Wirksame Bekämpfung der Schwarzarbeit

Die Senatsverwaltung für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen legt nachstehende Mitteilung dem Abgeordnetenhaus zur Besprechung vor.

Das Abgeordnetenhaus hat in seiner Sitzung am 12. Juni 1997 folgendes beschlossen:

1. Die Effizienz der Sonderabteilung bei der Staatsanwaltschaft zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und Sozialmißbrauch ist zu erhöhen. Dabei sollen die Kompetenzen zur Zusammenführung aller Behörden und Institutionen bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit erweitert werden. Auf die Beschleunigung der entsprechenden Gerichtsverfahren ist hinzuwirken.

2. Es sind Initiativen zu ergreifen, den bisherigen Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit bei entdeckter Schwarzarbeit als einen Straftatbestnd zu definieren und die Notwendigkeit einer Erhöhung des Bußgeldrahmens zu überprüfen.

3. Es ist zu prüfen, ob zur Bekämpfung der sogenannten „Scheinselbständigkeit" Nachweise für Ein-Personen-Unternehmen eingeführt werden können, die eine Mindestanforderung zur sozialen Absicherung gewährleisten.

4. Der Bundesanstalt für Arbeit ist die gleiche Rechtsstellung wie den Finanzbehörden (§ 400 AO) bei der Verfolgung von illegaler Beschäftigung einzuräumen. Dadurch können die Verfahren beschleunigt und eine erhöhte Abschreckung sowie eine Entlastung der Strafjustiz erreicht werden.

5. Die personellen und materiellen Ressourcen bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit sind durch den Einsatz von Überhangkräften aus dem öffentlichen Dienst zu verstärken.

Die Koordination der Ermittlungsbehörden ist zu verbessern (u. a. Landeskriminalamt [LKA], Landesarbeitsamt [LAA], Gemeinsame Ermittlungsgruppe Schwarzarbeit [GES], Ermittlungsgruppe Außendienst Bau [AD-Bau], Schnelle Ermittlungsgruppe bei der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen und Verkehr, Steuerfahndung, Hauptzollamt).

6. Die konsequente Verfolgung des Mißbrauchs muss bei den Arbeitgebern dazu führen, dass die Generalübernehmer und die Generalunternehmer für die Subunternehmen haftbar gemacht werden. Vor der Vergabe neuer Aufträge muß geprüft werden, inwieweit Firmen, Firmeninhaber oder Geschäftsführer bereits anderen Firmennamen oder vorherigen Tätigkeiten mißbräuchlich Schwarzarbeiter beschäftigt hatten. In solchen Fällen muss die Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen oder nur unter verschärften Kontrollauflagen stattfinden, um Mißbrauch vorzubeugen.

7. Verstöße von Unternehmen, die gegen vertragliche Auftragsbedingungen begangen wurden, sollen künftig stärker sanktioniert werden (z. B. längerer Ausschluß von der Vergabe öffentlicher Aufträge als der bisher üblichen zwei Jahre).

8. Der Datenabgleich und Informationsaustausch zwischen Verfolgungsbehörden, Auftragsverwaltungen und Auftragnehmern muss hergestellt werden. Nur hierdurch kann sichergestellt werden, dass vertragliche Verstöße gegen ermittelte Unternehmen auch tatsächlich geahndet werden.

9. Es ist zu prüfen, wie die tarifliche Entlohnung der Beschäftigten derart erfolgt, dass das vereinbarte Arbeitsentgelt in vollem Umfang den Arbeitnehmern angewiesen und nachweislich ausgezahlt wird (z. B. Hinterlegung einer Sicherheit oder einer Sicherheitsleistung, Modalitäten der Gehaltsauszahlung). „Der Senat wird aufgefordert, dem Abgeordnetenhaus regelmäßig, erstmalig zum 30. September 1997 über die Umsetzung der obengenannten Maßnahmen und Zielsetzungen zu berichten."

