Horten

Darüber hinaus führte er an, dass die aktiven Frauen in der JU mehrheitlich nichts von der Frauenquote hielten, weil die Frauen, wenn sie gut seien ­ das seien so ziemlich alle ­, durchaus Probleme mit dem Gefühl hätten, evtl. ausschließlich aufgrund der Quote ihr Amt erhalten zu haben.

Die Jusos besitzen ebenfalls eine Frauenquote. Die Partei erlaube in einem Modellversuch zum zweiten Mal für acht Jahre, dass sich die Jusos nicht geschlechtergerecht (mindestens 40 % jedes Geschlechts) repräsentieren müssten, sondern mindestens 40 % weiblich sind. Das hieße, es könnten im Vorstand auch 100 % Frauen sein. Aber das bewertete Christian Schmitz als unrealistisch. Christian Schmitz betonte, dass sich Frauen auch in der Diskussion von Gleichheit und Differenz sehr an vorhandene Strukturen anpassen müssten, um Erfolg zu haben. Er plädierte im Gegensatz zu Martin Binder sehr stark für eine Frauenquote. „Man kann noch so viel darum herumreden, man kann die Quote noch so diskutieren, es ist de facto so, dass wir in der Politik männliche Strukturen haben und Frauen oft nur durch die Quote bei uns Erfolg haben." 245)

Auch David Dietz räumte ein, dass es bei den Julis geschlechtsspezifische Unterschiede gäbe. Zwar sei es ihnen über vermehrte Versuche gelungen, mehr junge Frauen in Wahlämter einzugliedern. Manchmal scheiterten die Bemühungen aber im Nachhinein an privaten oder biologischen Gründen.

4. Appelle und Empfehlungen an die Kommission

Die Vertreter der politischen Jugendorganisationen nutzten die Gelegenheit, um an die anwesenden Politikerinnen und Politiker konkrete Appelle zu richten.

Martin Binder (JU) betonte, es sei „gut, wenn man sich das (Interesse für junge Menschen) auf die Fahnen schreibt, aber es ist katastrophal, wenn man sich das auf die Fahnen schreibt, die Jugendlichen ihre Interessen einbringen und dann nichts passiert. Das ist wesentlich schlimmer, als wenn einfach gar nichts passiert, wenn die Leute nur sagen, sie machen nichts." 247)

Das Gespräch endete mit einer Satzergänzung: Die Enquete soll... Christian Schmitz (Jusos):... Erstens, die RPJ-Richtlinien der Realität anpassen. Die Jugendverbände sind bei den Abrechnungsmodi in einer Grauzone. Zweitens das Politische zum Primat erheben.

Martin Binder (JU):... Die Jugend-Enquete-Kommission soll auf die Jugendlichen zugehen und ihnen zuhören, ihre Sorgen ernst nehmen und das Ganze dann im Landtag in allen Bereichen umsetzen.

David Dietz (Julis):... Die Enquete-Kommission soll, wie mein Vorredner schon gesagt hat, die Form der Ansprache an Jugendliche überdenken und dementsprechend auch verändern.

Daniel Köbler (GJ):... Die Jugend-Enquete-Kommission soll Formen finden, wie man junge Menschen wieder attraktiv anspricht und soll darauf hinwirken, dass möglichst alle Lebensbereiche demokratisiert werden und dass die Partizipationsmöglichkeiten erhöht werden. Das gilt insbesondere für die Schulen und für das Wahlrecht. Sie soll auch diejenigen, die die Politik zu den jungen Leuten tragen, mit den nötigen Ressourcen ausstatten.

Dominik Rheinheimer (JL):... Die Jugend-Enquete-Kommission soll den Glauben der Jugendlichen an die Gestaltungsfähigkeit der Politik mit den bestmöglichen Rahmenbedingungen versehen. 244) Vgl. Protokoll der 8. Sitzung der Enquete-Kommission 14/3 „Jugend und Politik" am 3. Dezember 2004, Teil II, S. 22.

245) Vgl. Protokoll der 8. Sitzung der Enquete-Kommission 14/3 „Jugend und Politik" am 3. Dezember 2004, Teil II, S. 23.

246) Vgl. Protokoll der 8. Sitzung der Enquete-Kommission 14/3 „Jugend und Politik" am 3. Dezember 2004, Teil II, S. 21.

