Wohlfahrt

Landtag des Saarlandes - 12. Wahlperiode - 169 resabschlüsse der Projektförderung im Landeshaushalt zum Teil stagnieren oder gar zurückgehen. Hier sollte es Ziel der Politik sein, diese Entwicklung wieder umzukehren.

Jugendsozialarbeit (JSA) Jugendsozialarbeit ist eine im SGB VIII verankerte zentrale Aufgabe der Jugendhilfe. Sie ist eine sozialpädagogische Leistungsaufgabe, die auf einem ganzheitlichen Konzept basiert und Anwaltsfunktion für die Betroffenen übernimmt.

Jugendsozialarbeit unterstützt und fördert junge Menschen, die sozial benachteiligt und individuell beeinträchtigt sind unter Einbeziehung der Familie. Sie gibt Hilfen zur schulischen und beruflichen Bildung, zur Eingliederung in die Arbeitswelt und in die Gesellschaft. „Jugendsozialarbeit ist die auf Umwelt, Schule, Ausbildung und Beruf bezogene sozialpädagogische Hilfe und Unterstützung junger Menschen. Ihre Handlungsfelder umfassen Schulsozialarbeit, Berufsausbildung, Berufsvorbereitung, Qualifizierungs- und Beschäftigungsprojekte, Jugendwohnen, mädchen- und jungenspezifische Ansätze, Migrationshilfen für junge AussiedlerInnen und AusländerInnen, aufsuchende Jugend- und Jugendsozialarbeit und berufsbezogene internationale Austauschmaßnahmen" (Fülbier/Münchmeier 2001, S.218). Jugendsozialarbeit wird angesichts der gesellschaftlichen Umstände und Herausforderungen kontinuierlich erforderlich sein. Deshalb muss auf fachlicher und politischer Ebene dafür Sorge getragen werden, dass ihre notwendigen Leistungen und Angebote ausreichend und hinreichend gesichert sind. „Weiter muss JSA sich mit anderen gesellschaftlichen Teilbereichen so verbinden, das ihre Angebote und Leistungen... synergetisch wirksam werden können" (Fülbier/Münchmeier 2001, S.234). Dies ist eine wichtige Forderung, insbesondere hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendhilfe.

Situation der Jugendsozialarbeit im Saarland Jugendsozialarbeit ist im Saarland insbesondere in der schulbezogenen Jugendsozialarbeit, im Übergang von der Schule in den Beruf, in der Berufsvorbereitung, in Ausbildung, Beruf und Weiterbildung mit ihren Diensten und Maßnahmen tätig.

Das Saarland hat mit dem 2. Ausführungsgesetz zum KJHG, dem „Gesetz Nr. 1339 zur Förderung der Kinder- und Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes" (Amtsblatt des Saarlandes vom 8.9.1994) schon 1994 die Voraussetzung geschaffen, für eine arbeitsteilige Verantwortung. Dabei soll das Land als der überörtliche Träger der Jugendhilfe die Jugendsozialarbeit anregen und angemessen fördern. Darüber hinaus soll es auf einen gleichmäßigen Ausbau der Einrichtungen und Angebote der Jugendsozialarbeit hinwirken und die örtlichen Träger unterstützen. Damit leistet das Land „Geburtshilfe" für lokale Jugendsozialarbeit. Die letztendliche Verantwortung liegt bei den Landkreisen und den Kommunen vor Ort.

Außer im Bereich der Schulsozialarbeit existiert kein Verzeichnis über die Maßnahmen in den einzelnen Arbeitsfeldern der Jugendsozialarbeit. Dieses sollte umgehend in Auftrag gegeben werden. Es hätte nicht nur praktischen Nutzen, sondern wäre auch unabdingbar für notwendige Evaluationen. Dies gilt auch für den Bereich der Jugendberufshilfe. Die Forderung des 1. Kinder- und Jugendberichtes des Saarlandes nach einer systematischen Erfassung aller Projekte wird von der jetzigen Kommission wiederholt.

Im 1. Kinder- und Jugendbericht wurde die „Jugendberufshilfe" mit ihren Zielgruppen, Maßnahmen, Arbeitsweisen und Kooperationspartnern (1. Kinder- und Jugendbericht für das Saarland 1997, S.165ff.) ausführlich behandelt, so dass wir hier nicht mehr näher darauf eingehen.

