Heilbehandlung

2. Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit begangen, kann das Gericht die Unterbringung der Täterin oder des Täters in einem psychiatrischen Krankenhaus anordnen, um die Allgemeinheit vor weiteren Taten dieser Person zu schützen. Voraussetzung ist aber, dass eine Gesamtwürdigung der Person und ihrer Tat ergibt, dass von ihr infolge ihres Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und sie deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (§ 63 StGB).

Das Gericht soll die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn

­ eine Täterin oder ein Täter den Hang hat, berauschende Mittel, wie etwa Alkohol, übermäßig zu konsumieren,

­ die Tat im Rausch begangen wurde oder sie auf den beschriebenen Hang zurückgeht,

­ die Täterin oder der Täter deswegen verurteilt wird oder nur mangels feststehender Schuldfähigkeit nicht verurteilt wird und

­ die Gefahr besteht, dass sie bzw. er infolge des Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird (§ 64 S. 1 StGB).

Die Anordnung darf aber nur dann ergehen, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung zu heilen oder eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten aufgrund des Hanges abzuhalten (§ 64 S. 2 StGB).

Den Vollzug der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung in einem psychiatrischen Krankenhaus und einer Entziehungsanstalt regelt das rheinland-pfälzische Maßregelvollzugsgesetz (MVollzG). Der Maßregelvollzug soll die untergebrachten Patientinnen und Patienten gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 MVollzG durch Behandlung und Betreuung befähigen, ein in die Gemeinschaft eingegliedertes Leben zu führen und die Allgemeinheit vor weiteren rechtswidrigen Taten schützen. Die untergebrachte Patientin bzw. der untergebrachte Patient erhält eine umfassende, auf das Vollzugsziel ausgerichtete Behandlung (§ 5 Abs. 1 S. 1

MVollzG). Die Einrichtung unterstützt die untergebrachte Person zudem bei der Regelung ihrer Angelegenheiten außerhalb der Einrichtung (§ 4 Abs. 6 MVollzG). Die Unterstützung soll sich bei Bedarf auch auf Hilfen zur Bewältigung der persönlichen und familiären Belange sowie auf die Schaffung, Erhaltung und Festigung beruflicher Beziehungen erstrecken. Zur Entlassungsvorbereitung unterstützt die Einrichtung die Patienten bei der Beschaffung von Arbeit und Unterkunft sowie erforderlichenfalls durch eine Überbrückungsbeihilfe zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts (§ 14 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 MVollzG). Sie gibt sozialen Diensten, der Führungsaufsichtsstelle und dem Bewährungshelfer frühzeitig Gelegenheit, Vorbereitungen für eine Betreuung nach der Entlassung zu treffen (§ 14 Abs. 1 S. 2 MVollzG).

Das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen arbeitet derzeit an einer Novellierung des Maßregelvollzugsgesetzes, die u. a. auch dem Bedürfnis nach einer Regelung der forensischen Nachsorge Rechnung tragen soll.

3. Unterbringung nach dem Landesgesetz für psychisch kranke Personen

Das Landesgesetz für psychisch kranke Personen (PsychKG) regelt Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch kranke Personen einschließlich der freiheitsentziehenden Unterbringung (§ 1 Abs. 1 PsychKG). Psychisch krank im Sinne dieses Gesetzes sind Personen, die an einer Psychose, an einer psychischen Störung, die in ihrer Auswirkung einer Psychose gleichkommt, oder an einer mit dem Verlust der Selbstkontrolle einhergehenden Abhängigkeit von Suchtstoffen leiden (§ 1 Abs. 2 PsychKG). Sind gewichtige Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass eine Person psychisch krank ist und die öffentliche Sicherheit oder Ordnung zu gefährden droht, soll der Sozialpsychiatrische Dienst einen Hausbesuch durchführen oder die betroffene Person auffordern, beim Sozialpsychiatrischen Dienst zu einer Beratung oder ärztlichen Untersuchung zu erscheinen (§ 8 Abs. 1 S. 1 PsychKG). Die Bediensteten des Sozialpsychiatrischen Dienstes haben das Recht, die Wohnung, in der die betroffene Person lebt, zu betreten, wenn gewichtige Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass dies aufgrund der psychischen Erkrankung erforderlich ist zur Abwehr einer Lebensgefahr für einzelne Personen oder zur Verhütung einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (§ 8 Abs. 2 PsychKG). Wenn zu befürchten ist, dass eine psychisch kranke Person die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch ihre Erkrankung gefährdet, so gibt er ihr auf, sich in ambulante oder stationäre psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung zu begeben oder andere geeignete Maßnahmen zur Abwendung der Gefahr zu ergreifen (§ 9 Abs. 1 S. 1 PsychKG).

