Gewässerschutz und -entwicklung in Rheinland-Pfalz

Die Gewässerbewirtschaftung hat in Rheinland-Pfalz einen hohen Stellenwert. In Rheinland Pfalz waren zu Beginn der 80er Jahre noch über 30 % der Oberflächengewässer infolge fehlender oder unzureichender Abwasseranlagen stark oder übermäßig verschmutzt. Inzwischen erreichen fast alle Gewässer im Land wieder die Gewässergüteklasse II. Erreicht wurde dies durch das hohe Engagement der verantwortlichen Kommunen sowie von Gewerbe und Industrie beim Kläranlagenbau. Gewässer und ihre Auen sind wesentliche Teile von Natur und Landschaft und damit ein Teil der belebten Umwelt. Sie tragen zum Hochwasserschutz bei und bilden ein komplexes Ökosystem mit einer großen Artenvielfalt bei Kleinstlebewesen und Fischen. Neben der Verbesserung der Wasserqualität wurde in Rheinland-Pfalz mit der „Aktion Blau" ein landesweites Programm zur Wiederherstellung natürlicher oder naturnaher Gewässer einschließlich ihrer Auenlandschaft verfolgt. Dies ist auch Inhalt der im Dezember 2000 verabschiedeten EGWasserrahmenrichtlinie, die die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichtet, bis zum Jahr 2015 u. a. einen „guten ökologischen Zustand" der Gewässer zu erreichen. Besondere Bedeutung hat das Hochwasserschutzkonzept des Landes. Mit seinen Komponenten natürlicher Hochwasserrückhalt, technischer Hochwasserschutz und weitergehende Hochwasservorsorge dient das Konzept den Interessen und dem Schutz der Bürgerinnen und Bürger sowie der Minimierung materiellen Schadens.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

I. Aktion Blau ­ Gewässerentwicklung in Rheinland-Pfalz

1. Welche Aufgaben und Ziele verfolgt das Programm „Aktion Blau"?

2. Welche Entwicklungskonzepte existieren und welche Projektkategorien gibt es?

3. Welche Grundlagen und Methoden liegen dem Programm zugrunde?

4. Welche Aktionsbereiche beinhaltet das Programm?

5. Welche Gewässer umfasst die „Aktion Blau" bereits und welche kommunalen Gebietskörperschaften beteiligten bzw. beteiligen sich an diesem Programm (aufgeschlüsselt nach Maßnahmen in kommunalen Gebietskörperschaften)?

6. Welche Akteure und Institutionen sind bei diesen Projekten beteiligt?

7. Welche Rolle spielen die „Bachpaten" bei diesen Maßnahmen und wie viele „Bachpaten" gibt es im Land (ggf. aufgeschlüsselt nach kommunalen Gebietskörperschaften)?

8. Bei welchen Flüssen und Bächen besteht noch Handlungsbedarf?

9. Wie viele und welche Gewässerpflegepläne gibt es in Rheinland-Pfalz?

10. Welche Entwicklung ist seit Beginn der „Aktion Blau" zu verzeichnen?

11. Welche finanziellen Mittel wurden vom Land zur Verfügung gestellt (aufgeschlüsselt nach Maßnahmen und kommunalen Gebietskörperschaften)?

12. Ist beabsichtigt, die Förderung entsprechender Maßnahmen weiter zu verbessern?

13. Welche Kriterien liegen der Förderung der Maßnahmen zugrunde?

14. Welchen Beitrag leisten die Kommunen?

15. Welchen Beitrag leisten die Maßnahmen hinsichtlich der Ökologie in und am Gewässer?

16. Welchen Beitrag leisten die Maßnahmen im Rahmen der „Aktion Blau" für den vorbeugenden Hochwasserschutz?

17. Welche Auswirkungen sind durch die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) auf das Programm zu erwarten und welche weiteren Maßnahmen sind für die kommenden Jahre geplant?

18. Welche Erkenntnisse konnten im Zusammenhang mit den Regionalveranstaltungen gemacht werden?

19. Wie können sich Bürgerinnen und Bürger sowie Kommunalpolitikerinnen und -politiker über die Angebote und Maßnahmen von „Aktion Blau" informieren?

20. Welche Informationen stehen den Gewässerunterhaltspflichtigen zur Verfügung?

II. EG-Wasserrahmenrichtlinie

1. Welche landesweiten Konzepte wurden nach Verabschiedung der EG-WRRL für Rheinland-Pfalz erarbeitet und wie gestaltet sich der Umsetzungsprozess im Land?

