Das Beanstandungsverfahren nach § 18 Landesgleichstellungsgesetz (LGG)

Im Vergleich zu anderen Gleichstellungsgesetzen des Bundes und der Länder ist in Berlin das Beanstandungsverfahren nach § 18 LGG so ausgestaltet, dass es ein wirkungsvolles Mittel zur Durchsetzung gleichstellungspolitischer Ziele sein kann.

Durch ihre Beanstandung kann die Frauenvertreterin eine dem Gleichstellungsrecht zuwiderlaufende Maßnahme anhalten (Abs. 1) und über ihre Dienststelle hinaus einen Entscheidungsvorschlag des für Frauenpolitik zuständigen Senatsmitglieds einfordern (Abs. 2). Dadurch verfügt die Frauenvertreterin über ein Regulativ zur Verhinderung von Rechtsverstößen bzw. zur Umsetzung landesgleichstellungsrechtlicher Vorgaben. Auf der Ebene der Hauptverwaltung kann durch das Verfahren nach Abs. 4 sogar ein Beschluss der Personalkommission des Senats die beabsichtigte rechtswidrige Entscheidung einer Dienststelle ersetzen.

Diese besondere rechtliche Qualität des Beanstandungsverfahrens hat in Berlin in den letzten zehn Jahren in den verschiedenen Bereichen der öffentlichen Verwaltung zu einer größeren Beachtung landesgleichstellungsrechtlicher Vorgaben und zur Weiterentwickelung der aus § 3 LGG resultierenden Gleichstellungsverpflichtung geführt. In der Praxis zeigt es sich jedoch, dass vor allem neu ins Amt gewählte Frauenvertreterinnen die rechtlichen Möglichkeiten, die das Beanstandungsverfahren bietet, nicht immer voll ausschöpfen können. Dies gilt z.B., wenn von dem für Frauenpolitik zuständigen Senatsmitglied eine sachlich begründete Beanstandung wegen Verfristung zurückgewiesen werden muss. Dass in den Dienststellen ein großer Informationsbedarf vor allem zur Rechtsprechung bezüglich des Beanstandungsverfahrens besteht, ist aus der Beratungstätigkeit der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen bekannt. Deshalb wird dieser Bericht dazu genutzt, einem breiten Publikum einen Überblick über das Beanstandungsverfahren gemäß § 18 LGG zu geben.

Grundsätze des Beanstandungsverfahrens:

Durch das in § 18 LGG gesetzlich geregelte Beanstandungsverfahren hat jede Frauenvertreterin das Recht, bei personellen und sonstigen Maßnahmen bei ihrer Dienststelle (Abs. 1) bzw. bei dem für Frauenfragen zuständigen Mitglied des Senats (Abs. 2) einen von ihr angenommenen Verstoß gegen landesgleichstellungsrechtliche Vorgaben zu beanstanden.

Eine Beanstandung ist zulässig, wenn sie von der Frauenvertreterin innerhalb von 14 Tagen nach Zugang der beteiligungspflichtigen Angelegenheit bzw. der erneuten Entscheidung der Dienststelle erhoben wird. Jede Dienststelle ist verpflichtet, eine erneute Entscheidung zu treffen, wenn die Frauenvertreterin ihr gegenüber gemäß § 18 Abs. 1 LGG in einer beteiligungspflichtigen bzw. das Amt selbst betreffenden Angelegenheit einen Verstoß gegen das Landesgleichstellungsgesetz beanstandet hat.

Das für Frauenpolitik zuständige Senatsmitglied ist gesetzlich verpflichtet, der Dienststelle in einer nach § 18 Abs. 2 LGG beanstandeten Angelegenheit einen Entscheidungsvorschlag vorzulegen, sofern die Beanstandung beachtlich ist und begründet erscheint. Resultierend aus der verfassungsrechtlichen Personalhoheit endet das Beanstandungsverfahren auf der Ebene der Bezirksverwaltung bzw. bei öffentlich-rechtlichen Stiftungen, Anstalten und Körperschaften mit der Unterbreitung eines Entscheidungsvorschlages durch das für Frauenpolitik zuständige Senatsmitglied.

