Sicherheitskonzept für Demonstrationen

Vorbemerkung der Fragestellerin: „Am 24.07.2006 fand in Saarbrücken eine Demonstration, veranstaltet von Albatoul, mit dem Titel Freiheit für den Libanon statt. Im Zusammenhang mit dieser Veranstaltung kam es zu Auseinandersetzungen zwischen circa 30 Demonstranten und vier Demonstrationsgegnern. Die anwesenden Einsatzkräfte konnten nicht verhindern, dass die Demonstrationsgegner verletzt wurden. Diese wurden von den Sicherheitskräften sogar aufgefordert zu flüchten, da sie sie nicht aktiv schützen könnten."

Vorbemerkung der Landesregierung:

Die Vollzugspolizei hat sich sorgfältig auf den Demonstrationseinsatz vorbereitet, dazu die verfassungsrechtlich gebotenen Kooperationsgespräche durchgeführt und im Verlauf des Demonstrationseinsatzes auf eine nicht absehbare Lageentwicklung mit den Maßnahmen reagiert, die fachlich erforderlich und möglich sowie rechtlich zulässig waren.

Der hohe Stellenwert der Meinungs- und Versammlungsfreiheit verpflichtet die Rechtsanwendungsorgane zu einer versammlungsfreundlichen und bürgerorientierten Verfahrensgestaltung. Ziel staatlichen Handelns ist, durch Kooperation mit Veranstaltern und Teilnehmern, Differenzierung zwischen friedlichen Teilnehmern und Gewalttätern sowie dem Bemühen um Deeskalation in gewaltgeneigten Situationen die größtmögliche Wahrnehmung der Grund- und Menschenrechte zu gewährleisten.

Einschränkende Maßnahmen von Versammlungsbehörden und Vollzugspolizei können sich nur auf Tatsachen gründen, die im jeweiligen Einzelfall bekannt und zu bewerten sind.

In dem der Anfrage zugrunde liegenden Sachverhalt ergaben sich weder aufgrund der Anmeldung der Versammlung durch den Verein Albatoul e.V. oder den Erfahrungen mit einer Demonstration des gleichen Vereins Anfang des Jahres 2006, noch aufgrund einer anlassbezogen erstellten Gefährdungslagebewertung des Landeskriminalamtes Hinweise auf eine konkret zu erwartende Störung der Versammlung. An dieser Erkenntnislage orientierten sich die Auflagen der Versammlungsbehörde und die vollzugspolizeiliche Einsatzplanung.

Die angemeldete Versammlung fand am 24.07.2006 in Saarbrücken statt. Als der Aufzug gegen 17:58 Uhr den Einmündungsbereich Bahnhofstraße ­ Rotenhofstraße erreichte, zeigten dort 4 Personen israelische Flaggen und skandierten „Hoch lebe Israel". Eine Intervention der begleitenden Polizeibeamten wegen der deswegen zu erwartenden Provokation von Versammlungsteilnehmern blieb ohne Erfolg, da sich die 4 Personen auf ihre Meinungsfreiheit beriefen. Trotz Schutzmaßnahmen der Polizei kam es in der Folge zu so im Vorfeld nicht absehbaren Handgreiflichkeiten zwischen ca. 20 Versammlungsteilnehmern und den 4 Personen, welche sich dann der Auseinandersetzung durch Flucht entzogen. Eine Verfolgung durch Versammlungsteilnehmer und weitere Eskalation konnte durch die polizeilichen Maßnahmen verhindert werden. Zu Verletzungen der 4 Personen oder von Versammlungsteilnehmern kam es ­ soweit bekannt ­ nicht.

Wie viele Beamte waren zur Begleitung der Demonstration abgestellt?

Zu Frage 1: Die Demonstration wurde von 11 Beamten des Polizeibezirks Saarbrücken-Stadt begleitet. Ferner standen vorstrukturierte Aufrufeinheiten des Wach- und Wechseldienstes der Landespolizeidirektion (Sondereinsatzeinheiten) auf Abruf bereit, die jedoch aufgrund der weiteren Lageentwicklung nicht eingesetzt werden mussten.

Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung hingewiesen.

Waren Beamte anwesend, die fremdsprachige Sprechchöre und Transparente übersetzen konnten?

Zu Frage 2: Nach der polizeilichen Lagebewertung war der Einsatz von Beamten mit spezifischen Fremdsprachenkenntnissen nicht erforderlich. Während des Demonstrationseinsatzes wurden ausschließlich Transparente in deutscher Sprache von den polizeilichen Einsatzkräften festgestellt. Die Transparente waren mit folgenden Aufschriften versehen: „Stoppt das Töten ­ Stoppt den Krieg ­ lasst die Kinder in Frieden leben" und „13. Kriegstag ­ über 150 Kinder sind schon tot".