2. Welche Aufgabe kommt dem landesweiten Beirat zu, der die fachliche Umsetzung der EGWRRL begleitet?

3. Welche Aufgaben kommen den regionalen Beiräten zu?

4. Wie bewertet die Landesregierung die Ende 2004 abgeschlossene Bestandsaufnahme der rheinland-pfälzischen Gewässer?

5. Welche Hauptaufgaben beinhaltet die EG-WRRL für Rheinland-Pfalz?

6. Welche Gewässermaßnahmen sind mit der Umsetzung der EG-WRRL in Rheinland-Pfalz zu erwarten?

7. Welche Rolle spielt hierbei die „Aktion Blau"?

8. Welche Konsequenzen ergeben sich für die Gewässerüberwachung in Rheinland-Pfalz?

III. Gewässerrenaturierung und Hochwasserschutz: Rückhaltung des Wassers in der Fläche

1. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, im Rahmen der Gewässerentwicklung („Aktion Blau") insbesondere auch die Belange des Hochwasserschutzes zu berücksichtigen?

2. Wie viele und welche Renaturierungsmaßnahmen in Rheinland-Pfalz dienen insbesondere auch dem natürlichen Wasserrückhalt auf der Fläche?

3. Welche Maßnahmen sind noch geplant?

4. Welchen Stellenwert haben in diesem Zusammenhang die internationalen Hochwasseraktionspläne?

Das Ministerium für Umwelt und Forsten hat die Große Anfrage namens der Landesregierung ­ Zuleitungsschreiben des Chefs der Staatskanzlei vom 24. November 2005 ­ wie folgt beantwortet:

Vorbemerkung:

In den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurden enorme, nicht zuletzt auch finanzielle Anstrengungen zur Verbesserung der Gewässergüte unternommen. Die förderfähigen Investitionen im Zusammenhang mit dem Bau von kommunalen Abwasseranlagen belaufen sich auf rund sieben Mrd. Euro in den vergangenen 40 Jahren. Die Industrie und Gewerbebetriebe haben in etwa einen gleich hohen Betrag investiert. Waren vor 30 Jahren noch mehr als 30 % der Gewässer in den Güteklassen III bis IV stark oder übermäßig verschmutzt, so sind es heute nur noch 1,5 %. Durch die gemeinsamen Anstrengungen konnte der damalige miserable Zustand soweit verbessert werden, dass heute über 90 % der Gewässer die Güteklasse II oder besser erreicht haben. Es ist daher ein großartiger Fortschritt, dass unsere Bäche und Flüsse heute wieder weitgehend sauberes Wasser führen (vgl. Gewässergütekarte von 1972 und 2004, Anlagen 1a und 1b).

Doch dies allein reicht nicht, um die Gewässer in ihrer ganzheitlichen Funktion mit einem guten Selbstreinigungs- und Regenerationsvermögen, Lebensraum für eine artenreiche Tier- und Pflanzenwelt und zur natürlichen Dämpfung von Hochwasserwellen zu entwickeln und zu erhalten.

Im Jahre 1994 hat die Landesregierung mit der „Aktion Blau" einen Paradigmenwechsel in der Gewässerentwicklung eingeleitet.

Dieses Aktionsprogramm hat erfreulich positive Resonanz gefunden. Es umfasst mittlerweile über 1 000 Gewässer in Rheinland Pfalz mit einer Gesamtlänge von über 4 000 km von insgesamt rund 15 000 km. Aktuell umfassen 251 Gewässerpflegepläne 4 048 km Gewässerlänge, auf 323 km Länge wurden 527 Gewässerrückbauprojekte umgesetzt oder sind in Planung. Über 800 Bachpatenschaften wirken an mehr als 2 600 km Gewässer beim Schutz und bei der ökologischen Verbesserung der Gewässer tatkräftig mit.

I. Aktion Blau ­ Gewässerentwicklung in Rheinland-Pfalz

1. Welche Aufgaben und Ziele verfolgt das Programm „Aktion Blau"?

Die „Aktion Blau" ist ein Aktionsprogramm zur nachhaltigen Entwicklung der Gewässer in Rheinland-Pfalz. Sie verfolgt im Wesentlichen drei Ziele:

­ Die Wiederherstellung der ökologischen Funktionsfähigkeit der Gewässer.

­ Die nachhaltige Hochwasservorsorge durch natürlichen Hochwasserrückhalt.

­ Die Verbindung mit Aspekten der regionalen und lokalen Entwicklung.

Die „Aktion Blau" hat zur Wiederherstellung weitgehend natürlicher Gewässer die Aufgabe, alle Aktivitäten der Gewässerunterhaltungspflichtigen, dies sind das Land, die Landkreise, die Kommunen und die Gewässerzweckverbände, die dieser Zielsetzung dienen, zu bündeln und zu fördern. Die Bevölkerung wird umfassend beteiligt, sie ist insbesondere im Rahmen der Bachpatenschaften engagiert.