247) Vgl. Protokoll der 8. Sitzung der Enquete-Kommission 14/3 „Jugend und Politik" am 3. Dezember 2004, Teil II, S. 5.

248) Vgl. Protokoll der 8. Sitzung der Enquete-Kommission 14/3 „Jugend und Politik" am 3. Dezember 2004, Teil II, S. 32.

IV. Zusammenfassung über die Vor-Ort-Besuche der Kindertagesstätten am 26. November 2004 249)

I. Allgemeiner Teil

Bei den Besuchen der Kindertagesstätten sollte versucht werden, die unterschiedlichen Partnerinnen und Partner, die in einer Kindertagesstätte zusammenarbeiten und wirken, anzuhören und ein Gespräch mit den Kindern zu führen, bei dem lediglich die Erzieherinnen anwesend sind.

1. Projektbeschreibung

a) Kindertagesstätte „Arche Noah" in Undenheim

Die Kindertagesstätte führt eine Kinderkonferenz durch. Hintergrund der Einführung dieser Kinderkonferenz war, dass die Erzieherinnen das Interesse der Kinder an der Mitbestimmung festgestellt und dieses anschließend umgesetzt haben. Die Kinderkonferenz richtet sich an alle Kinder der Kindertagesstätte. Sie ist eine dauerhafte Einrichtung, die einmal wöchentlich stattfindet und ca. 30 bis 45 Minuten dauert. Dokumentiert wird die Kinderkonferenz, indem die Erzieherinnen Protokolle erstellen und die Kindervertreter ein „Protokoll" für ihren Gruppenbericht malen.

b) Protestantische Kindertagesstätte Großniedesheim in Großniedesheim

Im Mittelpunkt der Kindertagesstätte steht „Das Kind als Mitgestalter". Erwachsene und Kinder setzten Impulse, sprechen, planen und machen sich gemeinsam auf den Weg, um Antworten und Lösungen zu finden. Die Beschlüsse des Kinderparlaments wirken sich konkret auf den Alltag aus. Das Kinderparlament ermöglicht den Kindern konkrete Erfahrungsmöglichkeiten. Eingebettet in das respektvolle Miteinander können sie sich in Freiheit ausprobieren, entdecken und lernen. Klare Strukturen und gemeinsam erarbeitete Regeln bilden dabei den schützenden Raum für vielfältige Erlebnisse. Der Einstieg in das Kinderparlament ergab sich, nachdem die Vorschülerinnen und Vorschüler im Rahmen des Projekts „Wir erkunden unser Dorf" den Ortsbürgermeister in seinem Amtszimmer besucht hatten.

Das Kinderparlament richtet sich hauptsächlich an Vorschülerinnen und Vorschüler, Jungen und Mädchen, zum Teil auch wieder gewählte „Parlamentarier", die den neuen „Abgeordneten" die Regeln erklären können.

Das Projekt existiert seit 2001. Das Kinderparlament trifft sich regelmäßig einmal pro Woche. Dokumentiert wird das Projekt durch ein Faltblatt der Kindertagesstätte und Sitzungsprotokolle des Kinderparlaments.

c) Kindergarten „Wühlmäuse" in Bodenheim

Der Kindergarten ist gekennzeichnet durch die offene Arbeit und die Projektarbeit, z. B. die Gestaltung des Außengeländes, das Kürbisfest, das Anlegen des Gartens und die Kinderredezeit. Initiiert wurden die Projekte durch die Leiterin des Kindergartens, woraus sich dann ein Prozess im Team entwickelte. Zielgruppe sind die Kindergarten- und Hortkinder. Das Projekt existiert seit sechs Jahren. Es erfolgt eine regelmäßige Dokumentation für Kinder und Eltern und für die pädagogische Arbeit des Kindergartenteams. Es werden Bilderwände mit Fotos und Text erstellt, außerdem werden Beobachtungsbögen über Aktivitäten der Kinder geführt.