Schulsozialarbeit „Schulsozialarbeit ist präventive Jugendhilfe zur Förderung von Kindern im schulpflichtigen Alter. Als aufsuchende Jugendhilfe begibt sie sich ähnlich wie Streetwork und sozialpädagogische Familienhilfe in das Lebensfeld der jungen Menschen, das heißt in die Schule als den Ort, wo Kinder einen großen Teil ihrer Zeit verbringen, wo wesentliche Entscheidungen über ihre Zukunftschancen fallen und wo Probleme von Kindern frühzeitig sichtbar werden" (Miehle-Fregin/Domon 1996, S.5). Schulsozialarbeit ist also zu verstehen „als ganzheitliche, lebensweltbezogene und lebenslagenorientierte Förderung und Hilfe für Schülerinnen und Schüler mit dem Instrumentarium der Jugendhilfe" (a.a.O., S.4). Es besteht heute dringender denn je die Notwendigkeit, dass Schule und Jugendsozialarbeit enger kooperieren müssen.

Die Landesarbeitsgemeinschaft Schulsozialarbeit und die Arbeitskammer des Saarlandes haben den Stand der Schulsozialarbeit dokumentiert. Danach weist das Saarland im Vergleich mit anderen Bundesländern einen erheblichen Rückstand in der Verbreitung von Schulsozialarbeit auf. Im Saarland existiert (Stand 2000):

- Schulsozialarbeit an Grundschulen (5 Einrichtungen),

- Schulsozialarbeit an Gesamtschulen und Erweiterten Realschulen (6 Einrichtungen),

- Therapeutische SchülerInnengruppen (7 Einrichtungen),

- Gemeinwesenorientierte Schulsozialarbeit (3 Einrichtungen).

In einer zusammenfassenden Bewertung schreibt die LAG Schulsozialarbeit: Fast allen Einrichtungen „gemeinsam ist die niedrigschwellige, unmittelbare Erreichbarkeit einer präventiven Jugendhilfe auf dem Hintergrund einer Kooperation mit und in der Schule. Das heißt, die Jugendhilfe ist in den Räumen der Schule untergebracht. (...) Auffällig ist, dass speziell im Grundschulbereich, alle Einrichtungen in hohem Maße mit Betreuungsaufgaben versehen sind. Dem kritischen Beobachter wird sich schnell die Frage stellen: Ist das Schulsozialarbeit?" (LAG Schulsozialarbeit o.J., S.5). Vergleicht man den Anspruch des §13 SGB VIII mit den Erfahrungen der Landesarbeitsgemeinschaft Schulsozialarbeit im Grundschulbereich, so sind die dargestellten Arbeitsansätze zwar wichtig, aber nicht ausreichend.

Erst mit der Schulsozialarbeit an Gesamtschulen und Erweiterten Realschulen tritt der Aspekt der „sozialen Integration" mehr in den Vordergrund. Nach Meinung der LAG Schulsozialarbeit wird mit den unterschiedlichen Einrichtungen und Projekten der Versuch unternommen, „frühzeitig Hilfe und Hilfestellung zu erteilen, um verbesserte Bildungschancen in einer Einheit von schulischem und sozialem Lernen zu gewährleisten" (a.a.O.). Kennzeichnend für die derzeitige Situation im Saarland ist, dass vieles auf Grund von Defiziten geschieht, dass sozusagen aus der Not eine Tugend gemacht und sehr wenig systematisch die Entwicklung und Pflege von Kooperationen betrieben wird. Es verfestigt sich der Eindruck, dass die schul- und jugendpolitischen Perspektiven von Kooperationen erst noch verbreitet und ihre Notwendigkeit bewusst gemacht werden müssen.

