Gesetz über die Eigenbetriebe des Landes Berlin (Eigenbetriebsgesetz ­ EigG)

Rechtsstellung:

(1) Das Land Berlin (Träger) kann betimmte öffentliche Aufgaben nach diesem Gesetz in der Rechtsform des nichtrechtsfähigen Betriebs (Eigenbetrieb) selbständig und mit eigenen Organen (Geschäftsleitung, Verwaltungsrat) wahrnehmen lassen, wenn die öffentlichen Aufgaben die Errichtung des Eigenbetriebs rechtfertigen und anders nicht besser und wirtschaftlicher erfüllt werden können.

(2) Der Eigenbetrieb erfüllt die vom Träger vorgegebenen Aufgaben nach kaufmännischen Grundsätzen kostengünstig, benutzer- und umweltfreundlich. Er beachtet gemeinwirtschaftliche und sozial-, umwelt- und strukturpolitische Gesichtspunkte.

(3) Der Eigenbetrieb entscheidet nach Leistungs- und Kostengesichtspunkten eigenverantwortlich, ob er für Teilaufgaben gegen Entgelt Leistungen von anderen innerhalb oder außerhalb der Berliner Verwaltung in Anspruch nimmt. Dabei soll der Eigenbetrieb Leistungen, die private Anbieter in mindestens gleicher Qualität und Zuverlässigkeit bei geringeren Kosten erbringen können, diesen Anbietern übertragen, sofern es mit dem öffentlichen Interesse vereinbar ist.

(4) Der Eigenbetrieb handelt im Rahmen seiner Aufgaben mit unmittelbarer Wirkung für und gegen Berlin. Er tritt unter seinem Namen mit dem Zusatz „Eigenbetrieb von Berlin" auf.

§ 2:

Errichtung, Betriebssatzung, Aufsicht:

(1) Ein Eigenbetrieb ist errichtet, wenn bei Aufgaben der Hauptverwaltung der Senat, bei Bezirksaufgaben das Bezirksamt (Trägerorgan) eine Betriebssatzung erlässt und das Abgeordnetenhaus ihr auf Vorlage des Senats zustimmt. Das Bezirksamt bedarf dazu der vorherigen Zustimmung der Bezirksverordnetenversammlung.

(2) Mehrere Bezirke können gemeinsam einen Eigenbetrieb errichten. Sie vereinbaren, welcher Bezirk für den Eigenbetrieb zuständig ist. Die Betriebssatzung bedarf auch der vorherigen Zustimmung der mitbeteiligten Bezirksämter und Bezirksverordnetenversammlungen.

(3) Die Betriebssatzung regelt im Rahmen dieses Gesetzes die unabweisbar notwendigen Besonderheiten für den jeweiligen Eigenbetrieb, und zwar mindestens

- den Betriebszweck und den Namen des Eigenbetriebs,

- die Höhe des Stammkapitals,

- in durch Betriebsgröße und -art begründeten Fällen die Bildung und die Zuständigkeitsabgrenzung einer größeren Geschäftsleitung (§ 3 Abs. 1 und 2) und die Bildung eines größeren Verwaltungsrats (§ 6 Abs. 1).

Die Betriebssatzung wird im Amtsblatt für Berlin bekanntgemacht. Der Senat erarbeitet mit den Bezirken eine MusterBetriebssatzung. Daran ausgerichtet, erarbeiten für gleichartige Eigenbetriebe die Trägerorgane gemeinsam eine einheitliche Betriebssatzung.

(4) Die Aufsicht über den Eigenbetrieb führt das zuständige Mitglied des Trägerorgans. Es stimmt Angelegenheiten von finanzieller Bedeutung mit dem für Finanzen zuständigen Mitglied ab.

Der Aufsichtführende wird, auch als Vorsitzender des Verwaltungsrats (§ 6 Abs. 1), mit allen Rechten und Pflichten durch seinen Vertreter im Trägerorgan, in der Hauptverwaltung auch durch seinen Staatssekretär, vertreten.

