Sozialhilfeempfängern ist Hilfe bei Krankheit und vorbeugende Hilfe zu leisten

Sozialhilfeempfängern ist Hilfe bei Krankheit und vorbeugende Hilfe zu leisten (§ 37 BSHG). Stattdessen kann oder muss der Sozialhilfeträger, sofern bestimmte Voraussetzungen vorliegen (Weiterversicherung), die Beiträge für eine freiwillige Mitgliedschaft von Sozialhilfeempfängern in der gesetzlichen Krankenversicherung übernehmen. Dies schließt die Übernahme der Beiträge zur Sozialen Pflegeversicherung mit ein (§ 13 BSHG).

Das Land Berlin als Sozialhilfeträger zahlte allein im Jahr 2001 für ca. 25 000 Sozialhilfeempfänger Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge von über 46 Mio.. Die für Soziales zuständige Senatsverwaltung hat dabei durch die Vereinbarung überhöhter Beitragszahlungen an die Krankenkassen Schäden in Millionenhöhe verursacht.

Im Jahre 2001 galten Vereinbarungen mit den Krankenkassen, die den 3,7fachen (BKK DiePost 3,6fachen) Regelsatz als Bemessungsgrundlage hatten. Bei der AOK Berlin galt eine genehmigte Satzungsregelung, die den 3,8fachen Regelsatz ausmachte.

Die Vereinbarungen basierten auf der Empfehlungsvereinbarung aus dem Jahre 1997, die zwischen den Bundesverbänden der Krankenkassen, der BAG der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und dem Deutschen Landkreistag abgeschlossen waren und bundesweite Beachtung fanden. Inhaltlich gingen die Empfehlungen davon aus, dass zum fiktiven Einkommen des Sozialhilfeempfängers das Einkommen von Familienangehörigen mit 0,7 Anteilen des Regelsatzes zu berücksichtigen wäre. Erst die Urteile des Bundessozialgerichtes vom 19.12.2000 (B 12 KR 36/00 R und andere) stellten fest, dass diese Praxis dem Grundsatz der beitragsfreien Familienversicherung widerspricht. Für das daraufhin notwendige Verwaltungshandeln war zu beachten, dass das Urteil des Bundessozialgerichtes einen Einzelfall entschieden hat und nur für diesen Einzelfall juristische Konsequenzen für die Vergangenheit gezogen werden. Vergleichbare Fälle können auf dem Urteil aufbauend nur für die Zukunft neu bewertet werden.

Ein rechtswidriges Verhalten liegt in der Vergangenheit, einschließlich des Jahres 2001, nicht vor, weil keine überhöhten Beiträge gezahlt, sondern vertragliche Festlegungen eingehalten worden sind.

Zu einer Rückwirkung der veränderten Bemessungsgrenze war insofern kein Verhandlungsspielraum gegeben. Sowohl mit dem Verband der Angestelltenkrankenkassen als auch mit der Betriebskrankenkasse des Landes Berlin bestanden seit 1998 Vereinbarungen, die fristgerecht zum 31.12.2001 gekündigt worden sind. Für freiwillig kranken- und pflegeversicherte Sozialhilfeempfänger bei der AOK Berlin galt eine Satzungsregelung.

Die Aufsichtsbehörde forderte aufgrund des BSGUrteils zur Satzungsänderung auf.

Wegen der bestehenden Vertragslage und des daraus resultierenden Vertrauensschutzes kam eine Forderung auf Rückwirkung für den VdAK und die BKK nicht in Frage. Aus Gründen der Gleichbehandlung konnte auch gegenüber der Allgemeinen Ortskrankenkasse Berlin nicht anders gehandel

Der Zeitraum bis zum Abschluss der Vereinbarungen und daraus resultierender Rückforderungen sind in den gefundenen Kompromiss einbezogen worden.

171 Die Vorschriften des Sozialgesetzbuches zur gesetzlichen Krankenversicherung (SGB V) enthalten keine Regelungen für Sozialhilfeempfänger. Sie sehen allgemein vor, dass die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder von der jeweiligen Krankenkasse durch Satzung geregelt wird, wobei die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen ist (§ 240 Abs. 1 SGB V). Dabei stellt das Gesetz auf die Einnahmen des Mitglieds ab, sieht aber auch vor, dass ein bestimmter Mindestbetrag als beitragspflichtige Einnahmen gilt (§ 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Bei Sozialhilfeempfängern werden als beitragspflichtige Einnahmen die jeweils gewährten Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem BSHG (und ggf. sonstige Einnahmen) zugrunde gelegt, soweit sie den Mindestbetrag übersteigen; anderenfalls gilt der Mindestbetrag. Im Interesse einer einheitlichen Beitragsbemessungsgrundlage für alle Hilfeempfänger traf die für Soziales zuständige Senatsverwaltung mit den einzelnen Krankenkassen bzw. ihren Verbänden Vereinbarungen über eine pauschalierte Beitragsbemessung. Diese orientierten sich an dem Mehrfachen des Regelsatzes der Sozialhilfe für einen Haushaltsvorstand (in Berlin zurzeit 293) als beitragspflichtige Einnahmen.

