanierung im Sinne des § 2 Abs. 7 BBodSchG können gegenwärtig nicht abgeschätzt werden. Insbesondere die Frage, ob das Grundwasser als maßgeblicher Wirkungspfad gefährdet ist, wird Art und Umfang der Sanierung maßgeblich beeinflussen.

Da auf Grund konkreter Anhaltspunkte der hinreichende Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder einer Altlast im vorliegenden Fall gegeben ist, kann der Landkreis SoltauFallingbostel in einem ersten Schritt nach § 9 Abs. 2 BBodSchG die notwendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung anordnen. Das Ergebnis der Gefährdungsabschätzung bleibt abzuwarten.

Bei Vorliegen einer Gefährdung der Schutzgüter Boden und Wasser wären in der Folge Sanierungsuntersuchungen und eine Sanierungsplanung (§ 13 BBodSchG) anzuordnen.

Erst danach kann den nach § 4 Abs. 3 BBodSchG Verpflichteten die Sanierung auferlegt werden.

Zu 9: Da die Notwendigkeit und der Umfang der Sanierung noch nicht feststehen, können die voraussichtlichen Kosten einer Sanierung derzeit nicht benannt werden. Auch der Leistungsumfang der Kampfmittelbeseitigung kann erst nach Vorliegen der Ergebnisse notwendiger Testsondierungen kalkuliert werden.

Die Kostentragungspflicht hängt im Übrigen ganz maßgeblich mit der Feststellung des oder der Sanierungspflichtigen nach § 4 Abs. 3 BBodSchG zusammen. Sofern sich daraus eine direkte Verpflichtung des Landes Niedersachsen nicht ergibt, wäre eine Kostentragung des Landes im RahNiedersächsischer Landtag ­ 15. Wahlperiode Drucksache 15/358 men einer Kostenerstattung nach § 11 Niedersächsisches Bodenschutzgesetz denkbar. Hierfür stehen jedoch gegenwärtig keine Haushaltsmittel zur Verfügung.