Verhältnis zwischen Beanstandungs- und Klageverfahren

Die Entscheidungsvorschläge des für Frauenpolitik zuständigen Senatsmitglieds nach § 18 Abs. 3 LGG unterliegen einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung soweit die Rechte der Frauenvertreterin tangiert sind.

Die 25. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin (VG) hat zur Qualität des Beanstandungsverfahrens grundsätzlich ausgeführt, dass dieses wegen der insoweit fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers zwar kein Vorverfahren im Sinne der §§ 68 ff VwGO darstellt, jedoch zwischen Beanstandungs- und Klageverfahren Wechselwirkungen bestehen (vgl. VG 25 A 27.95).

Eine Frauenvertreterin hat sich unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses aus § 43 VwGO deshalb in der Regel vor der Klageerhebung auf das Beanstandungsverfahren verweisen zu lassen.

Die gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten sind im Lichte des § 18 Abs. 3 LGG, der die Entscheidung über die beteiligungspflichtige Maßnahme einstweilen suspendiert, zu sehen.

Für die Frage, ob die fehlende Geltendmachung der Beteiligungsrechte im Wege der Beanstandung auf die Zulässigkeit einer Klage durchschlägt, mit der die Feststellung der Verletzung dieser Rechte begehrt wird, ist deshalb zu differenzieren.

Das VG hat bezogen auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung folgende Fallgruppen gebildet:

1. nicht durchgeführtes Beanstandungsverfahren

2. abgebrochenes Beanstandungsverfahren

3. durch Vornahme der personellen Maßnahme überwundenes Beanstandungsverfahren

4. noch schwebendes Beanstandungsverfahren

5. vollständig durchgeführtes Beanstandungsverfahren.

In der ersten Fallgruppe ist die Klage unzulässig, da wegen der unterlassenen Rechte aus § 18 LGG für eine Feststellungsklage das Rechtsschutzinteresse fehlt. In der zweiten Fallgruppe ist die Klage zulässig, soweit sachgerechte Gründe ohne Aufgabe des Rechtsstandpunktes der Frauenvertreterin für ein Absehen von weiterer Beanstandung sprechen. Das VG zählt ein dringendes Stellenbesetzungsbedürfnis zu den möglicherweise als sachgerecht anzusehenden Gründen.

Bei den Fallgruppen 3 und 5 liegt es nach Ansicht des VG auf der Hand, dass die Frauenvertreterin die gerichtliche Feststellung ihrer Rechte beantragen kann. Bei einem schwebenden Beanstandungsverfahren dürfte aus Sicht des VG Berlin aus prozessökonomischen Gründen einiges dafür sprechen, den Ausgang des Verfahrens abzuwarten, da wegen des Suspensiveffektes (§ 18 Abs. 3 LGG) die beanstandete Maßnahme nicht vollzogen werden darf.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin hat in seinem Beschluss vom 19.06.1996 (4 S 310.96) ausgeführt, dass der Frauenvertreterin die für die Begleichung von Gerichts- und Anwaltskosten erforderlichen Geldmittel von der Dienststelle zur Verfügung zu stellen seien. Die Grenze hierbei wird nach Auffassung des Vorsitzenden Richters der 25. Kammer ähnlich wie im Personalvertretungsrecht die Mutwilligkeit oder Nutzlosigkeit der Einleitung eines Gerichtsverfahrens bzw. der Beauftragung eines Anwalts sein.

Zur Frage, ob jede Beanstandung einer Frauenvertreterin das zwei- bzw. dreistufige Beanstandungsverfahren (auf der Ebene der Hauptverwaltung) auszulösen vermag, hat das VG Berlin erstmals in seinem Beschluss vom 23.07.1997 (VG 25 A 171.97) unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Personalvertretungsrecht Stellung genommen. Dazu wurde erläutert, dass durch eine Beanstandung, die nicht auf einen beteiligungspflichtigen Vorgang bezogen ist, das Verfahren nach § 18 LGG und insbesondere der Suspensiveffekt nicht ausgelöst wird.

Die Beanstandung einer Angelegenheit, die nach Auffassung der Dienststelle nicht dem Beteiligungsrecht der Frauenvertreterin unterliegt, könnte demzufolge als nicht beachtlich zurückgewiesen werden. „Allerdings handelt die Dienststelle gewissermaßen auf eigenes Risiko, denn der Umstand, dass sie eine Beanstandung für unbeachtlich hält, schließt eine nachfolgende gerichtliche Geltendmachung des vermeintlichen Beteiligungsrechts natürlich nicht aus. Wenn sich das Gericht der Einschätzung der Dienststelle nicht anschließt, wird es auf entsprechenden Antrag feststellen, dass das Übergehen der Rechte der Frauenvertreterin rechtswidrig war."

Auch die Frage, zu welchem Zeitpunkt eine Beanstandung nach § 18 Abs. 1 LGG angebracht werden kann, war im Rahmen von Beanstandungsverfahren zu prüfen. Das Verwaltungsgericht Berlin hat bisher nur in einem Eilverfahren dazu entschieden.