2. Welche Entwicklungskonzepte existieren und welche Projektkategorien gibt es?

Das zentrale Entwicklungskonzept der „Aktion Blau" ist der Gewässerpflegeplan. Im Gewässerpflegeplan werden, abgestimmt mit den Betroffenen, Anliegern, Landwirten, Kommunen etc. alle Aktivitäten des Unterhaltungspflichtigen entlang der Gewässer zusammengestellt. Die Maßnahmen im Rahmen der Gewässerunterhaltung, der notwendigen Flächensicherung und der konkreten Gewässerrenaturierung als wesentliche Projektkategorien sind im Gewässerpflegeplan verzeichnet.

Zu Beginn der „Aktion Blau" waren mit

­ dem Sanierungskonzept Lahn,

­ dem Sanierungskonzept Selz,

­ dem Entwicklungskonzept Rheinauengewässer,

­ der Auenrenaturierung Dürkheimer Bruch,

­ der Auenrenaturierung Bruchbach ­ Otterbach,

­ der Gewässerentwicklung Alfbach ­ Bierbach und

­ dem Deichpflegekonzept Projekte wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Entwicklung und Erprobung neuer Werkzeuge und Strategien in einem eigenständigen Aktionsbereich zusammengefasst, im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen.

3. Welche Grundlagen und Methoden liegen dem Programm zugrunde?

Gewässer befinden sich von Natur aus morphologisch im Gleichgewicht, das geprägt ist vom Talgefälle, von Fließenergie und -widerstand. Dieser Gleichgewichtszustand ist vom Abflussregime der häufig wiederkehrenden Hochwasser geprägt. Veränderungen wie z. B. Laufverkürzungen oder Verbauungen stehen der Fließenergie des Hochwassers entgegen und werden ohne kontinuierliche Unterhaltung und Instandsetzung wieder zerstört. Technischer Wasserbau ist deshalb nur dort notwendig, wo Infrastruktureinrichtungen, wie beispielsweise Schifffahrtsstraßen oder Hochwasserschutzanlagen, dies erfordern. In allen anderen Fällen erfüllt der natürliche Gleichgewichtszustand am ehesten die Anforderungen an eine nachhaltige und wirtschaftliche Gewässerbewirtschaftung.

Dieses Arbeiten nach dem Motto „Nicht gegen das Wasser" war Weichenstellung der „Aktion Blau" für eine nachhaltige Gewässerentwicklung und hat bundesweit Anerkennung gefunden. Ein technisch aufwändiger Rückbau ist an den meisten Gewässern nicht sinnvoll und auch nicht finanzierbar. Methode der „Aktion Blau" ist es, die Kraft des Hochwassers zu nutzen, die Gewässerentwicklung gezielt durch Initialmaßnahmen in Gang zu setzen und zu lenken, damit sich das Gewässer dann von selbst entwickeln kann. Diese Methode ist wirtschaftlich und die sich einstellende Entwicklung gewässertypisch. Damit werden zugleich auch die Anforderungen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) an eine gewässertypische hydromorphologische Zustandsverbesserung erfüllt.

4. Welche Aktionsbereiche beinhaltet das Programm?

Die „Aktion Blau" unterstützt die natürliche Gewässerentwicklung mit Know-how, mit Daten, Entwicklungstechnologie und mit finanziellen Mitteln. Die „Aktion Blau" wird deshalb von vier Aktionsbereichen getragen:

­ Im Aktionsbereich „Methodenentwicklung" wurden wichtige methodische Grundlagen erarbeitet. Dies sind beispielweise Bewertungsmethoden, Entwicklungstechniken und Leitlinien.

­ Im Aktionsbereich „Datenbereitstellung" werden landesweit alle gewässerrelavanten Daten zusammengetragen und als Entscheidungsgrundlage bereitgestellt. Auch Wissensmanagement und Fortbildung gehören in diesen Aktionsbereich.

­ Im Aktionsbereich „Entwicklungskonzepte" waren bedeutende Projekte angesiedelt, mit denen neue Konzepte, Methoden und Techniken erprobt wurden, im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen.

­ Der Aktionsbereich „Umsetzung" umfasst alle Projekte und Maßnahmen, die die Gewässerunterhaltungspflichtigen landesweit zur Strukturverbesserung und zur Wiederherstellung der ökologischen Funktionsfähigkeit der Gewässer durchführen und die vom Land im Rahmen der „Aktion Blau" gefördert oder als eigene Maßnahme durchgeführt werden.