Der Sozialpsychiatrische Dienst unterrichtet die für die Einleitung und Durchführung des Unterbringungsverfahrens zuständige Behörde über die von ihm getroffenen Feststellungen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung vorliegen (§ 9 Abs. 2 PsychKG). Psychisch kranke Personen können gegen ihren Willen oder im Zustand der Willenlosigkeit untergebracht werden, wenn sie durch ihr krankheitsbedingtes Verhalten ihr Leben, ihre Gesundheit oder besonders bedeutende Rechtsgüter anderer gegenwärtig in erheblichem Maße gefährden und diese Gefahr nicht anders abgewendet werden kann (§ 11 Abs. 1 S. 1 PsychKG). Die Unterbringung erfolgt in psychiatrischen Krankenhäusern, psychiatrischen Fachabteilungen sonstiger Krankenhäuser, psychiatrischen Hochschulkliniken und anderen für psychisch kranke Personen geeigneten Einrichtungen, die vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen als geeignet anerkannt sind (§ 12 Abs. 1 S. 1 PsychKG). Die Einrichtungen sind gegen Entweichen der untergebrachten Personen zu sichern, sollen aber auch für eine offene Unterbringung geeignet sein, und müssen so ausgestattet sein, dass die Wiedereingliederung der untergebrachten Personen gefördert wird (§ 12 Abs. 3 und Abs. 4 S. 1 PsychKG). Damit leisten die Einrichtungen einen erheblichen Beitrag zum präventiven Opferschutz.

Um eine psychisch kranke Person vom Führen eines Kfz zum Schutz der Allgemeinheit und ihrem eigenen Schutz abzuhalten, sieht das PsychKG eine Mitteilung an die für die Entziehung der Fahrerlaubnis zuständige Verwaltungsbehörde vor (§ 33 PsychKG).

V. Die Ansprüche des Opfers nach dem Opferentschädigungsgesetz

Selbst größte Anstrengungen zur Kriminalitätsverhütung werden nicht verhindern können, dass Menschen durch Straftaten zu Schaden kommen. Umso wichtiger ist es, dem Opfer so rasch und so umfassend wie möglich zu helfen. Einen wesentlichen Beitrag hierzu leistet das Opferentschädigungsgesetz (OEG). Es gewährt unabhängig von einer strafrechtlichen Verurteilung bei gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen Heilbehandlungs-, Renten- und Fürsorgeleistungen gemäß den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes.

1. Anspruchsvoraussetzungen

Nach § 1 Abs. 1 OEG ist Voraussetzung für einen Anspruch auf Versorgung, dass das Opfer

­ durch einen vorsätzlich begangenen rechtswidrigen tätlichen Angriff gegen seine oder eine andere Person oder bei der rechtmäßigen Abwehr eines solchen Angriffs

­ im Inland, auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug

­ eine gesundheitliche Schädigung erlitten und

­ einen Antrag auf Leistungen gestellt hat.

