Auflösung des Landesschulamtes

Das Gesetz über die Neuorganisation der Schulaufsicht und die Errichtung des Landesschulamtes in Berlin vom 26. Januar 1995 (GVBl. S. 26), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Oktober 1995 (GVBl. S. 664), wird außer Kraft gesetzt.

Zur Realisierung dieser Zielstellung setzt das Abgeordnetenhaus von Berlin eine Bildungskommission ein, die den Auftrag erhält

1. dem Abgeordnetenhaus bis zum 31. März 1996 ein öffentlich diskutiertes und zum Schuljahresbeginn 1996/97 zu realisierendes Konzept, einschließlich einer Gesetzesvorlage, zur Auflösung des Landesschulamtes vorzulegen.

In dieses Konzept und in die Gesetzesvorlage sollen als Ziele eine bürger(innen)nahe und optimale Gestaltung der Verwaltungsstrukturen, eine Profilierung der Schulaufsicht als Schulberatung sowie eine Auswertung der Erfahrungen mit dem Landesschulamt eingehen.

2. ein Gesamtkonzept zur Reform der Schulaufsicht und Schulverwaltung sowie zur Ausgestaltung der Autonomie der Einzelschule zu erarbeiten und öffentlich zu diskutieren, das auch die Bedingungen für die Auflösung des Landesschulamtes absteckt.

Die Mitglieder der Bildungskommission werden auf Vorschlag der Fraktionen mit der Beschlußfassung über die Auflösung des Landesschulamtes vom Abgeordnetenhaus berufen. Die Kommission soll sich in Anlehnung an den Berliner Bildungsrat aus Wissenschaftler(innen) sowie darüber hinaus aus Personalrät(inn)en und Frauenvertreter(innen), Vertreter(innen) der Gewerkschaften und der Schulaufsicht zusammensetzen. In ihre Arbeit soll die Bildungskommission die Erfahrungen von Lehrer(innen), Schüler(innen) und Eltern einbeziehen.

Die Senatsverwaltung für Schule, Berufsbildung und Sport, das Landesschulamt sowie die in den Bezirken verbliebenen Bereiche der Schulverwaltung scheiden mit sofortiger Wirkung bis zur Beschlußfassung über das von der Bildungskommission vorzulegende Konzept aus der Berliner Verwaltungsreform aus. Alle die Schulaufsicht und Schulverwaltung betreffenden personellen, finanziellen und materiellen Entscheidungen, sofern sie nicht für die Arbeit der einzelnen Schulen notwendig sind, werden gestoppt.

Begründung:

Das Landesschulamt ist mit der parlamentarischen Mehrheit von CDU und SPD gegen den Widerstand von Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern, Eltern, Gewerkschaften, Personalräten, Rat der Bürgermeister u. v. a. errichtet worden.

Die Forderung nach einer Auflösung des Schulamtes ist Bestandteil der Wahlprogramme von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der PDS für die Wahlen zu diesem 13. Berliner Abgeordnetenhaus. Wahlkampfforderung und Wähler(innen)wille gilt es in einem demokratischen Verfahren umzusetzen.

Von Beginn seiner Existenz an ist das Landesschulamt von Kritik und Protesten begleitet worden, insbesondere gegen die zentralistisch und mit Methoden des Zwanges praktizierten Versetzungs- und Einstellungsverfahren. Das vom Landesschulamt praktizierte Einstellungsverfahren ­ mit Rangliste und ohne Bewerbungs- bzw. Einstellungsgespräche in den Bezirken ­ ist verbürokratisiert, langwierig, schwerfällig und darüber hinaus mit vielen fehlerhaften Entscheidungen verbunden. Gerade hierauf richtet sich gegenwärtig Kritik am Landesschulamt. Einstellungen sind zu strukturellen Problemen des Landesschulamtes geworden.

Das Landesschulamt hat sich als unfähig erwiesen, den selbst verkündeten Zielen und Maßstäben einer effektiven Personal- und Haushaltspolitik gerecht zu werden. Das Ziel, durch das Landesschulamt jährlich Minderausgaben in Höhe von 8,8 Mo. DM zu realisieren, ist bislang nicht erreicht worden.