Hierzu wird berichtet: Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung sind für den Berliner Arbeitsmarkt trotz steigender Verfolgungsergebnisse unverändert ein empfindlicher Störfaktor. Vorrangig ist zwar die Bauwirtschaft betroffen; bevorzugte Branchen dieser illegalen Aktivitäten sind aber auch die Gastronomie, das Fuhrgewerbe, das Reinigungsgewerbe und der Einzelhandel.

Seit dem politischen Umbruch in Europa ist unsere Stadt nicht zuletzt auf Grund der gewaltigen Bauaktivitäten zum bevorzugten Ziel für illegale Beschäftigung geworden. Trotz jährlicher Bauinvestitionen in mehrstelliger Milliardenhöhe (1996: Mrd. DM) sind in Berlin 25 000 Bauarbeiter arbeitslos und haben die Insolvenzen von Bauunternehmen noch immer steigende Tendenz. Neben erhöhtem Wettbewerbsdruck, schwierigen Strukturanpassungen und Niedriglohnkonkurrenz aus dem Ausland sind auch illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit ein wesentlicher Grund für diese Situation.

Die Anstrengungen der Verfolgungsbehörden sind enorm. Das veranschaulicht der als Anlage beigefügte „Statistische Jahresbericht zur Bekämpfung der Schwarzarbeit in Berlin 1996" in überzeugender Weise. Aus diesem Bericht wird deutlich, dass der Schwerpunkt der Verfolgung in Richtung Nachfrager nach illegalen Arbeitskräften, als in Richtung Auftraggeber und Arbeitgeber geht. Allein dieser Ansatz verspricht mittel- und langfristige Erfolge.

Unverzichtbar im Kampf gegen illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit auf dem Bau wird aber weiterhin sein, dass die Bauwirtschaft ihre eigenen Bekämpfungsstrategien vervollkommnet.

Einige Großbauunternehmen haben auf ihren Baustellen bereits jetzt Sicherheitsvorkehrungen getroffen, die das gesamte „Subunternehmergeflecht" auf der Baustelle transparenter machen. So werden z. B. Listen über alle eingesetzten Arbeitnehmer mit der Zuordnung zu Unternehmen geführt; auch sind teilweise Baustellenausweise mit Lichtbild und Firmen-Logos auf der Arbeitskleidung vorgeschrieben.

Es kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden, dass Überwachung und Kontrollen nicht nur eine behördliche Aufgabe sind. Auftraggeber und Unternehmen sind nun einmal die „Herren der Baustelle". Im Rahmen ihres Hausrechts und vertraglich vorzusehender Befugnisse wäre es möglich, durch Selbsthilfemaßnahmen den illegalen Aktivitäten stärker entgegenzuwirken.

Der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Die Unterstützung durch Verfolgungsbehörden wäre ebenfalls gesichert. Zum Beispiel könnte es ein gangbarer Weg auf Großbaustellen sein, daß ein Verfolgungsbeamter ständig vor Ort ist, der u. a. die Papiere der auf der Baustelle eingesetzten Arbeitnehmer kontinuierlich mit aktiver Unterstützung der Unternehmen kontrolliert.

Zum Schutz von Arbeitsplätzen und betrieblichen Existenzen werden kurz- und mittelfristig der behördliche Vollzug auch durch Weiterentwicklung gesetzlicher Instrumentarien zu verbessern, Selbstschutzmaßnahmen der Unternehmen auszubauen und gezielte Öffentlichkeitsarbeit aller am Wirtschafts- und Arbeitsleben Beteiligten zu leisten sein.

Zum Antrag über Maßnahmen zur wirksamen Bekämpfung der Schwarzarbeit im einzelnen:

Zu 1.: Die bei der Staatsanwaltschaft I bei dem Landgericht Berlin zur Bekämpfung der Schwarzarbeit zuständige Sonderabteilung arbeitet bereits mit hoher Effizienz. Dort sind ausschließlich langjährig erfahrene Mitarbeiter, die zu Beginn ihrer Tätigkeit in dieser Abteilung extern und intern für diese Spezialmaterie ausund fortgebildet werden, tätig. Eine weitere Effizienzsteigerung wäre nur durch eine Personalverstärkung zu erreichen, die angesichts der schwierigen Haushaltslage gegenwärtig nicht möglich ist.