§ 3:

Geschäftsleitung:

(1) Die Geschäftsleitung besteht aus einem Geschäftsleiter. In durch Betriebsgröße und -art begründeten Fällen kann die Betriebssatzung mehr als einen, höchstens drei Geschäftsleiter vorsehen. Sie kann auch vorsehen, dass ein Erster Geschäftsleiter bestellt wird. Er führt den Vorsitz und entscheidet bei Stimmengleichheit in der Geschäftsleitung. Im Übrigen haben die Geschäftsleiter gleiche Rechte und Pflichten.

(2) Besteht die Geschäftsleitung aus mehreren Geschäftsleitern, so regelt die Betriebssatzung die Abgrenzung ihrer Zuständigkeiten.

(3) Zum Geschäftsleiter darf nur bestellt werden, wer nach Erfahrung und Ausbildung geeignet ist.

(4) Geschäftsleiter werden auf höchstens fünf Jahre bestellt.

Eine erneute Bestellung ist zulässig.

(5) Der Senat erarbeitet mit den Bezirken einen MusterAnstellungsvertrag und einen leistungsorientierten Vergütungsrahmen für Geschäftsleiter.

§ 4:

Aufgaben der Geschäftsleitung:

(1) Die Geschäftsleitung leitet den Eigenbetrieb selbständig und in eigener Verantwortung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Sie ist besonders für Leistungsfähigkeit und wirtschafliche Führung verantwortlich.

(2) Die Geschäftsleitung unterrichtet den Aufsichtführenden und den Verwaltungsrat rechtzeitig über alle wichtigen Vorgänge.

Auf Anforderung hat sie ihnen in allen Angelegenheiten Auskünfte zu erteilen, Berichte zu erstatten und Unterlagen vorzulegen.

(3) Die Geschäftsleitung nimmt an den Sitzungen des Verwaltungsrats teil. Sie ist berechtigt und verpflichtet, ihre Ansicht zu den Angelegenheiten des Eigenbetriebs jederzeit darzulegen.

(4) Kommt die Geschäftsleitung wichtigen Pflichten nicht nach, so kann der Aufsichtführende der Geschäftsleitung Weisungen erteilen. Werden sie nicht befolgt, so kann das Trägerorgan einen Beauftragten bestellen, der einzelne oder alle Befugnisse der Geschäftsleitung ausübt. Der Aufsichtführende unterrichtet den Verwaltungsrat unverzüglich.

(5) Besteht die Geschäftsleitung aus mehreren Geschäftsleitern, so gibt sie sich eine Geschäftsordnung.

§ 5:

Vertretung:

(1) Die Geschäftsleitung vertritt Berlin in den Angelegenheiten des Eigenbetriebs. Die Vertretungsbefugnis wird gemeinsam durch einen Geschäftsleiter und eine beauftragte Dienstkraft (Absatz 2) ausgeübt.

(2) Für die Geschäfte der laufenden Verwaltung kann die Geschäftsleitung einzelne Dienstkräfte mit der Ausübung der Vertretungsbefugnis beauftragen und sie auf bestimmte Aufgabenbereiche, bestimmte Beträge oder in anderer Weise beschränken.

(3) In Angelegenheiten eines Geschäftsleiters vertritt der Verwaltungsrat Berlin. Die rechtsgeschäftlichen Erklärungen gibt der Vorsitzende ab.

(4) Die Namen der Vertretungsbefugten und der Umfang ihrer Vertretungsbefugnis werden im Amtsblatt für Berlin bekannt gemacht.

§ 6:

Verwaltungsrat:

(1) Dem Verwaltungsrat gehören der Aufsichtführende als Vorsitzender und je zwei Vertreter des Trägers und der Dienstkräfte an. In durch Betriebsgröße und -art begründeten Fällen kann die Betriebssatzung je vier Vertreter des Trägers und der Dienstkräfte und mit beratender Stimme einzelne weitere Mitglieder vorsehen.

(2) Die Vertreter des Trägers werden je zur Hälfte

- vom Trägerorgan aus seiner Mitte oder aus dem Kreis seiner dafür geeigneten Leitungskräfte,

- von dem Organ, dem das Trägerorgan politisch verantwortlich ist (Abgeordnetenhaus oder Bezirksverordnetenversammlung), aus seiner Mitte bestellt. Bei einem gemeinsamen Eigenbetrieb mehrerer Bezirke sollen auch Vertreter aus mitbeteiligten Bezirken bestellt werden.