Der vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriff muss nachgewiesen werden. Zwar bedarf es für den Nachweis keiner Verurteilung der Täterin bzw. des Täters in einem Strafverfahren, weil die Beurteilung des Sachverhalts durch die Versorgungsverwaltung unabhängig ist von der Bewertung durch die Strafgerichtsbarkeit. Allerdings reicht eine solche Verurteilung in aller Regel als Nachweis aus. Die Beweislage ist naturgemäß schwieriger, wenn kein Strafverfahren durchgeführt wurde. In diesen Fällen wird das zuständige Amt für soziale Angelegenheiten im Rahmen der Amtsermittlung und der gesetzlich zulässigen Möglichkeiten (§§ 20 bis 23 SGB X) versuchen, den Nachweis auf andere Weise durch Zeugenvernehmungen, Sachverständigengutachten oder die Auswertung von Unterlagen anderer Behörden zu führen.

Gelingt der Nachweis auch mit diesen Beweismitteln nicht, bleibt als letzte Möglichkeit, die Angaben der Antragstellerin bzw. des Antragstellers der Entscheidung zugrunde zu legen (§ 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren in der Kriegsopferversorgung).

Dies setzt allerdings voraus, dass die Angaben, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, den Umständen des Falles nach glaubhaft erscheinen. Zur Beurteilung dieser Frage kann in Ausnahmefällen auch ein Glaubhaftigkeitsgutachten eingeholt werden. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 30. Juli 1999 ­ 1 StR 618/98 ­ sind an die Verwertbarkeit eines solchen Gutachtens aber außergewöhnlich hohe Anforderungen anzulegen. Auf eine kurze Formel gebracht ist es nämlich vielfach so, dass die Antragstellerinnen bzw. Antragsteller keine detaillierten Aussagen zum schädigenden Ereignis machen können. Ohne solche Angaben können aber auch Sachverständige im Rahmen eines Glaubhaftigkeitsgutachtens keine zuverlässige Aussage zum Wahrheitsgehalt der Angaben hinsichtlich des behaupteten schädigenden Ereignisses treffen.

Die grundsätzlich bestehende Möglichkeit einer Versicherung an Eides statt ist in aller Regel für den Schädigungsnachweis ungeeignet.

Einem tätlichen Angriff steht die zumindest fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben einer anderen Person durch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen (wie etwa eine vorsätzliche Brandstiftung) sowie die vorsätzliche Beibringung von Gift gleich (§ 1 Abs. 2 OEG). Bei fahrlässigen oder im Ausland begangenen Straftaten sieht das Opferentschädigungsgesetz keine Ansprüche vor.

Einer Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG stehen die Beschädigung von am Körper getragenen Hilfsmitteln, einer Brille, von Kontaktlinsen oder von Zahnersatz (§ 1 Abs. 10 OEG) sowie durch bestimmte Unfälle herbeigeführte Schäden (§ 1 Abs. 3 und 9

OEG) gleich.

Auch ausländische Geschädigte haben unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen (§ 1 Abs. 4 bis 7 OEG). Die Hinterbliebenen von Geschädigten können auf Antrag ebenfalls eine Versorgung nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes erhalten (§ 1 Abs. 8 S. 1 OEG). Zudem sieht das Gesetz eine Regelung zu Leistungen für Partnerinnen und Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft vor, sofern eine oder einer von ihnen an den Folgen der Schädigung verstorben ist und die oder der andere unter Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit die Betreuung eines gemeinsamen Kindes ausübt (§ 1 Abs. 8 S. 3 OEG).

Das Opferentschädigungsgesetz findet indes keine Anwendung auf Schäden aus einem tätlichen Angriff, die von der angreifenden Person durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeuges oder eines Anhängers verursacht worden sind (§ 1 Abs. 11 OEG). In diesen Fällen können Opfer allerdings einen Antrag an den Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen bzw. Auslandsunfällen bei dem Verein Verkehrsopferhilfe e. V. (www.verkehrsopferhilfe.de), der auch als Entschädigungsstelle für Auslandsunfälle fungiert, richten. Daneben enthält das Opferentschädigungsgesetz verschiedene Versagungsgründe. So werden keine Leistungen gewährt, wenn die oder der Verletzte die Schädigung selbst verursacht hat oder es aus sonstigen Gründen unbillig wäre, eine Entschädigung zu gewähren (§ 2 Abs. 1 OEG). Leistungen können ferner versagt werden, wenn die oder der Geschädigte es unterlassen hat, das ihr bzw. ihm Mögliche zur Aufklärung des Sachverhaltes und zur Verfolgung der Täterin oder des Täters beizutragen, insbesondere unverzüglich Strafanzeige zu erstatten (§ 2 Abs. 2 OEG).

