Personalienfeststellung

Mit welcher Begründung wurde bei der Personalienfeststellung gleichzeitig darauf geachtet, wer sich in welchen Räumen aufhielt?

2. a) Auf welcher Rechtsgrundlage wurde das gesamte Hinterhaus mit allen dort ansässigen Vereinen und Institutionen durchsucht, obwohl der Durchsuchungsbefehl auf N.-K. lautete und dieser deutsch-kurdische Kulturverein nur einen Teil der oben genannten Räumlichkeiten zur Verfügung hat?

b) Seit wann ist es üblich, Räumlichkeiten von im Durchsuchungsbefehl nicht näher bezeichneten Vereinen und Institutionen zu durchsuchen?

3. a) Was macht die Polizei mit den personenbezogenen Daten?

b) Werden diese Daten weitergegeben und an wen?

c) Wo und wie lange werden diese Daten aufgehoben?

d) Werden diese Personendaten dazu benutzt, um Herrn Senator Heckelmanns Aussage, in Berlin gäbe es ca. 800

Mitglieder der Partei Kommunistisches Kurdistan (PKK), zu untermauern?

4. Warum wurde die Personenkontrolle derart schleppend vollzogen, so dass sie erst nach mehreren Stunden beendet wurde?

5. a) Welche Polizeieinheiten führten die Durchsuchung und die Personenkontrolle durch?

b) Warum trugen Polizisten, von den zu friedlichen Zwecken Versammelten als erhebliche Provokation empfunden, Panzerwesten?

c) War die Sondereinheit „Ermittlungsgruppe Spendengelderpressung" ebenfalls bei der Durchsuchung beteiligt, und wenn ja, warum?

6. a) Ist es richtig, dass zwei Personen wegen Waffenbesitzes festgenommen worden sind?

b) Gehören diese einer türkischen faschistischen Partei (MHP) an, und welche Verfahren sind gegen sie eingeleitet worden?

c) Wie viele Personen sind darüber hinaus festgenommen worden, und welche Verfahren sind eingeleitet worden?

7. Wann (Uhrzeit, Tag) ist die Presse von dem Vorhaben der Hausdurchsuchung informiert worden?

8. Woher haben rechte türkische Kräfte über das Vorhaben Bescheid gewußt?

Berlin, den 20. Oktober 1995

Eingegangen am 26. Oktober 1995

Antwort (Schlußbericht) auf die Kleine Anfrage Nr. 7186

Im Namen des Senats von Berlin beantworten wir Ihre Kleine Anfrage wie folgt:

Vorbemerkung:

Am 14. Oktober 1995 wurde das kurdische Kulturzentrum, Zossener Straße 41, Berlin-Kreuzberg, auf Grund eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz durchsucht. Eine „Besetzung" fand nicht statt.

Zu 1. a): Bei der Feststellung der Personalien handelte es sich um einen doppelfunktionalen Eingriff. Die Personalien der Anwesenden wurden zum einen auf Grund des § 163 b Abs. 2 der Strafprozeßordnung (StPO) und zum anderen auf Grund von § 21 Abs. 2 Nr. 1 des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (ASOG) festgestellt.

Bei der Vollstreckung des Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Tiergarten war eine Personalienfeststellung aus strafprozessualer Sicht nach § 163 b StPO in dem Maße erforderlich, wie sie zur Namhaftmachung des bislang unbekannten Verteilers der verfahrensgegenständlichen Plakate innerhalb des Gebäudes Zossener Straße 41 (Hinterhaus) diente.

Zu 1. b): Aus Beweissicherungsgründen wurde zunächst festgehalten, welche Personen sich in welchem Raum aufhielten, um gegebenenfalls nach erfolgter Durchsuchung aufgefundene Beweismittel entsprechend zuordnen zu können.

Zu 2. a) und 2. b):

Der Durchsuchungsbeschluß des Amtsgerichts Tiergarten war auf die Vorschriften der §§ 103, 105 StPO gestützt. In diesem Beschluß war als Durchsuchungsort ausdrücklich das gesamte Hinterhaus des Gebäudes Zossener Straße 41 bezeichnet. Als Rechtsträger war die Vereinigung „Nawca-Kurd" angegeben; hilfsweise wurde als Hauptmieter der Verein „Botan e. V." bezeichnet.