Es ist dabei zu der Auffassung gelangt, dass ein Beanstandungsrecht bereits bei einer im Rahmen eines Auswahlverfahrens getroffenen personellen Maßnahme, also einer gegenständlich umrissenen Einzelentscheidung in Abgrenzung zur einer vorbereitenden behördlichen Tätigkeit, besteht. Für die Beanstandung eines Verstoßes gegen das LGG muss demzufolge nicht erst das Gesamtergebnis des Auswahlverfahrens abgewartet werden (VG 25 A 81.01).

Über die Rückwirkung eines erfolgreichen Beanstandungsverfahrens auf ein arbeitsrechtliches Verfahren wurde bisher noch nicht entschieden. In Kündigungsschutzverfahren ist der vorgetragene Einwand der fehlenden Beteiligung der Frauenvertreterin unserer Kenntnis nach noch nicht entscheidungsrelevant geworden, da andere Kündigungsschutzvorschriften verletzt waren.

4. Frauenförderung in der Privatwirtschaft

Am 5. September 1999 trat die Verordnung über die Förderung von Frauen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (Frauenförderverordnung ­ FFV) in Kraft, sie gilt nicht für Bauleistungen (s. Anhang 2).

Sofern die Voraussetzungen des Auftragsvolumens über 100 000 DM und der Betriebsgröße von in der Regel mehr als 10 regulär Beschäftigten, erfüllt sind, sieht die FFV vor, dass Bewerber um öffentliche Aufträge bereits mit der Abgabe ihres Angebots eine Erklärung darüber vorlegen müssen, zu welchen Frauenfördermaßnahmen und/oder Fördermaßnahmen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sie sich vertraglich verpflichten wollen.

Die in § 2 FFV aufgeführten Möglichkeiten betrieblicher Frauenförderung sind breit gefächert und können flexibel gestaltet werden durch:

· verbindliche Zielvorgaben zur Erhöhung des Frauenanteils an der Zahl der Beschäftigten

· Erhöhung des Anteils der weiblichen Beschäftigten in gehobenen und Leitungspositionen

· Bereitstellung von Ausbildungsplätzen mindestens zur Hälfte an weibliche Auszubildende

· bevorzugte Berücksichtigung von weiblichen Auszubildenden bei der Übernahme in ein Arbeitsverhältnis nach erfolgreichem Ausbildungsabschluss

· Bereitstellung qualifizierter Bildungsmaßnahmen für Frauen

· Berücksichtigung von Frauen beim beruflichen Aufstieg nach erfolgreichem Abschluss einer betrieblichen Qualifizierung

· Möglichkeiten flexibler, den individuellen Bedürfnissen entsprechenden Arbeitszeiten

· Möglichkeiten von Teilzeitarbeit, insbesondere auch in Führungspositionen

· Gewährung eines betrieblichen, zeitlich aufteilbaren Erziehungsurlaubs bei ruhendem Arbeitsverhältnis

· Bereitstellung betrieblicher oder externer Kinderbetreuung sowie

· Vermeidung einer überproportionalen Verringerung des Frauenanteils an der Gesamtzahl der Beschäftigten bei Personalabbaumaßnahmen.

Je nach Anzahl der Beschäftigten sind eine oder mehrere dieser Maßnahmen durchzuführen. Von dieser Verpflichtung kann nur im Falle nachweisbarer rechtlicher Hindernisse abgesehen werden. Auf Verlangen der Vergabestellen hat der Auftragnehmer die Einhaltung der übernommenen vertraglichen Verpflichtungen in geeigneter Form nachzuweisen.

Kommt der Auftragnehmer seiner Verpflichtung zur Förderung von Frauen und/oder der Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht nach, kann er bis zur Dauer von zwei Jahren von der Auftragsvergabe ausgeschlossen werden.

Mit Beschluss vom 8. Juni 20004 forderte das Abgeordnetenhaus von Berlin den Senat zu einem Bericht „über die Wirksamkeit der §§ 13 und 14 des Landesgleichstellungsgesetzes (auf), indem er darlegt, in wie vielen Fällen bei der öffentlichen Auftragsvergabe über 100 000 Deutsche Mark zu welchen Maßnahmen zur Frauenförderung und zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie sich Auftragnehmer vertraglich verpflichtet haben und bei wie vielen öffentlichen Aufträgen über 100 000 Deutsche Mark Verträge ohne die oben genannten Verpflichtungen abgeschlossen wurden, und welche Gründe es für die Nichteinhaltung des Landesgleichstellungsgesetzes in diesen Fällen gegeben hat."

Die Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen hat in Erfüllung dieses Auftrages einen ersten Erfahrungsbericht über die Umsetzung der Berliner Frauenförderverordnung (FFV) vorgelegt (s. Anhang 3). Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen :

Der erste vom Berliner Abgeordnetenhaus erteilte Berichtsauftrag über die Umsetzung der FFV bezog sich auf den Zeitraum von Oktober 1999 bis Oktober 2000. Befragt wurden die Berliner Vergabestellen, auf deren freiwillige Mitarbeit die Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen angewiesen war.