2. Leistungen

Das Opferentschädigungsgesetz stellt die Rehabilitation des Opfers in den Vordergrund. Es verfolgt das Ziel, durch entsprechende Heilbehandlungsmaßnahmen (z. B. psychotherapeutische Behandlung) die Folgen einer Gewalttat möglichst zu beseitigen oder zumindest zu mildern. Ist eine vollständige Beseitigung der Folgen einer Gewalttat nicht möglich, sieht das Opferentschädigungsgesetz unter bestimmten Voraussetzungen auch die Zahlung einer Rente vor.

Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz werden dem Umfang und der Höhe nach in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes gewährt. Das Gesetz regelt auch, inwiefern der dem Opfer gegen Dritte bestehende gesetzliche Schadensersatzanspruch auf das zur Leistungsgewährung verpflichtete Land übergeht (§ 5 Abs. 1 OEG i. V. m. § 81 a Bundesversorgungsgesetz). Zu den Einzelheiten der Umsetzung des Opferentschädigungsgesetzes in Rheinland-Pfalz und der Information der Opfer wird auf die Ausführungen unter Abschnitt D, II. 18.1 Bezug genommen.

3. Ausblick Gesetze müssen ständig gewandelten gesellschaftlichen Anforderungen angepasst werden. Dies gilt auch für das Opferentschädigungsgesetz. So haben beispielsweise die entsetzlichen Geschehnisse in Mölln und Hünxe die Einbeziehung ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger in den Anwendungsbereich des Opferentschädigungsgesetzes zur Folge gehabt. Gegenwärtig steht das Opferentschädigungsgesetz erneut auf dem gesetzgeberischen Prüfstand. Inhaltlich geht es darum, Ansprüche und Leistungen für Personen, die im Ausland Opfer einer Gewalttat geworden sind, in das Opferentschädigungsgesetz zu implementieren.

Außerhalb des Anwendungsbereichs des Opferentschädigungsgesetzes kann den Opfern von Straftaten in Rheinland-Pfalz bereits derzeit ergänzende Unterstützung durch die Stiftung Rheinland-Pfalz für Opferschutz gewährt werden (vgl. hierzu Abschnitt D,

II. 18.2).

4. Exkurs: Europäische Regelungen zur Opferentschädigung

Europäisches Übereinkommen über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten vom 24. November 1983

Das Übereinkommen bezweckt die Gewährleistung von Mindeststandards bei der Entschädigung von Opfern vorsätzlicher Gewalttaten in den Staaten des Europarats. Die unterzeichnenden Staaten verpflichten sich, zur Entschädigung bestimmter durch Gewalttaten geschädigter Personen beizutragen, soweit eine Entschädigung anderweitig nicht in vollem Umfang zu erlangen ist. Es betrifft Opfer, die eine unmittelbar auf eine vorsätzliche Gewalttat zurückzuführende schwere Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten haben, sowie die unterhaltsberechtigten Hinterbliebenen der infolge einer solchen Tat Verstorbenen.

Die nach dem Übereinkommen zu leistende Entschädigung umfasst zumindest die Heilbehandlungs-, Krankenhaus- bzw. Bestattungskosten sowie den Verdienstausfall bzw. bei Unterhaltsberechtigten den Ausfall von Unterhalt. Verpflichtet wird der Staat, in dessen Hoheitsgebiet die Tat begangen worden ist. Das Übereinkommen gestattet die Kürzung oder Versagung von Entschädigungsleistungen aus näher bestimmten Gründen, etwa wenn das Opfer selbst einer Organisation angehört, die Gewalttaten begeht.