Auf der Ebene der Hauptverwaltung einschließlich der nachgeordneten Einrichtungen kann das Beanstandungsverfahren nach § 18 Abs. 4 LGG fortgeführt werden. Sofern eine Dienststelle dem Entscheidungsvorschlag des für Frauenpolitik zuständigen Senatsmitglieds nicht folgt, entscheidet die Personalkommission des Senats abschließend.

Während des gesamten Beanstandungsverfahrens ist die beanstandete Angelegenheit auszusetzen (Suspensiveffekt gemäß § 18 Abs. 3 bzw. 4 LGG).

In den letzten Jahren ist bei den Dienststellen des Landes Berlin und den Frauenvertreterinnen eine zunehmende Akzeptanz des Beanstandungsverfahrens nach § 18 Abs. 2 LGG und der von der für Frauenpolitik zuständigen Senatsverwaltung entwickelten Entscheidungsvorschläge festzustellen.

Organisatorische und inhaltliche Umsetzung der Beanstandungsverfahren nach § 18 Abs. 2 und 4

Eine Beanstandung nach § 18 Abs. 2 LGG muss innerhalb einer gesetzlichen Frist von 14 Tagen nach Kenntnisnahme der erneuten Entscheidung der Dienststelle von der Frauenvertreterin bei dem für Frauenpolitik zuständigen Senatsmitglied erhoben werden.

Nur bei fristgerechter Beanstandung ist diese überhaupt zulässig und bewirkt den Eintritt des Suspensiveffekts gemäß § 18 Abs. 3 LGG (Aussetzung der beanstandeten Maßnahme).

Deshalb wird bei der Eröffnung eines Beanstandungsverfahrens nach § 18 Abs. 2 LGG zuerst die Einhaltung der Beanstandungsfrist geprüft. Dass ein auf die strittige Maßnahme gerichteter Schriftwechsel zwischen der Dienststelle und der Frauenvertreterin die gesetzliche Beanstandungsfrist nicht verlängert, ist durch das VG Berlin entschieden worden (VG 25 A 151.94).

Eine Beanstandung muss von der Frauenvertreterin als solche kenntlich gemacht werden, der beanstandete Verstoß gegen das LGG genannt und auch begründet werden. Aus datenschutzrechtlichen Gründen ist die Beanstandung von der Frauenvertreterin in anonymisierter Form vorzutragen, entsprechende Hinweise erfolgen regelmäßig durch das für Frauenpolitik zuständige Senatsmitglied. Die unberechtigte Bekanntgabe von Daten aus einem Beanstandungsverfahren, z. B. an die weiblichen Beschäftigten, kann für die Frauenvertreterin disziplinarische bzw. arbeitsrechtliche Konsequenzen haben (VG 80 A 17.97).

Der Frauenvertreterin wird der Eingang der Beanstandung schriftlich bestätigt. Der betroffenen Dienststelle wird der Eingang der Beanstandung nach § 18 Abs. 2 LGG ebenfalls bekannt gegeben und ihr die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb einer Frist von 14 Tagen in einer Stellungnahme ihre Sicht auf den beanstandeten Sachverhalt darzulegen.

Ein von einer Frauenvertreterin beanstandeter Verstoß gegen das Landesgleichstellungsgesetz wird von dem für Frauenpolitik zuständigen Senatsmitglied anhand der Vorgaben des Landesgleichstellungsgesetzes überprüft. Der Entscheidungsvorschlag nach § 18 Abs. 3 LGG ist darauf gerichtet, eine rechtmäßige Entscheidung der jeweiligen Dienststelle herbeizuführen und stellt nicht eine lediglich frauenpolitische Bewertung dar.

