Fahrgastbetrieb vor Vogelschutz - wird das Zwischenahner Meer seine besondere Bedeutung für den Vogelschutz verlieren?

In der Verordnung zur Regelung des Gemeingebrauchs am Zwischenahner Meer (ZwMeerVO) vom 07. Dezember 1999 ist geregelt, dass die Zulassung für die gewerbliche Personenschifffahrt jährlich vom 01. April bis 31. Oktober erteilt wird.

Das damit bestehende Befahrungsverbot für das Winterhalbjahr sollte dem Schutz der rastenden Wasservögel dienen. Grundlage für diese Regelung war ein ornithologisches Gutachten (Taux gutachten) aus den 90er-Jahren.

Einem Artikel der NWZ war im August 2004 zu entnehmen, dass die so genannte „Weiße Flotte" nun erstmals auch im Winterhalbjahr 2004/05 fahren darf. Es sollen gastronomische Veranstaltungen in Form von Grünkohlfahrten und „Tee und Kluntjesfahrten" auf dem Meer stattfinden.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Welche neuen Erkenntnisse liegen vor, aufgrund derer das Tauxgutachten aus den 90erJahren keine Gültigkeit mehr hat und somit weitgehende Ausnahmen von der bisherigen Regelung zugelassen werden?

2. Das Zwischenahner Meer galt bisher als Vogelrastgebiet von internationalem Rang. Gilt diese Wertung heute nicht mehr?

3. Wie ist die Aussage des Umweltstaatssekretärs anlässlich einer „Dankeschön-Fahrt vor Ort" (NWZ) wissenschaftlich einzuordnen, der sagte: „Die Vogelgesellschaften dürften sich an die Menschen gewöhnt haben, die Fluchtdistanzen verringern sich deutlich"?

4. Entspricht es einer wissenschaftlich korrekten Vorgehensweise, die Daten für ein Gutachten während des laufenden Fahrgastbetriebes zu erheben?

5. Wird eine Fachbehörde wie das NLÖ zur Auswertung des Gutachtens eingeschaltet, entsprechend dem Tauxgutachten?

6. Wie viele Schiffe werden wie viele Fahrten auf dem Zwischenahner Meer im Winterhalbjahr 2004/05 unternehmen dürfen?

7. Gibt es Erhebungen zu einem möglicherweise eintretenden Verdrängungswettbewerb zwischen der Gastronomie an Land und der „Weißen Flotte" bzw. alternativ dazu, dass der Fahrgastbetrieb auf dem Zwischenahner Meer durch den Winterbetrieb tatsächlich einen nennenswerten wirtschaftsbelebenden Faktor darstellt?

Mit der Verordnung der Bezirksregierung Weser-Ems „zur Regelung des Gemeingebrauchs am Zwischenahner Meer (ZwMeerVO)" ist die Zulassung der Wasserfahrzeuge grundsätzlich jeweils auf die Zeit von April bis Oktober beschränkt (§ 15 Abs. 1). Dadurch war es auch der Reederei Herbert Ekkenga regelmäßig nicht möglich, die gewerbliche Personenschifffahrt im Winterhalbjahr durchzuführen. Das Verbot ist damals mit dem Schutz und der Störungsempfindlichkeit rastender Zugvögel begründet worden. Andererseits gab es vor Ort schon über längere Zeit den Wunsch, mehr touristische (und gewerbliche) Aktivitäten zu ermöglichen. Bereits seit Beschränkung der Fahrgastschifffahrt im Jahr 1989 bemüht sich die Reederei, auf der Grundlage eines von ihr in Auftrag gegebenen Gutachtens, einer von ihr initiierten Gästebefragung, eines Gesuches an den Ministerpräsidenten (2002) und mehrerer Eingaben an den Landtag, die Bezirksregierung Weser-Ems, den Landkreis Ammerland und die Gemeinde Bad Zwischenahn, - bislang erfolglos - wieder einen Ganzjahresbetrieb zu erreichen. Die Reederei wurde dabei auch durch Petitionen verschiedener touristischer Vereinigungen an die Gemeinde und den Landkreis unterstützt.

Eine Überprüfung der Angelegenheit im Umweltministerium zu Beginn des Jahres 2004 hat ergeben, dass am Zwischenahner Meer eine Kompromisslösung möglich erscheint, die die Belange des Naturschutzes wahrt und gleichzeitig eine stärkere touristische Nutzung des Zwischenahner Meeres ermöglicht. Deshalb ist der Reederei Herbert Ekkenga das Befahren des Zwischenahner Meeres für das Winterhalbjahr 2004/2005 im Rahmen eines Versuchs befristet gestattet worden. Durch Auflagen ist sichergestellt worden, dass die Schiffe zu dem Naturschutzgebiet und anderen sensiblen Plätzen ausreichend Abstand halten. Außerdem werden zur Feststellung der tatsächlichen Störungsempfindlichkeit der auf dem Zwischenahner Meer rastenden Vögel von den Schiffen aus während des normalen Schiffsbetriebs Untersuchungen durchgeführt.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1:

Die Bestände vieler Vogelarten haben sich seit Anfang der 90er-Jahre wesentlich verändert. Das wird besonders an der Zunahme des Kormoranbestandes deutlich, der damals noch selten war und auf dem Zwischenahner Meer als besonders schützenswerte Art eingestuft wurde.

Zu 2: Das Zwischenahner Meer ist nach dem derzeitigen Kenntnisstand nach wie vor ein Vogelrastgebiet von hohem Rang.

Zu 3: Die Aussage von Staatssekretär Dr. Eberl trifft zu. Seit Anfang der 90er-Jahre ist bei vielen Vogelarten zu beobachten, dass sie zunehmend ihre Scheu verlieren und sogar verstädtern. Dieses Phänomen ist weltweit überall dort zu beobachten, wo Vögel, aber auch Säugetiere, z. B. in Nationalparken über längere Zeit vom Menschen nicht direkt verfolgt werden. Die Tiere sind dann in der Lage, sich in ihrem Verhalten entsprechend anzupassen und verringern die Fluchtdistanz zum Menschen bzw. zu Land- und Wasserfahrzeugen.

Zu 4: Ja. Die Methode, die tatsächliche Reaktion der Vögel auf den Schifffahrtsverkehr vom Schiff aus zu erforschen, ist theoretischen Schlussfolgerungen, die aus Literaturangaben gezogen werden, wissenschaftlich überlegen.

Zu 5: Die Staatliche Vogelschutzwarte im künftigen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz soll die Auswertung der vom Schiff aus gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse begutachten.

Zu 6: Die Reederei Ekkenga wird nach dem derzeitigen Kenntnisstand der Landesregierung jedes Wochenende zunächst zwei und ab Januar drei regelmäßige Fahrten über das Zwischenahner Meer anbieten. Zusätzliche Angebote sind darüber hinaus für Sonn- und Feiertage vorgesehen.

Zu 7: Die Landesregierung geht davon aus, dass die Wiederaufnahme des Winterfahrbetriebs einen wirtschaftsbelebenden Faktor für die Region darstellt. Dies gilt insbesondere für den Wettbewerb, den die Landesregierung nicht für einen Verdrängungswettbewerb hält, sondern als eine Attraktivitätssteigerung ansieht. Da die Landesregierung hierfür keine Fördermittel einsetzt, handelt es sich hierbei um den erwünschten Fall der Wirtschaftsförderung durch Deregulierung. Ob es sich dabei um eine nennenswerte Belebung handelt, entscheidet die Wirtschaft vor Ort. Die Landesregierung gibt ihr hierzu die entsprechenden Möglichkeiten.