Hochwasserschutz Altrip/Neuhofen/Waldsee

Der projektierte Polderbau bei Altrip hat in der Bevölkerung von Altrip, Neuhofen und Waldsee ausgeprägte Befürchtungen hervorgerufen. Ins Feld geführt werden Zweifel über die Eignung des Standortes Altrip. Die Befürchtungen betreffen insbesondere mit dem geplanten Polder verbundene Gefährdungen von Hab und Gut durch Druck- und Grundwasserflutungen und Ängste wegen der Sicherheit von Arbeitsplätzen im Landwirtschafts- und Freizeitbereich.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Sind die Befürchtungen und Argumente der Bürgerinnen und Bürger von Altrip, Neuhofen und Waldsee im Hinblick auf den Polderstandort Altrip unberechtigt und hält die Landesregierung an diesem Standort fest oder sieht sie Alternativstandorte?

2. Hält die Landesregierung eine Planung dann für hinreichend abgesichert und belastbar, wenn laut einem Gutachten nur eine Probeflutung bei mittlerem Hochwasser (also nach Fertigstellung des Polders) die Berechnungsdaten verifizieren kann?

3. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die Gutachten zur hydrogeologischen Situation zweifelsfrei und ausreichend sind, nachdem eine großräumige Untersuchung der Grundwassersituation u. a. mit Auswirkungen auf den Rehbach fehlt?

4. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass der Standort Hördt wegen seiner natürlichen Lage und Beschaffenheit, wegen seines im Vergleich zu Altrip sechsfachen Volumens und wegen der daraus resultierenden viel niedrigeren Kosten (10 % der Kosten von Altrip) auch nach dem Urteil der Naturschutzverbände eine gute Eignung als Alternative besitzt, wenn nein, warum nicht?

5. Wie beurteilt die Landesregierung die Sicherheit der Fluchtwege u. a. im Hinblick darauf, dass die Verbindungsstraße von Altrip nach Waldsee nur abschnittsweise höhergelegt wird, großenteils aber auf einem im Hochwasserfall überfluteten Niveau verläuft, und wie schätzt die Landesregierung die Gefahr einer Deichaufweichung bei einem mehrwöchigen Hochwasser (worst case) ein?

6. Welche konkreten Pläne hat die Landesregierung für die bei einer Flutung des Polders Altrip betroffenen rund 3 500 Campingparzellen in Altrip, für das Naherholungsgebiet, das Neubaugebiet und die Landwirtschaft in Waldsee sowie die Landwirtschaft in Neuhofen, Ersatzflächen zur Verfügung zu stellen oder die Betroffenen finanziell zu entschädigen?

7. Nimmt die Landesregierung die Ängste und Einreden der Bevölkerung von Altrip, Neuhofen und Waldsee so ernst, dass sie bereit ist, sich unbeschadet des inzwischen ergangenen Planfeststellungsbeschlusses erneut mit der Standortfrage, der Sicherheit von Menschen und Sachvermögen und der langjährigen Erfahrung der Anwohner zu befassen?

Das Ministerium für Umwelt, Forsten und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 16. August 2006 wie folgt beantwortet:

Vorbemerkung:

Die bereits 1995 im Bericht der Enquete-Kommission des Landtags „Verbesserung des Schutzes vor Hochwassergefahren" fraktionsübergreifend empfohlenen rheinland-pfälzischen Hochwasserrückhaltungen am Oberrhein sind Investitionen in die Sicherheit und die Entwicklung der Oberrheinniederung. Durch den Polder Waldsee/Altrip/Neuhofen wird auch die Hochwassersicherheit der Gemeinden Altrip, Neuhofen und Waldsee deutlich verbessert.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage 110 der Abgeordneten Uta Schellhaaß (FDP) und Jürgen Creutzmann (FDP) namens der Landesregierung wie folgt:

Zu den Fragen 1 und 4: Die Befürchtungen der Bürgerinnen und Bürger von Altrip, Neuhofen und Waldsee im Hinblick auf den Standort der Hochwasserrückhaltemaßnahme sind unbegründet. Dies ist durch die vorliegenden Gutachten (unter Einbeziehung der Grundwassersituation sowie land- und naturschutzfachlichen Aspekten) nachgewiesen. Die Frage einer möglichen Druckwasserbelastung hat im Planfeststellungsverfahren eine besondere Rolle eingenommen und war Gegenstand zusätzlicher Gutachten, die auch vor Ort vorgestellt worden sind. Im Rahmen des Planfeststellungsbeschlusses wurde unter Berücksichtigung aller Bedenken und Anregungen eine gesamtschauliche Abwägung mit dem Ergebnis durchgeführt, dass der Standort geeignet ist. Alternativstandorte für die Hochwasserrückhaltung Waldsee/Altrip/Neuhofen wurden im Rahmen des Planfeststellungsbeschlusses geprüft und verworfen.