Mädchensozialarbeit / geschlechtsbewusste Pädagogik

Trotz aller pädagogischen, psychologischen und soziologischen Erkenntnisse wurden die Ergebnisse der Geschlechterforschung bis heute nicht institutionalisiert. Obwohl die Notwendigkeit einer geschlechtsbewussten Arbeit mit Mädchen und jungen Frauen offiziell kaum mehr bestritten wird, stellen wir fest, dass die Umsetzung einer emanzipatorischen, parteilichen Arbeit mit Mädchen schwerpunktmäßig nach wie vor nur von dem persönlichen Einsatz von engagierten (weiblichen) Fachkräften der Praxis abhängt; Dies gilt insbesondere für die Umsetzung und pädagogische Ausgestaltung von Mädchengruppen. Die Träger wollen dabei die Mädchen von dem traditionellen Rollenverständnis ausgehend gewinnen und ihnen die Möglichkeit geben, ihre Eigeninitiative und Selbständigkeit zu entwickeln. Viele Fachfrauen halten es für notwendig, eine Mädchensozialarbeit profilgebender auf der Grundlage der Gender­Forschungen durchzuführen.

Die im Saarland in den Projekten und Einrichtungen gemachten Erfahrungen aus der Praxis zeigen aber Folgendes:

- Die Mehrzahl der Projekte und Maßnahmen berücksichtigt in der praktischen Arbeit keine geschlechtsbewussten, reflektierten Ansätze.

- Die Lebenssituation von Migrantinnen wird selten analysiert und berücksichtigt.

- Das Zahlenverhältnis von jungen Frauen und jungen Männern in den verschiedenen Maßnahmebereichen der Jugendberufshilfe entspricht der geschlechtsspezifischen gesellschaftlichen Rollenverteilung insgesamt.

- Mädchen sind in den IT-Bereichen sowohl in der Jugendberufshilfe als auch in anderen Bereichen der Jugendsozialarbeit weniger vertreten.

- Emanzipatorische und parteiliche Ansätze finden sich überwiegend in zeitlich befristeten Maßnahmen, die finanziell nicht langfristig abgesichert sind.

Im Saarland geschieht Mädchensozialarbeit als Jugendsozialarbeit nach Darstellung des Landesjugendamtes insbesondere als therapeutische SchülerInnenhilfe, als Arbeit in Gemeinwesenprojekten und klassischen Jugendberufshilfemaßnahmen, im Mädchenatelier und in Beratungsstellen.

Der Schwerpunkt liegt dabei vor allem in der Gemeinwesenarbeit der Wohlfahrtsverbände.

Dort werden feste Angebote für Mädchen unterschiedlichen Alters entwickelt, und diese sind es auch, die modellhaft Maßnahmen umsetzen. Als Beispiele sind zu nennen „Mädchen und Arbeit mit dem Computer", „Mädchen online - ein Internet- und Computerprojekt", die sozialpädagogische und berufsorientierte Förderung von Migrantinnen, Selbstbehauptungskurse in Verbindung mit Gruppen- und Elternarbeit sowie Maßnahmen und Kurse für schwangere junge Mütter. Darüber hinaus werden kurzfristige Maßnahmen durchgeführt, wie Ferienprogramme, Selbstbehauptungskurse, Veranstaltungen zur Erweiterung der handwerklichen und technischen Fertigkeiten, Mädchenwochen und Foto- und Videoprojekte. Daneben finden regelmäßig Mädchengruppen statt, deren Merkmale die Methodenvielfalt, die Regelmäßigkeit und Kontinuität der Bezugspersonen sind. Inhaltliche Themen sind Lebens- und Berufsplanung, Sexualität, Körpererfahrung, Freizeitgestaltung, Mädchen im IT­Bereich. Insgesamt lässt sich sagen, was insbesondere die PC- und Internetangebote gezeigt haben, dass für die Mädchen der vertraute Ort, die Bezugspersonen und die Regelmäßigkeit sehr wichtig sind.

Aus diesem Grund ist die Qualifizierung von Informatik- und Computerfachkräften in sozialpädagogischer Methodik, bzw. die Qualifizierung von sozialpädagogischen Fachkräften im Umgang mit PC und Internet von besonderer Dringlichkeit. Das gilt grundsätzlich für viele Projektmitarbeiterinnen, die ohne entsprechende fachliche Schulung überfordert sind, wenn z. B. durch massives auffälliges Verhalten von Mädchen Störungen auftreten. Besonders dringlich sind Angebote für junge Frauen mit Kindern. Für diese Zielgruppe müssten verstärkt Projekte ausgerichtet werden.