Ist die Demonstration unter Auflagen genehmigt worden? Wenn ja, unter welchen?

Zu Frage 3: Die Demonstration war entsprechend den Vorschriften des Versammlungsgesetzes angemeldet. Die zuständige Versammlungsbehörde bei der Landeshauptstadt Saarbrücken hatte folgende Auflagen erteilt:

· „Eine Behinderung des fließenden Verkehrs, über das durch die Demonstration bedingte Maß hinaus ist zu vermeiden. Soweit es die Leichtigkeit des Verkehrs erfordert, haben die Versammlungsteilnehmer die äußerste rechte Fahrbahn zu benutzen. Den Weisungen der Polizeibeamten ist Folge zu leisten.

· Transparente, Plakate und Flugblätter, deren Inhalt gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstößt, dürfen weder mitgeführt noch verteilt werden.

· Für je 40 Versammlungsteilnehmer darf nur ein Ordner eingesetzt werden. Die Ordner müssen volljährig sein und ausschließlich durch weiße Armbinden, die nur die Bezeichnung Ordner tragen dürfen, zu kennzeichnen.

· Die verantwortliche Leiterin des Aufzuges /der Versammlung, Frau (...) hat sich vor Beginn des Aufzugs dem Einsatzleiter der Polizei erkennen zu geben und muss während der Demonstration anwesend sein."

Aus einer richterlichen Entscheidung ist bekannt geworden, dass aus der Versammlung heraus „Tod den Juden" gerufen wurde. Wie viele Personen haben dies getan und wie wurde dagegen vorgegangen?

Zu Frage 4: Strafrechtliche Ermittlungen richten sich derzeit gegen unbekannte Personen, da diese Rufe bislang keiner konkreten Person zugeordnet werden konnten.

Wird gegen die gewalttätigen Demonstranten ermittelt?

Zu Frage 5: Bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken wird in dem hier gegenständlichen Zusammenhang ein Ermittlungsverfahren gegen eine Person unter den Gesichtspunkten eines Verstoßes gegen das Waffengesetz sowie der versuchten Nötigung geführt. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen.

Wird gegen die Demonstrationsgegner ermittelt?

Zu Frage 6: Wegen des in der Vorbemerkung der Landesregierung beschriebenen Sachverhalts werden Ermittlungen gegen 4 Personen wegen des Verdachts der Provokation von Demonstrationsteilnehmern unter dem Gesichtspunkt des § 21 des Versammlungsgesetzes („Störung von Versammlungen") geführt. Ein in diesem Zusammenhang durch das Amtsgericht Saarbrücken ergangener Durchsuchungsbeschluss wurde auf Beschwerde der Verteidigung zwischenzeitlich durch das Landgericht Saabrücken aufgehoben. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Welche Aktivitäten unternimmt die Regierung des Saarlandes, um künftig solche Vorfälle zu verhindern?

Zu Frage 7: Bei dem Vorfall handelt es sich nach Auffassung der Landesregierung um ein nicht vorhersehbares Ereignis, welches die grundlegenden Prinzipien auch des zukünftigen Umgangs mit Versammlungen und Aufzügen, wie sie in den Vorbemerkungen der Landesregierung einleitend dargestellt sind, nicht in Frage stellt.

Wie sieht grundsätzlich das Sicherheitskonzept der saarländischen Polizei mit Fremdsprachen und fremden Schriftzeichen bei Demonstrationen aus?

Zu Frage 8: In Erfüllung des verfassungs- und gesetzmäßigen Schutzauftrages basieren Maßnahmen der Vollzugspolizei zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Versammlungslagen grundsätzlich auf bundesweit abgestimmten Polizeidienstvorschriften, welche insbesondere Einsatzerfahrungen und die Fortentwicklung von Recht und Gesetz berücksichtigen. Darüber hinaus ist das polizeiliche Handeln durch die Bewertung der Erkenntnislage im konkreten Einzelfall bestimmt. Im Ergebnis kann nicht grundsätzlich, sondern ­ wie in der Vorbemerkung der Landesregierung bereits darauf hingewiesen wurde - nur lageangepasst entschieden werden, ob für den Umgang mit Fremdsprachen und fremden Schriftzeichen bei Versammlungslagen besondere Maßnahmen erforderlich und geeignet sind. Sollten im Vorfeld von ordnungsgemäß angemeldeten Demonstrationen diesbezügliche Erkenntnisse vorliegen, werden entsprechende Maßnahmen veranlasst.