Katastrophale Hochwasserspitzen im Rhein, die durch große Neckarhochwasser verursacht werden, können nur durch Polderraum im Bereich der Neckarmündung gezielt reduziert werden. Allein schon deshalb ist der Standort Hördt keine Alternative, sondern befindet sich zurzeit entsprechend den Vorgaben von Landtag und Landesregierung als zusätzlicher Reserveraum für Extremhochwasser in einem offenen, moderierten Planungsprozess. Somit liegen zum jetzigen Zeitpunkt für Hördt keine Erkenntnisse über Flächengröße, Retentionsvolumen oder Projektkosten vor.

Die spezifischen Kosten der deutschen Hochwasserrückhaltungen am Oberrhein liegen je nach Lage und Randbedingungen zwischen 2 und 7,75 /m3. Die Hochwasserrückhaltung Waldsee/Altrip/Neuhofen liegt demnach mit rund 4,5 /m3 im normalen Kostenbereich.

Zu Frage 2: Die für die Planung verwendeten mathematischen Modelle prognostizieren nach allen bisherigen Erfahrungen die bei Flutung der Hochwasserrückhaltung zu erwartenden Verhältnisse zutreffend. Möglichen Ungenauigkeiten im Modell wie z. B. bei der Berücksichtigung der Untergrundverhältnisse wurde im Planfeststellungsbeschluss durch Festsetzung von Sicherheitsreserven bei den Anpassungsmaßnahmen Rechnung getragen. Deren Wirksamkeit wurde vom Prüfgutachter öffentlich bestätigt. Die Probeflutung soll zusätzlich im Interesse der Bürgerinnen und Bürger von Waldsee, Altrip und Neuhofen durchgeführt werden, um Befürchtungen auszuräumen und die Wirksamkeit der Anpassungsmaßnahmen zu bestätigen.

Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass die Ergebnisse von mathematischen Modellrechnungen grundsätzlich nur durch Naturversuche wie durch eine Probeflutung verifiziert werden können. Eine andere Möglichkeit gibt es derzeit nicht.

Zu Frage 3: Das Grundwassermodell für die Hochwasserrückhaltung Waldsee/Altrip/Neuhofen ist in das Großraummodell „Hydrogeologische Kartierung und Grundwasserbewirtschaftung im Rhein-Neckar-Raum" eingebettet und eingepasst. Dieses Großraummodell wurde gemeinsam von den Ländern Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz entwickelt. Es erfasst in etwa den Raum von Speyer bis Frankenthal und enthält alle relevanten hydrologischen Daten der letzten drei Jahrzehnte sowie die hydrogeologischen Daten. Somit ist die großräumige Grundwassersituation im Gutachten erfasst und berücksichtigt.

Die Auswirkungen auf den Bereich, in welchem der Rehbach bei Hochwasser infiltriert, sind ebenfalls untersucht worden. Es wurde zweifelsfrei nachgewiesen, dass die Hochwasserrückhaltung auf diesen Bereich keine negativen, sondern, im Gegenteil, positive Auswirkungen haben wird.

Zu Frage 5: Alle Straßen und Wege in der durch Deiche geschützten Oberrheinniederung liegen aufgrund natürlicher Gegebenheiten im überflutungsgefährdeten Bereich. Die Problematik der Fluchtwege bei einem Deichbruch in Altrip ist deshalb nicht anders zu bewerten als in jeder anderen durch Deiche geschützten Gemeinde. Die bisherige Anbindung der Ortslage Altrip durch die Kreisstraßen 12 und 13 wird durch die Deichertüchtigungsmaßnahmen, den Deichneubau im Bereich der Deichrückverlegung sowie das Rehbachschöpfwerk deutlich sicherer. Ebenso wird die Anbindung von Altrip an Neuhofen durch den befahrbaren Bermenweg des neuen Polderdeiches maßgeblich verbessert.

Die Rheinhauptdeiche und die Polderdeiche werden so berechnet und gebaut, dass sie bis zu einem 200-jährlichen Hochwasser, dem festgelegten Schutzziel, allen zu erwartenden Beanspruchungen standhalten.

Zu Frage 6: Entsprechend dem Planfeststellungsbeschluss werden die Betroffenen für Schäden, die durch die Flutung der Hochwasserrückhaltung entstanden sind, finanziell entschädigt.

Zu Frage 7: Der Standort hat sich als Ergebnis des Planfeststellungsverfahrens unter Würdigung aller Bedenken und Anregungen der Bevölkerung als geeignet erwiesen. Die am Standort vorgesehenen Rückhaltemaßnahmen verbessern nicht nur die Hochwassersicherheit der Unterlieger, sondern auch die der Menschen in Altrip, Waldsee und Neuhofen. Nach den Gutachten, die im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens überprüft wurden, und den Festlegungen im Planfeststellungsbeschluss sind Nachteile für die Bevölkerung nicht zu erwarten.