Grundlage für diese Abfassung des Beschlusses waren Erkenntnisse, dass eine organisatorische und räumliche Trennung von Vereinen und Institutionen in dem durchsuchten Gebäude nicht bestand, sondern dass die Einrichtung „Nawca-Kurd" als Dachverband für das Gebäude und die dort tätigen Personen auftritt und die am Gebäude angebrachten Hinweise auf diverse Vereine und Institutionen überwiegend fiktiven Charakters sind; das bedeutet, die dort angegebenen Vereine sind weder existent noch in Gründung befindlich. Entsprechende Auskünfte der jeweiligen Vereinsregister wurden in vorangegangenen Verfahren eingeholt und ausgewertet. Zudem war aus weiteren vorangegangenen Verfahren bekannt, dass die von dem vorbezeichneten Gebäude ausgehenden Aktionen in der Vergangenheit gebäudeübergreifend geplant und durchgeführt wurden; z. B. erfolgten die Herstellung und Verteilung von Druckerzeugnissen sowie „Einsatzbesprechungen" in unterschiedlichen Teilen des Gebäudes.

Zu 3. a): Die personenbezogenen Daten, die nach Durchsuchungsende für das Verfahren oder andere neu einzuleitende Ermittlungsverfahren nicht mehr von Bedeutung waren, wurden vernichtet.

Zu 3. b): Personenbezogene Daten wurden nicht an Dritte weitergegeben.

Zu 3. c): Entfällt.

Zu 3. d): Nein.

Zu 4.: Es wurde angestrebt, die Personalienfeststellungen so schnell wie möglich durchzuführen. Die Personalienfeststellungen begannen um 18.18 Uhr und waren um 21.35 Uhr abgeschlossen.

Zu 5. a): Die Durchsuchungen und die Personalienfeststellungen wurden durch Beamte der Berliner Schutz- und Kriminalpolizei durchgeführt.

Zu 5. b): In der Vergangenheit kam es im Zusammenhang mit Einsätzen in dem kurdischen Kulturzentrum bzw. Zossener Straße 41 immer wieder zu gewalttätigen Ausschreitungen. Zuletzt wurden Polizeibeamte am 11. August 1995 massiv mit Molotowcocktails und Schlagwerkzeugen angegriffen. Zur Eigensicherung war es daher erforderlich, in entsprechender Ausrüstung, darunter auch mit Schutzwesten, aufzutreten.

Zu 5. c): Als originär zuständige Dienststelle war der Polizeiliche Staatsschutz (LKA 5) am Einsatz beteiligt, darunter auch Beamte der „Ermittlungsgruppe Spendengelderpressung", die keine „Sondereinheit" darstellt, sondern als Kommissariat in eine Inspektion des LKA 5 eingegliedert ist.

Zu 6. a) und 6. b): Im Zusammenhang mit dem Einsatz vom 14. Oktober 1995 wurden keine Personen wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz vorläufig festgenommen.

Zu 6. c): Auf der Gneisenaustraße entwickelten sich innerhalb einer ca. 50 Personen umfassenden Personengruppe Streitigkeiten, in deren Verlauf es zu einer gefährlichen Körperverletzung kam. Bei dem Versuch, Täter festzustellen, kam es aus dieser Personengruppe heraus zu Stein- und Büchsenwürfen auf die Polizeikräfte.

Ein Steinwerfer wurde vorläufig festgenommen und nach Identitätsfeststellung entlassen. Ein weiterer Tatverdächtiger konnte zunächst festgenommen werden, er wurde jedoch unmittelbar danach durch Personen aus der zuvor genannten Gruppe gewaltsam befreit.

Es wurden zwei Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Verstoßes gegen § 111 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OwiG), fünf Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Asylverfahrensgesetzes (Verstoß gegen räumliche Beschränkung), drei Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz (illegaler Aufenthalt, abgelaufener Reisepaß) sowie weitere 12 Ermittlungsverfahren (Verstoß gegen das Vereinsgesetz, besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs, gefährliche Körperverletzung, Gefangenenbefreiung) eingeleitet.

Zu 7.: Eine Information der Presse über das „Vorhaben der Hausdurchsuchung" erfolgte aus naheliegenden Gründen nicht.

Zu 8.: Uns liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass „rechte türkische Kräfte" von den Durchsuchungsmaßnahmen im Vorfeld Kenntnis erlangt haben.