Soweit die Kompetenzen zur Zusammenführung aller Behörden und Institutionen bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit angesprochen werden, ist festzustellen, dass es in Berlin bereits seit 1989 eine Gemeinsame Ermittlungsgruppe Schwarzarbeit (GES) gibt, in der die verschiedenen Verfolgungsbehörden mit der Polizei eng zusammenarbeiten (s. weitere Ausführungen zu dieser Problematik unter 5.) Gerichtsverfahren zu Fällen der organisierten Schwarzarbeit werden nach Erkenntnissen des Senats nicht unangemessen verzögert. Soweit in einzelnen Fällen eine längere Verfahrensdauer nicht zu vermeiden ist, beruht dies auf einer schwierigen Beweissituation, die für dieses Kriminalitätsfeld typisch ist. Im übrigen hat der Senat alle Voraussetzungen dafür geschaffen, dass in geeigneten Fällen das beschleunigte Verfahren vermehrt auch bei Straftaten aus diesem Kriminalitätsfeld zur Anwendung kommen kann.

Zu 2.: Dem als Anlage beigefügten „Statistischen Jahresbericht zur Bekämpfung der Schwarzarbeit in Berlin 1996" ist zu entnehmen, nach welchen Vorschriften und Gesetzen Geldbußen und Strafen festgesetzt werden können. Die Sanktionierung von Verstößen als Ordnungswidrigkeit oder Straftat ist nicht unabänderlich. Ausmaß und Entwicklung der illegalen Beschäftigung verlangen eine fortlaufende Überprüfung, ob Sanktionen noch angemessen, d. h. letztlich abschreckend genug sind. In diesem Zusammenhang fällt häuft der Satz: „Geldbußen zahlen die Unternehmen aus der Portokasse". Dies ist sicher überspitzt, zumal in den vergangenen Jahren die Bußgeldrahmen in den verschiedenen Gesetzen zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung und Schwarzarbeit erhöht wurden. In jüngster Vergangenheit ist im Arbeitsförderungs-Reformgesetz (AFRG) vom 24. März 1997 (BGBl. I, S. 594 mit Wirkung vom 1. Januar 1998) die Geldbuße für illegale Ausländerbeschäftigung in § 404 Abs. 3 SGB III von 100 000,- DM auf 500 000,- DM erhöht worden. Der Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (1. SGB III-ÄndG) sieht in § 16 Abs. 2 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes eine Erhöhung des Bußgeldrahmens ebenfalls von 100 000,- DM auf 500 000,- DM vor.

Die drastische Erhöhung der Bußgeldrahmen in den verschiedenen Gesetzen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung ist rechtspolitisch im Vergleich zu anderen Kriminalitätsbereichen legitim. So kennt das Kartellrecht (§ 38 Abs. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen) sogar einen Bußgeldrahmen von 1 Mio. DM. Und es besteht durchaus eine vergleichbare Wertigkeit zwischen Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne des Kartellrechts und organisierter illegaler Beschäftigung, zumal bei der illegalen Beschäftigung neben der wettbewerbsverzerrenden Wirkung zusätzlich noch großer Schaden für den Arbeitsmarkt, die Sozialkassen und den Fiskus entsteht.