(3) Die Vertreter der Dienstkräfte werden von der Personalvertretung des Eigenbetriebs bestellt, darunter bei vier Vertretern einer, der nicht Dienstkraft des Eigenbetriebs ist. Die Personalvertretung soll die unterschiedlichen Fachrichtungen angemessen berücksichtigen.

(4) Zum Mitglied des Verwaltungsrats darf unbeschadet des Absatzes 3 nicht bestellt werden, wer wegen unmittelbarer oder mittelbarer Bindungen an den Eigenbetrieb oder einen Wettbewerbsbetrieb der Gefahr der Befangenheit ausgesetzt ist.

(5) Der Verwaltungsrat wird für die Dauer der Wahlperiode von Abgeordnetenhaus und Bezirksverordnetenversammlungen gebildet und bleibt bis zur Neubildung im Amt. Die bestellenden Gremien können für ihre Vertreter für die Fälle unvermeidbarer Verhinderung Stellvertreter aus demselben Kreis bestellen. Sie können Vertreter und deren Stellvertreter aus wichtigem Grund abberufen.

(6) Der Vorsitzende beruft den Verwaltungsrat so oft ein, wie es die Geschäftslage erfordert, jedoch mindestens einmal in jedem Vierteljahr. Er hat ihn einzuberufen, wenn es mindestens zwei Mitglieder verlangen.

(7) Der Verwaltungsrat ist beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Er entscheidet mit einfacher Mehrheit. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

(8) Kann der Verwaltungsrat mangels Beschlussfähigkeit nicht entscheiden, so ist er innerhalb von zwei Wochen erneut einzuberufen und unabhängig von der Zahl der anwesenden Mitglieder beschlussfähig.

(9) Der Verwaltungsrat gibt sich eine Geschäftsordnung.

§ 7:

Aufgaben des Verwaltungsrats:

(1) Der Verwaltungsrat entscheidet auf Antrag des Vorsitzenden, eines Mitglieds oder der Geschäftsleitung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, über:

- Bestellung und Abberufung eines Geschäftsleiters und, wenn die Betriebssatzung diese Aufgabe vorsieht, eines Ersten Geschäftsleiters,

- Anstellungsvertrag mit einem Geschäftsleiter,

- Feststellung des Wirtschaftsplans (§ 16 Abs. 1),

- Feststellung des Jahresabschlusses und Entlastung der Geschäftsleitung (§ 27 Abs. 1 Satz 2),

- Übernahme neuer und Wegfall bisheriger wesentlicher Aufgaben,

- Festsetzung allgemein geltender Leistungsbedingungen und Entgelte.

(2) Die Geschäftsleitung bedarf der vorherigen Zustimmung des Verwaltungsrats zu:

- Gesamtplanung und Grundzüge der Betriebspolitik und -struktur,

- Erwerb oder Veräußerung von Beteiligungen,

- Erwerb, Veräußerung oder Belastung von Vermögensgegenständen, soweit es sich nicht um Geschäfte der laufenden Verwaltung handelt,

- Verzicht auf Ansprüche und Abschluss von Vergleichen, soweit es sich nicht um Geschäfte der laufenden Verwaltung handelt,

- Einleitung besonders bedeutsamer Rechtsstreitigkeiten und Einlegung von Rechtsmitteln in solchen Rechtsstreitigkeiten,

- Abschluss besonders bedeutsamer Verträge,

- Abweichungen vom Wirtschaftsplan (§ 7 Abs. 3, § 18 Abs. 4), Maßnahmen bei ungedeckten Mehraufwendungen oder erfolggefährdenden Mindererträgen (§ 17 Abs. 5), Ausnahmen bei der Übertragbarkeit (§ 18 Abs. 5 Satz 2), Maßnahmen der vorläufigen Wirtschaftsführung im Rahmen des Finanzplans (§ 20 Satz 2),

- Eintritt eines Geschäftsleiters in ein Organ eines anderen Betriebs,

- Abschluss besonders bedeutsamer Dienstvereinbarungen nach dem Personalvertretungsgesetz.

(3) In zustimmungspflichtigen Angelegenheiten (Absatz 2), die keinen Aufschub dulden, kann die Geschäftsleitung im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats die unabweisbaren Maßnahmen treffen, wenn die rechtzeitige Einholung der Zustimmung des Verwaltungsrats unmöglich ist. Der Vorsitzende unterrichtet den Verwaltungsrat unverzüglich.