d) Kindertagesstätte Wittlich-Neuerburg in Wittlich

Das Projekt trägt den Namen „Informieren ­ beteiligen ­ mitgestalten ­ beobachten ­ dokumentieren". Ziel der offenen Pädagogik in der Kindertagesstätte ist es, den Kindern beste Bedingungen für ihre Persönlichkeitsentwicklung zu geben. Die Kinder, Eltern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben in der Kindertagesstätte, die ohne feste Gruppen arbeitet, verschiedene Informationspunkte (Infozentralen). Regeln, die mit den Kindern erarbeitet wurden, werden anhand von Darstellungen/Kinderzeichnungen überall an entsprechenden Stellen ausgehangen. Die Kinder bestimmen ihren Tagesablauf weitestgehend selbständig, werden aber von den Erzieherinnen begleitet. Der Tagesablauf, Angebote, Wünsche und Besonderheiten werden besprochen. Für Kinder, die bald eingeschult werden, gibt es spezielle Angebote. Kinder übernehmen Ämter, z. B. das akustisches Anzeigen von Aktionen oder Tagesprogrammpunkten durch Betätigen einer Hupe, eines Gongs oder mit Hilfe von Handpuppen, Marionetten oder Symbolen.

Die Beteiligung der Kinder erfolgt durch Nachfragen und Gespräche. Eine Mitgestaltung ist sehr konkret möglich, z. B. beim Speiseplan, bei der Frage, was im Garten angebaut wird, oder bei der Anschaffung von Spielmaterialien. Die Eltern werden z. B. in Form von Elternumfragen umfangreich beteiligt.

Die Kindertagesstätte nimmt am Projekt des deutschen Jugendinstituts „Bildungs- und Lerngeschichten" teil. Es erfolgt eine zweijährige wissenschaftliche Begleitung und eine Fortbildung. Zielgruppe sind alle Kinder im Alter von zweidreiviertel bis sechs Jahren. Das Projekt ist eine permanente Einrichtung und wird durch die Erzieherinnen dokumentiert. Außerdem existiert eine sehr gute Homepage.

249) Grundlage ist die Zusammenfassung der Berichtsbogen über die Vor-Ort-Besuche der Kindertagesstätten am 26. November 2004, Vorlage EK 14/3-38.

250) Vgl. Protokoll der 4. Sitzung der EK 14/3 „Jugend und Politik" am 16. September 2004, S. 11.

e) Kommunaler Kindergarten Naseweis in Schweppenhausen

Im Kindergarten hängen im Flur zwei Briefkästen, einer mit einem lachenden, einer mit einem traurigen/schmollenden Gesicht, in die die Kinder im Laufe der Woche ihre Wünsche, Anregungen, Sorgen, Lob und Kritik in Form von selbst gemalten Bildern und Briefen einwerfen können. Die Kinderzeichnungen werden durch schriftliche Erläuterungen, die das Kind der Erzieherin diktiert, ergänzt. Jeweils montags werden die Briefe in einer gemeinsamen Runde mit allen Erzieherinnen und Kindern geöffnet. Die angesprochenen Themen werden in der Gruppe diskutiert, gemeinsam wird nach Lösungen gesucht.

Je nach Komplexität des Problems wird dieses direkt in der Gruppe gelöst, oder es werden Arbeitskreise gebildet, die unter Beteiligung der Kinder Lösungen erarbeiten und umsetzen.

Die Einrichtung hatte früher ein Kinderparlament. Im Kinderparlament waren alle zukünftigen Schulkinder. Es bestand aber der Wunsch des Teams, alle Altersgruppen zu beteiligen. Dies wäre aber nur im Delegationsprinzip möglich gewesen. Aus Erfahrung wusste man, dass kleinere Kinder noch nicht mit dem Abstraktionsgrad einer gewählten Vertretung zurechtkommen. Man suchte deshalb nach einer Form, die die Beteiligung aller Altersklassen in dem Kindergarten ermöglichen konnte.

Zielgruppe sind somit alle Kinder der Einrichtung. Das Projekt findet seit 2000 regelmäßig jede Woche statt und wird von den Erzieherinnen dokumentiert.

f) Katholischer Kindergarten in Langenlonsheim

In dem Kindergarten findet freitags um 11.30 Uhr im Sportraum eine Vollversammlung statt, im Rahmen derer aktuelle Fragen diskutiert und Lösungen eigenständig durch die Kinder erarbeitet werden. Den Erzieherinnen kommt hierbei vor allem eine moderierende Rolle zu. Die Kinder wissen aber, dass dann, wenn keine Lösung gefunden wird, die Entscheidungen durch die Erzieherinnen getroffen werden, diese ihnen aber helfen. In der Mitte des Kreises liegt der so genannte Redestein. Will ein Kind das Wort ergreifen, hat es sich zu melden, es kann sich dann den Redestein nehmen und gibt ihn anschließend weiter bzw. legt ihn zurück. Die Einführung des Kinderparlaments wurde während der Vollversammlung diskutiert und durch Abstimmung beschlossen. Die Vollversammlung ergänzt Morgen- und Abschlusskreis.