Das Landesschulamt widerspricht dem Verfassungsgrundsatz der bürgernahen und demokratischen Verwaltung und ignoriert Bedürfnisse der Lernenden und Lehrenden in den Schulen.

Die zentralistischen Strukturen des Landesschulamtes haben Verwaltung und Bürger(innen) weiter voneinander entfernt, bezirkliche Personalräte weitgehend unwirksam gemacht und zusammen mit der Clearingstelle zu Korrekturinstanzen der verfehlten Personalpolitik des Landesschulamtes degradiert. Die Kompetenzen der bezirklichen Gremien nach dem Schulverfassungsgesetz (Schüler[innen]ausschuß, Bezirkselternausschuß, Bezirkslehrer[innen]ausschuß, Bezirksschulbeirat) sind mit dem Landesschulamt ausgehöhlt worden.

Die Trennung von pädagogischen Inhalten und organisatorischer Form macht konzeptionelles bildungspolitisches Handeln in den Bezirken unmöglich.

Das Landesschulamt ist nicht in der Lage, eine Alternative zur vorangegangenen aufgeblähten und mit zahlreichen Doppelzuständigkeiten belasteten Schulaufsichts- und Schulverwaltungsstruktur in Berlin zu sein. Es hat das für die aufgeblähte Schulverwaltung verantwortliche Interesse der Hauptverwaltung, in die Kompetenzen der Bezirke und Schulen zu intervenieren, nur in neuer Weise fundamentiert.

Das Landesschulamt hat die Möglichkeit, die Einzelschule verstärkt direkt zu kontrollieren und zu reglementieren und steht im Widerspruch zur Notwendigkeit, den Entscheidungsspielraum der Einzelschule zu erweitern. Die im wesentlichen bisher von den Bezirken wahrgenommene mittlere Verwaltungsebene im Schulwesen ist mit dem Landesschulamt zugunsten einer deutlicheren Zentralisierung auf Landesebene ausgehöhlt worden.

Mit dem vorliegenden Senatskonzept „Schule in erweiterter Verantwortung" wird die Absicht deutlich, dass der Staat sich aus sozialstaatlichen Aufgaben zurückzieht und seine Verantwortung für die Garantie gleicher Rahmenbedingungen, insbesondere bei der Budgetierung, an die Schule abdelegiert.

Die reale Situation im Berliner Schulwesen erfordert, wie sich auch in anderen Bundesländern zeigt, eine grundlegende Reform der Schulaufsicht und Schulverwaltung sowie ihres Verhältnisses zur Einzelschule und deren Entscheidungskompetenzen. Mit der Auflösung des Landesschulamtes sollen deshalb keinesfalls nur die alten Strukturen wieder hergestellt werden. Deshalb muss die umgehende Auflösung des Landesschulamtes in einen umfassenden Reformprozeß eingebunden sein, der der breiten öffentlichen Diskussion und demokratischen Beteiligung bedarf.

Mit der Errichtung des Landesschulamtes sollten kurzfristig Fakten im Hinblick auf die geplante Vereinigung von Berlin und Brandenburg geschaffen werden. Eine zentralisierte Schulverwaltung in Berlin ermöglicht keine Kompatibilität der Schulstrukturen in Berlin und Brandenburg. Sie verfolgt eher den Zweck, die Dominanz der Berliner Schulverwaltung gegenüber der Brandenburger Schulverwaltungsstruktur zu erreichen.

Statt mit dem Berliner Landesschulamt eine offensichtliche zentrale Gegenmacht zum Brandenburger Ministerium für Bildung, Jugend und Sport und zur kommunalorientierten Schulverwaltung zu etablieren, halten wir einen konstruktiven Erfahrungsaustausch und die Kooperation zwischen beiden Bundesländern in der Reform der Schulaufsicht und der Ausgestaltung der Autonomie der Einzelschule für erforderlich.

Die PDS-Fraktion hat sich seit Beginn der 12. Legislaturperiode für die Stärkung der Entscheidungskompetenzen der Bezirke eingesetzt und einen eigenen Entwurf für ein Gesetz über die Selbstverwaltung der Berliner Bezirke vorgelegt, in dem das Schulwesen als Pflichtaufgabe der Selbstverwaltung der Bezirke enthalten ist.