(4) Der Verwaltungsrat wird gehört vor:

- Änderung der Betriebssatzung,

- Auflösung des Eigenbetriebs oder Umwandlung in eine andere Rechtsform,

- Bestimmung des Wirtschaftsprüfers durch den Rechnungshof für die Prüfung des Jahresabschlusses,

- Abberufung eines Mitglieds des Verwaltungsrats oder seines Stellvertreters nach § 6 Abs. 5 Satz 3.

(5) Der Verwaltungsrat kann in den Angelegenheiten des Eigenbetriebs Empfehlungen aussprechen.

§ 8:

Beanstandungsrecht:

(1) Der Aufsichtführende kann Beschlüsse des Verwaltungsrats, die das öffentliche Interesse oder das Betriebsinteresse beeinträchtigen, in der Sitzung mit aufschiebender Wirkung beanstanden.

(2) Innerhalb von zwei Wochen hat der Verwaltungsrat erneut Beschluss zu fassen; er ist unabhängig von der Zahl der anwesenden Mitglieder beschlussfähig. Hält der Aufsichtführende die Beanstandung in der Sitzung auch für den erneuten Beschluss aufrecht, so hat er sie unverzüglich dem Trägerorgan unter Darlegung der unterschiedlichen Auffassungen vorzulegen. Es entscheidet anstelle des Verwaltungsrats.

(3) Entscheidet das Trägerorgan nicht innerhalb von vier Wochen nach dem erneuten Beschluss, so wird er wirksam.

§ 9:

Personal:

(1) Der Eigenbetrieb beschäftigt Angestellte und Arbeiter. Die Geschäftsleitung entscheidet über die Personalangelegenheiten der einzelnen Dienskräfte.

(2) Die Rechtsverhältnisse von Beamten bleiben unberührt.

Will der Eigenbetrieb eine Stelle für Angestellte aus besonderen betrieblichen Gründen mit einem Bewerber besetzen, der planmäßiger Beamter ist, so kann die Dienstbehörde sie mit Umwandlungsvermerk in eine gleichwertige Planstelle für Beamte umwandeln. Wird ein Beamter zum Geschäftsleiter bestellt, so kann er daraus keinen Anspruch auf Beförderung herleiten; ihm wird, wenn mit der Bestellung die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes verbunden ist, eine Zulage nach näherer Maßgabe des § 46 des Bundesbesoldungsgesetzes gewährt.

(3) Geschäftsleiter und Dienstkräfte arbeiten im Interesse von Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit eng und partnerschaftlich zusammen. Die einzelnen Dienstkräfte handeln im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgaben selbständig und eigenverantwortlich, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(4) Der Abschluss von Dienstvereinbarungen über Arbeitsentgelte und die Gewährung über- oder außertariflicher Leistungen bedürfen der Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Inneres.

Abschnitt II Wirtschaftsführung und Rechnungswesen:

§ 10:

Eigenbetriebsvermögen:

(1) Der Eigenbetrieb wird finanzwirtschaftlich als Sondervermögen Berlins gesondert verwaltet und nachgewiesen. Auf die Erhaltung des Sondervermögens ist Bedacht zu nehmen.

(2) Das Stammkapital des Eigenbetriebs wird in der Betriebssatzung in angemessener Höhe festgesetzt.

§ 11:

Wirtschaftliche Zielsetzung:

(1) Nimmt der Eigenbetrieb

- Aufgaben eines wirtschaftlichen Unternehmens wahr, so soll er einen marktüblichen Gewinn erzielen;

- Anstalts- oder andere öffentliche Aufgaben wahr, so soll er aus den Erträgen unbeschadet des § 16 Abs. 4 mindestens die Aufwendungen decken.

(2) Ein Jahresverlust wird auf neue Rechnung vorgetragen und aus dem Gewinn des folgenden Geschäftsjahrs, spätestens der nächsten drei Geschäftsjahre, oder aus dem Rücklagekapital abgedeckt.

§ 12:

Maßnahmen zur Vermögenserhaltung:

(1) Lieferungen, Leistungen und Leihgelder des Eigenbetriebs an Stellen innerhalb der Berliner Verwaltung und umgekehrt werden angemessen vergütet.