Zielgruppe sind alle Kinder der Einrichtung, am Kinderparlament sind vor allem die älteren Kinder beteiligt. Die Vollversammlung findet wöchentlich statt, der Morgen- und Abschlusskreis täglich. Die Dokumentation ist abhängig von den Projekten. Es werden unter anderem Bilder gemalt oder bereits vorhandene Bilder als Erinnerung im Flur aufgehängt.

2. Gespräch mit den Kindern

Ein gesondertes Gespräch mit den Kindern kam in allen Kindertagesstätten zustande mit Ausnahme der Kindertagesstätte in Großniedesheim. Dort hatte sich ein solches Gespräch mit den Kindern im Verlauf des Besuchs als wenig sinnvoll erwiesen. Es war viel erkenntnisreicher, die Kinder möglichst frei und „so wie sonst auch" agieren zu lassen. Schon aus der Position der „stillen Beobachter" wurde deutlich, dass einige Kinder sehr nervös waren. Eine „Face-to-face"-Befragung hätte diesen Effekt nur verstärkt und die Offenheit der Kinder in ihrem Kinderparlament beschnitten.

Aus den Gesprächen mit den Kindern in den anderen Kindertagesstätten wurde deutlich, dass die Kinder mitmachen, weil es ihnen Spaß macht, weil sie die Idee für ein Projekt gut finden oder weil sie etwas stört. Die Kinder können dann die „Bestimmer" sein, sie bestimmen, was in den Gruppen in den Kindertagesstätten gemacht werden darf und was nicht.

Die Kinder zeigten bei einem Rundgang durch die Kindertagesstätte, was sie alles gemacht haben und welches ihr aktuelles Projekt ist. Allerdings brauchten sie immer wieder konkrete Erinnerungshilfen.

Teilweise waren die Beschreibungen der Kinder allerdings auch sehr konkret: So beschrieben z. B. die Kinder im Kindergarten Naseweis in Schweppenhausen ihr Projekt folgendermaßen: „Das sind zwei Briefkästen. In den mit dem traurigen Gesicht werfen wir Briefe und Bilder, wenn wir traurig sind oder uns etwas stört. In den mit dem lachenden Gesicht werfen wir Briefe und Bilder, wenn wir uns freuen oder einen Wunsch haben. Die Briefe und Bilder besprechen wir montags in der Runde. Wir haben letztens mehr Fahrräder gebraucht und haben dann mit Mamis und Papis viele repariert. Das haben wir in einer kleinen Gruppe geplant."

Die Kinder im Kindergarten in Langenlonsheim beantworteten die Frage „Was macht ihr?" folgendermaßen: „Wählen: Wir haben Becher mit den Bildern von Kindern drauf, da werfen wir Steine rein. Abstimmen: Wir legen Steine auf die Tücher, grünes Tuch heißt ja, rotes Tuch heißt nein." Einig sind die Kinder sich, wenn es um die Frage geht, ob das Projekt Spaß macht bzw. Spaß gemacht hat. Diese Frage wurde durchgängig bejaht, die Kinder sind sehr stolz auf das, was sie geschaffen haben.

Die Ideen für die Projekte kamen mehrheitlich von den Erzieherinnen, die die Kinder bei den Projekten auch unterstützen.

Fragt man die Kinder „Was klappt gut?" antworten sie: das Reden, das Abstimmen und das Berichten. Sie können sich auch sehr gut auf eine Idee einigen. Wenn das Projekt dann umgesetzt ist, sind die Kinder stolz darauf. Die anderen Kinder, die nicht mitgemacht haben, akzeptieren, dass das Projekt den anderen wichtig ist und zerstören es nicht.

Die Frage „Was ist schwierig?" wurde nur von einer Kindertagesstätte dahingehend beantwortet, dass es den Kindern schwer fällt, lange Zeit an einem Projekt zu arbeiten.

Die Kinder erzählten, dass sie ihren Eltern von den Projekten berichten. Sie schilderten auch, dass es die Eltern manchmal nerve, wenn sie zu Hause auch über alles mitreden wollten oder vorschlagen würden, Dinge abends im Rahmen einer Familienkonferenz zu besprechen.