Parallel zu diesen Bußgelderhöhungen ist zu überprüfen, ob eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit angesichts des Ausmaßes und der geänderten Strukturen der illegalen Beschäftigung noch adäquat ist. Bereits jetzt gibt es Formen illegaler Beschäftigung, die im Ausländergesetz (§ 92), im Arbeitsförderungsgesetz (§ 227 a) und im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (§§ 15, 15 a) als Straftat geahndet werden. Angesichts der Wertigkeit der einzelnen Verstöße scheidet die generelle Umwandlung aller Ordnungswidrigkeitentatbestände im Recht zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung in Straftatbestände aus. Ein solches Vorgehen könnte sich kontraproduktiv auswirken angesichts der schon jetzt bei der Kriminalitätsbekämpfung extrem belasteten Justiz. Es würde das Gegenteil dessen erreicht werden, was mit einer Strafverschärfung bezweckt wäre. Der Druck zur Verfahrenseinstellung bei der Staatsanwaltschaft zugunsten der Verfolgung von Großverfahren würde zunehmen, das Risiko der Täter und die Abschreckung abnehmen, und die bundesweit anerkannte Aktivität der Bundesanstalt für Arbeit (BA) bei der Verfolgung und Ahndung mit Bußgeldern als wirksames Instrument zur Bekämpfung entfallen. Geboten ist daher nur die gezielte Ersetzung von Ordnungswidrigkeitentatbeständen durch Straftatbestände. Sinnvoll erscheint dies für den Bereich der illegalen Ausländerbeschäftigung.

Gegenwärtig regeln § 227 a AFG die strafbare und § 229 AFG die ordnungswidrige Beschäftigung von nichtdeutschen Arbeitnehmern. Gerade bei der illegalen Ausländerbeschäftigung gibt es gesteigerte kriminelle Begleiterscheinungen (Schleppen, Schleusen, Urkundenfälschung) mit immensen Profiten für illegal agierende Arbeitgeber und Auftraggeber und spiegelbildlich entsprechend negativen Auswirkungen für legal tätige Unternehmen und deren Arbeitnehmer.

Die Bagatellklausel in § 227 a Abs. 2 AFG, nur die Beschäftigung an mindestens 30 Kalendertagen von gleichzeitig mehr als 5 nichtdeutschen Arbeitnehmern als Straftat zu qualifizieren, ist nicht mehr zeitgemäß und kann leicht als verharmlosendes rechts- und gesellschaftspolitisches Signal gedeutet werden.

Künftig sollten nur noch die fahrlässige illegale Ausländerbeschäftigung oder eindeutige Bagatellen (z. B. nicht verlängerte aber verlängerbare Arbeitserlaubnisse) eine Ordnungswidrigkeit darstellen.

Es besteht ferner die Notwendigkeit, die beharrliche Wiederholung einer Ordnungswidrigkeit zur Straftat zu erklären. § 227 a Abs. 2 AFG kennt dies bereits für den Fall der Beschäftigung nichtdeutscher Arbeitnehmer ohne Arbeitserlaubnis; ebenfalls § 148 der Gewerbeordnung im Falle rechtswidriger Gewerbeausübung.

Die Verschärfung „beharrliche Wiederholung einer Ordnungswidrigkeit als Straftat" für alle Ordnungswidrigkeitentatbestände im Recht der Bekämpfung der illegalen Beschäftigung und Schwarzarbeit zwingt sich auch vor dem Hintergrund auf, dass die Verfolgungsbehörden vermehrt „Wiederholungs-Razzien" auf Baustellen durchführen und diese durch eine entsprechende Gesetzesänderung eine erhöhte Abschreckung erzielten.

Berlin hat die vorstehenden Vorschläge dem Bund und den Ländern unterbreitet und um Unterstützung entsprechender Gesetzesänderungen gebeten. Der Meinungsbildungsprozeß hierzu ist gegenwärtig noch nicht abgeschlossen.

Zu 3.: Die sogenannte Scheinselbständigkeit als eine Form der illegalen Beschäftigung findet sich seit Jahren in nahezu allen Gewerbe- und Dienstleistungsbranchen. Scheinselbständige sind Erwerbstätige, die vertraglich als Selbständige behandelt werden, tatsächlich jedoch wie abhängig Beschäftigte arbeiten.