Ein Beanstandungsverfahren nach § 18 Abs. 2 bzw. 4 LGG wird sehr zügig geführt, um die durch die aussetzende Wirkung der Beanstandung eintretenden zeitlichen Verzögerungen möglichst gering zu halten. Allerdings können insbesondere bei Beanstandungen auf der Ebene der Hauptverwaltung durch die Befassung der Personalkommission mit dem Sachverhalt längere Bearbeitungszeiträume entstehen.

Beanstandungsverfahren vor der Personalkommission des Senats nach § 18 Abs. 4 LGG

Die Personalkommission des Senats besteht aus einem Teil der Mitglieder des Senats und wurde durch Senatsbeschluss vom 24. Januar 1991 zur Vorbereitung wichtiger Angelegenheiten des Personalwesens und der inneren Organisation gebildet. Gegenwärtig sind folgende Ressorts vertreten: Senator für Inneres (Vorsitz), Chef der Senatskanzlei als ständiger Vertreter des Regierenden Bürgermeisters, Senatorin für Arbeit, Soziales und Frauen, Senatorin für Finanzen, Senator für Justiz.

In den ersten Jahren nach der Verabschiedung des Landesgleichstellungsgesetzes haben Vorlagen nach § 18 Abs. 4 LGG kaum eine Rolle gespielt, bis aus dem Schulbereich mehrere beanstandete Stellenbesetzungsvorschläge von der Personalkommission entschieden werden mussten. Dabei ging es sowohl um konkrete Personaleinzelentscheidungen als auch um Fragen des Beteiligungsrechts der Frauenvertreterin an Stellenbesetzungsverfahren im Schulleitungsbereich.

Dieses mit der Verabschiedung des LGG neu eingeführte Verfahren nach § 18 Abs. 4 LGG, das von seinen Inhalten her deutlich von den sonstigen Aufgaben der Personalkommission abweichen kann, hat sich nunmehr etabliert. Die Geschäftsstelle der Personalkommission, die bei der Senatskanzlei angesiedelt ist, hat besondere Vorgaben für die Behandlung von ein Beanstandungsverfahren betreffenden Vorlagen entwickelt.

Alle Vorlagen an die Personalkommission müssen grundsätzlich einen Hinweis die Beteiligung der Frauenvertreterin betreffend enthalten. Damit wird sichergestellt, dass während eines laufenden Beanstandungsverfahrens keine Entscheidung der Personalkommission des Senats getroffen wird, es sei denn über ausdrückliche Vorlagen nach § 18 Abs. 4 LGG.

Da im LGG in § 18 Abs. 4 Vorgaben fehlen, wer konkret verpflichtet bzw. berechtigt ist, das Beanstandungsverfahren fortzuführen, wurde dazu von dem für Frauenpolitik zuständigen Senatsmitglied nach Sinn und Zweck der Vorschrift folgende Auslegung entwickelt:

- Ausgehend von dem Gedanken, dass eine Senatsverwaltung (oder eine ihr nachgeordnete Einrichtung) ein Entscheidungsinteresse an ihren personellen, organisatorischen bzw. Frauen betreffenden sozialen Maßnahmen hat, ist diese als vorlageberechtigt anzusehen.

- Auch das an dem Beanstandungsverfahren nach § 18 Abs. 2 beteiligte für Frauenpolitik zuständige Senatsmitglied ist vorlageberechtigt. Soweit z. B. bei einer abgelehnten Maßnahme kein Entscheidungsinteresse der Fachverwaltung zu erkennen ist und keine Vorlage an die Personalkommission eingebracht wird, erfolgt eine solche durch das für Frauenpolitik zuständige Senatsmitglied.

Die weitreichenden Beteiligungsrechte der Frauenvertreterin führen dazu, dass sehr unterschiedliche Sachverhalte Gegenstand eines Beanstandungsverfahrens nach § 18 Abs. 4 LGG sein können. Durch diese Erweiterung ihres Aufgabenkreises muss die Personalkommission nicht nur über beanstandete Personaleinzelentscheidungen beschließen, sondern gelegentlich auch einzelne Vorschriften des Landesgleichstellungsgesetzes auslegen.