Berechnung von Kreditfinanzierungsquote und Zinssteuerquote

Der Ländervergleich zur Bewertung der Haushaltssituation und Feststellung von Haushaltsnotlagen erfolgt anhand einheitlicher, für alle Länder anhand gleicher Grundsätze ermittelter Indikatoren, die Aussagekraft über die haushaltswirtschaftliche Handlungsfähigkeit der Länder zur Erfüllung der ihnen verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgaben haben. Diese werden durch die unmittelbaren Kreditverpflichtungen des Landes bestimmt. Verbindlichkeiten, die von rechtlich selbständigen Rechtsträgern eingegangen werden und für deren Erfüllung die Länder einzustehen haben, sind bei Ermittlung der Indikatoren nicht einzubeziehen. Eine Vielzahl von Aufgaben der Länder können auf rechtlich selbständige Einrichtungen übertragen und von diesen in privater Rechtsform abgewickelt werden. Die Weichenstellung hinsichtlich der angemessenen Form der Aufgabenerfüllung erfolgt in eigener politischer Verantwortung der Länder. Daher erfolgt keine Zurechnung der Kreditaufnahme und der Zins- und Tilgungsleistungen solcher rechtlich selbständigen Einrichtungen im Ländervergleich.

Für eine alternative Berechnung von Kreditfinanzierungsquote und Zinssteuerquote unter Einrechnung der Verbindlichkeiten privatrechtlicher Gesellschaften im Eigentum des Landes besteht daher kein Anlass. Für die anderen Länder und den Länderdurchschnitt ist eine entsprechende Berechnung unter Einbeziehung der Verbindlichkeiten der im Besitz der öffentlichen Hand stehenden Gesellschaften nicht möglich; eine Vergleichsrechnung setzte umfassende, verlässliche Kenntnis der vielgestaltigen Formen der Aufgabenerfüllung in den Formen des Privatrechts in den jeweiligen Ländern und ihren Kommunen sowie Informationen über deren jeweiligen Verschuldungsstand voraus. Von daher kann auch nicht beurteilt werden, wie die Haushaltssituation des Landes Niedersachsen in einer fiktiven Vergleichsrechnung unter Einbeziehung der Verbindlichkeiten im Landeseigentum stehender privatrechtlicher Gesellschaften zu beurteilen wäre.

Zu 2, 4, 5 und 7: Zunächst ist klarzustellen, dass selbst im Fall einer vom Bundesverfassungsgericht festgestellten extremen Haushaltsnotlage kein unmittelbarer Anspruch des Landes Niedersachsen auf besondere Finanzzuweisungen des Bundes gegeben wäre. Es obläge dann dem Bundesgesetzgeber, unter der Vielzahl verfassungsrechtlicher Instrumente und Interventionsmöglichkeiten auszuwählen und Form, Inhalt und Maß der aus dem bündischen Prinzip zu leistenden Nothilfe zu regeln.

Eine extreme Haushaltsnotlage, die Bund und andere Länder zu einem solchen Vorgehen verpflichten würde, folgt aus den vorliegenden Finanzdaten für Niedersachsen nicht. Eine Klage Niedersachsens vor dem Bundesverfassungsgericht hätte keine Aussicht auf Erfolg.

Nach den jüngsten verfügbaren belastbaren Zahlen für das Jahr 2004 liegt die Zinssteuerquote in Niedersachsen (einschließlich Kommunen) bei 14,3 % und damit bei 129 % des Durchschnitts aller Länder (11,1 %), die Kreditfinanzierungsquote bei 8 % und damit bei 116 % des Durchschnitts aller Länder (6,9 %).

Schon unter unveränderter Zugrundelegung der 1992 angewandten Kriterien ergeben diese Werte kein Indiz dafür, dass Niedersachsen sich im Ländervergleich in einer extremen Haushaltsnotlage i. S. der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts befindet.

Zudem ist zu beachten, dass die damals zugrunde gelegten Indikatoren nicht unbesehen in das aktuell veränderte finanzwirtschaftliche Umfeld übertragen werden können. Die äußerst angestrengte finanzwirtschaftliche Situation Niedersachsens stellt sich vor dem Hintergrund der allgemein sehr schwierigen Finanzsituation im Bund und bei den anderen Ländern eindeutig nicht als singuläres Problem dar. Vielmehr zeigt der Indikatorenvergleich, dass sich die finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen bei einer großen Zahl von Ländern verschlechtert haben. Unter diesen Umständen ist damit zu rechnen, dass auch das Bundesverfassungsgericht in den laufenden Verfahren auf Haushaltsnotlagenhilfe für Berlin und Saarland strengere, über den bloßen Indikatorenvergleich hinausgehende Anforderungen an die Feststellung einer Haushaltsnotlage stellen wird.

Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 11. November 1999 (BVerfGE 101, 158 ff.) den Ausnahmecharakter der Haushaltsnotlagenhilfe als vorübergehende Hilfe zur Selbsthilfe noch einmal betont hat.

Auch die seit 2002 währende Überschreitung der verfassungsrechtlichen Grenze der Nettokreditaufnahme, in der sich die außerordentlich schwierige Finanzsituation des Landes spiegelt, würde ein Nothilfebegehren des Landes nicht ausreichend begründen. Zum einen hat das Bundesverfassungsgericht diesen Aspekt nur ergänzend herangezogen. Zum zweiten zeigt der 2003 von der Landesregierung beschlossene stufenweise Abbau der Neuverschuldung um 350 Mio. Euro pro Jahr, dass in Niedersachsen eigene Konsolidierungsanstrengungen Erfolg zeitigen. Mit dieser erfolgreichen Konsolidierungsstrategie füllt Niedersachsen die eigene Haushaltsverantwortung eigenständig aus und ist nicht auf eine Sanierung von außen angewiesen. Die Landesregierung verfolgt das Ziel, bis zum Ende der Legislaturperiode in 2008 die Nettokreditaufnahme unter die Summe der eigenfinanzierten Investitionen zu drücken. Dieses Ziel ist angesichts der Unsicherheit über die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland zugleich ehrgeizig und realistisch.

Um die Finanzsituation der öffentlichen Hand insgesamt zu verbessern und Grundlagen für Zukunftsfähigkeit und Wachstumsorientierung zu sichern, kommt es nach Auffassung der niedersächsischen Landesregierung darauf an, im föderalen Miteinander konkrete Konsolidierungsziele verlässlich zu vereinbaren und konsequent umzusetzen.