Die Vortäuschung von Selbständigkeit kann bedrohliche Auswirkungen auf unser Sozialversicherungssystem haben, da ihm dringend benötigte Beiträge in erheblichem Umfange entzogen werden. Gleichzeitig werden die sozialen Risiken von Scheinselbständigen auf die Allgemeinheit abgewälzt. Denn häufig nimmt die Scheinselbständigkeit eine Entwicklung in die Sozialhilfe, und der Steuerzahler muss für die sonst durch die Sozialversicherung versicherten Risiken über die Sozialhilfe aufkommen.

Die Verfolgung der Scheinselbständigkeit ­ insbesondere durch die Sozialversicherungsträger ­ als Form illegaler Beschäftigung, ihre Unterscheidung von wirklicher Existenzgründung und unternehmerischer Selbständigkeit gestaltet sich in der Praxis äußerst schwierig. Die Rechtsprechung hat zwar Unterscheidungsmerkmale entwickelt und mehrfach festgestellt, dass nicht der Wortlaut des Vertragstextes maßgebend ist, sondern vielmehr die praktische Abwicklung der vertraglichen Beziehungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Dies hat aber die schwierige Einzelfallprüfung für die Behörden nicht wesentlich erleichtert, und Rechtsstreitigkeiten in erheblichem Umfange sind vorprogrammiert.

Auf den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien, deren Vorliegen für Scheinselbständigkeit sprechen, basiert die Gesetzesinitiative der Länder Hessen und Nordrhein-Westfalen (Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Scheinselbständigkeit ­ Bundesrats-Drucksache 793/96). Dieser Gesetzesentwurf erleichtert die Nachweispflicht der Sozialversicherungsträger, dass im konkreten Einzelfall ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt.

Gemeinsam mit dem Kriterienkatalog für nichtselbständige Arbeit wird eine widerlegbare Vermutung für ein Beschäftigungsverhältnis eingeführt.

Der federführende Ausschuß für Arbeit und Sozialpolitik hat am 19. Juni 1997 mit eindeutiger Mehrheit dem Bundesrat die Einbringung dieses Gesetzesentwurfs beim Deutschen Bundestag empfohlen. Der Beschlußfassung im Arbeitsausschuß des Bundesrates waren zahlreiche Änderungen an den Vermutungskriterien vorausgegangen, um z. B. die Selbständigkeit von Handelsvertretern weiterhin nach dem Handelsgesetz zu beurteilen und Einzelunternehmer in den ersten zwölf Monaten der Gründungsphase nicht in die Vermutungsregelung für das Vorliegen einer Scheinselbständigkeit einzubeziehen. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausnahmen soll nunmehr nach einem neuen Absatz 2 im § 7 SGB IV bei Vorliegen von mindestens zwei der vier Kriterien widerlegbar vermutet werden, dass erwerbstätige Personen der Sozialversicherungspflicht unterliegen, wenn sie

- im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit außer Familienangehörigen keine Arbeitnehmer beschäftigen,

- regelmäßig nur für einen Auftraggeber tätig sind,

- für Beschäftigte typische Arbeitsleistungen erbringen und

- nicht auf Grund unternehmerischer Tätigkeit am Markt auftreten.

Berlin hat die Bundesratsinitiative der Länder Hessen und Nordrhein-Westfalen aktiv unterstützt. Bei der weiteren Behandlung dieser Initiative im Bundestag wird sicher auch das Ergebnis einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit (IAB) von Bedeutung sein. Das IAB hat mit Beteiligung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung eine Untersuchung „Freie Mitarbeiter und selbständige Einzelunternehmer mit persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit (Scheinselbständige)" durchgeführt. Danach werden in Deutschland abhängig von den bei der Erhebung angewandten Abgrenzungskriterien 180 000 bis 430 000 Scheinselbständige beschäftigt. Ebenfalls je nach Abgrenzungskriterien gehen 330 000 bis 1 000 000 Personen einer scheinselbständigen Nebentätigkeit nach. Das IAB bestätigt, dass es Scheinselbständigkeit in nicht unbeträchtlichem Ausmaß gibt.