Arbeitnehmerrechte verteidigen - soziale Marktwirtschaft statt Kapitalismus pur

Der Landtag bekennt sich

­ zum Erhalt der Tarifautonomie; die Flächentarifverträge dürfen nicht durch so genannte betriebliche Bündnisse für Arbeit ausgehöhlt werden,

­ zum Erhalt der Mitbestimmung auf betrieblicher und Unternehmensebene,

­ zum Kündigungsschutz in der gegenwärtigen Ausgestaltung als einem elementaren Baustein der individuellen sozialen Sicherheit und des sozialen Friedens in Deutschland und fordert die Landesregierung auf, diese Arbeitnehmerrechte zu verteidigen.

Der Landtag lehnt die folgende Pläne zum Abbau von Arbeitnehmerrechten ab:

­ Abschaffung des Günstigkeitsprinzip in § 77 III BetrVerfG und damit die faktische Zerschlagung der Flächentarifverträge,

­ Einschränkung der Mitbestimmung durch Reform des Betriebsverfassungsgesetzes,

­ Einschränkung des Kündigungsschutzes bei Neueinstellung von älteren Arbeitnehmern,

­ Beschränkung des Kündigungsschutzgesetzes auf Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten,

­ Einschränkung des generellen Anspruchs auf Teilzeitbeschäftigung und die generelle Beschränkung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes auf Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten,

­ völlige Freigabe der Ladenöffnungszeiten von Montag bis Samstag.

Begründung:

Die CDU/FDP-Landesregierung hat bereits 02.07.2003 einen Entwurf eines „Gesetzes für mehr Wachstum und Beschäftigung durch nachhaltige Reform am Arbeitsmarkt - ArbRModG" Drs. 456/03 in den Bundesrat eingebracht, der durch den geplanten Kahlschlag von Arbeitnehmerrechten gekennzeichnet ist.

Die Präsidien von CDU und CSU haben am 7. März 2004 das Papier „Weichen stellen für Deutschland - Wachstumsprogramm von CDU und CSU" beschlossen, das beim Abbau von Arbeitnehmerrechten teilweise noch weiter gehend ist.

Im aktuellen Leitantrag zum Landesparteitag der niedersächsischen CDU finden sich erneut entsprechende Forderungen.

Beide Papiere sind von der fehlerhaften Grundannahme getragen, Wachstum und Beschäftigung würde durch Beschränkungen beim Kündigungsschutz, der Mitbestimmung und der Ausweitung der Niedriglohnbeschäftigung quasi automatisch ansteigen. Die Erfahrungen der Vergangenheit belegen, dass dieser Zusammenhang nicht gegeben ist.

Die geplante Einschränkung des Betriebsverfassungsgesetzes ist insbesondere im Zusammenhang mit der gleichzeitig vorgesehenen Einführung von „betrieblichen Bündnissen" zu sehen. Auf der einen Seite soll die Arbeitnehmervertretung geschwächt werden und auf der anderen Seite sollen sie die Möglichkeit bekommen, zum Nachteil der Beschäftigten von tarifvertraglichen Rechten abzuweichen. Dadurch wird die ohnehin schwache Verhandlungsposition der Arbeitnehmer weiter untergraben.

Die Einführung von betrieblichen Bündnissen widerspricht den Prinzipien der Tarifautonomie, nämlich einen Wettstreit zwischen Unternehmen einer Branche auf dem Gebiet der Arbeitsbedingungen zu verhindern und die Verhandlungen über Löhne und Arbeitszeiten außerhalb des Betriebes anzusiedeln. Mit den betrieblichen Bündnissen werden diese Streitigkeiten hinter die Werkstore geholt. Die Arbeitnehmervertretung wird einem Lohnverzicht im Zweifel immer zustimmen, wenn die Unternehmensleitung andernfalls mit Entlassungen droht. Es handelt sich damit nicht um Verhandlungen auf gleicher Augenhöhe.

Zweifellos ist angesichts der Massenarbeitslosigkeit eine hohe Flexibilität auch bei der Vereinbarung von Arbeitszeiten und Vergütungen notwendig. Diese sind bereits nach geltendem Recht auf betrieblicher Ebene möglich, wenn der Tarifvertrag eine entsprechende Öffnungsklausel ausdrücklich enthält. Von dieser Möglichkeit haben die Tarifparteien bereits im Interesse des Erhalts der Arbeitsplätze Gebrauch gemacht. Die von der Union geforderten Modelle würden jedoch die Ausnahme zur Regel machen und in kurzer Zeit zur Aushöhlung der Flächentarifverträge führen. Die Folge wären der Verlust der Ordnungsfunktion und der konkurrenzmindernden Wirkung von Tarifverträgen.

Mit dieser Attacke gegen die Tarifautonomie wird der Flächentarifvertrag faktisch abgeschafft. Das Prinzip des Flächentarifvertrages war über Jahrzehnte der Garant für den sozialen Frieden in Deutschland und hat Lohndumping verhindert.

Die Beschränkung des Kündigungsschutzes auf Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten beraubt langfristig Millionen Familien in Deutschland ihrer sozialen Sicherheit. Es bleibt ein Geheimnis der CDU, wie sie die Binnennachfrage steigern will, wenn sie gleichzeitig einen Großteil der Bevölkerung seiner Planungssicherheit und sozialen Sicherheit beraubt. Sie ermöglicht jedoch willkürliche Kündigungen und trägt nicht zum vertrauensvollen Umgang zwischen Unternehmen und Beschäftigten bei.

Die Einführung einer scheinbaren Wahlfreiheit zwischen Kündigungsschutz und Abfindung bei der Einstellung von älteren Arbeitnehmern ist in Wirklichkeit der Verkauf von elementaren Arbeitnehmerrechten zum Billigtarif. Der arbeitssuchende ältere Arbeitnehmer ist nicht in der Verhandlungsposition, sein Recht auf Kündigungsschutz tatsächlich durchzusetzen. Er wird dazu gedrängt werden, es gegen einen geringen Abfindungsanspruch aufzugeben. Gerade aber der ältere Arbeitnehmer hat ein Interesse an einem sicheren Arbeitsplatz.

Die Beschränkung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes auf Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten ist frauen- und familienfeindlich und widerspricht dem gesellschaftlich angestrebten Ziel der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Die völlige Freigabe des Ladenschlusses von Montag bis Samstag lässt die Interessen der im Einzelhandel Beschäftigten völlig außer Acht. Gerade im Einzelhandel sind viele in Teilzeit beschäftigte Mütter anzutreffen, denen es nicht möglich ist, eine Kinderbetreuung am Abend sicherzustellen.

Der Gesetzentwurf der Landesregierung und das Papier der Präsidien von CDU und CSU stellen den Ausstieg aus der sozialen Marktwirtschaft dar und geben den Arbeitsmarkt dem freien Spiel der Kräfte preis. In diesem Wettbewerb ist der Arbeitnehmer aber stets in der schwächeren Position.