Weder Rechtsvorschriften noch Urteile des BSG verbieten Vereinbarungen zwischen Trägern der Sozialhilfe und Krankenkassen zur pauschalierten Beitragsbemessung. Dies wird auch in den anderen Bundesländern so gesehen, was die Vielzahl an abgeschlossenen Vereinbarungen zeigt.

Dass zur Beitragsbemessung in der Regel nur der Mindestbeitrag in Frage kommt, wurde in den Urteilsbegründungen ausgeführt. Dies ist bei Familien offensichtlich immer der Fall. Anders dagegen bei Alleinstehenden und bei Heimbewohnern. Bei der letzteren Personengruppe wird in vielen anderen Bundesländern weiterhin vom 3,7fachen Regelsatz ausgegangen und bei Alleinstehenden ergab eine Maximalrechnung den 2,95fachen Regelsatz. Dieses Ergebnis nähert sich dem 3fachen Regelsatz, der bis zum Jahre 1997 die Bemessungsgrundlage darstellte und vom Rechnungshof derzeit nicht in Frage gestellt worden ist.

Legt man einer Berechnung alle denkbaren Hilfearten zugrunde, erreicht man sogar einen Höchstbedarf, der dem 5,5fachen Regelsatze entspricht.

Sicher wird das nicht regelmäßig der Fall sein, das Anliegen einer Pauschalierung besteht jedoch darin, unterschiedliche Sachverhalte einem einheitlichen Maßstab zu unterwerfen. Auf der Basis des Mindesteinkommens wäre allerdings kein Vertrag mit den Krankenkassen zustande gekommen.

Da nach den Vorstellungen der Krankenkassen mindestens der 3,55fache Regelsatz zugrunde zu legen wäre, wurde auf Fachebene den 3fachen Regelsatz angeboten. Auch der letztlich gefundene Kompromiss wurde für vertretbar gehalten, da der vermiedene Verwaltungsmehraufwand die dadurch entstehenden Mehrkosten neutralisiert.

Von der Ermittlung von Daten zur Familiengröße sowie zur Anzahl der in Heimen untergebrachten freiwillig versicherten Sozialhilfeempfänger wurde unter dem Gesichtspunkt abgesehen, dass eine pauschale Berechnungsgrundlage angestrebt wurde. Dezidierte Erkenntnisse über die Zusammensetzung des berechtigten Personenkreises hätte das Verhandlungsergebnis letztlich nicht beeinflusst.

Daher wurde von einer aufwändigen Befragung der Bezirksämter Abstand genommen.

Im Dezember 2000 entschied das Bundessozialgericht in drei Urteilen, dass für die Beitragsbemessung bei freiwillig versicherten Sozialhilfeempfängern nach § 240 SGB V nur auf die tatsächlichen Einnahmen des Mitglieds, nicht aber auch auf die von mitversicherten Familienangehörigen abzustellen sei; erst recht sei den Krankenkassen eine pauschalierende personenübergreifende Beitragsbemessung verwehrt. In der Regel werde daher die Mindesteinnahmengrenze nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V nicht überschritten, sodass nur die ErSiehe T 171 hebung von Mindestbeiträgen in Betracht komme. Das Gericht äußerte Verständnis dafür, dass diese Rechtslage aus Sicht der Krankenkassen unbefriedigend sei, da sie für einen kleinen Beitrag große Leistungen erbringen müssten. Änderungen seien aber nur dem Gesetzgeber vorbehalten.

Weil das Beitragsbemessungsverfahren in Berlin ebenfalls nicht der Rechtslage entsprach, hat die Senatsverwaltung die Vereinbarungen mit den Krankenkassen zum 31. Dezember 2001 gekündigt und als Aufsichtsbehörde zwei Krankenkassen, die entsprechende Beitragsbemessungen ohne Vereinbarung durch Satzungsbestimmung vorgenommen hatten, zur Satzungsänderung aufgefordert. Die Senatsverwaltung wies die Krankenkassen jedoch nicht an, für Sozialhilfeempfänger nur noch den Mindestbeitrag zu erheben, sondern unterbreitete ihnen das Angebot einer neuen pauschalierten Beitragsbemessung auf Basis des 2,75fachen des Regelsatzes. Sie begründete anhand von Berechnungsbeispielen für verschiedene Fallgruppen die Angemessenheit ihres Angebots. Dies geschah allerdings auf weitgehend ungesicherter Datenlage, was den Anteil der jeweiligen Fallgruppe am Gesamtvolumen der freiwillig versicherten Sozialhilfeempfänger anbelangt.

Die Senatsverwaltung erzielte nur mit einer Krankenkasse eine Vereinbarung auf Basis ihres Angebots des 2,75fachen des Regelsatzes (zurzeit 805,75) als einheitlicher Beitragsbemessungsgrundlage. Mit anderen Kassen, insbesondere der AOK Berlin, schloss sie schließlich eine Vereinbarung, wonach vom Jahr 2002 an ein Betrag in Höhe des 3,2fachen des Regelsatzes (zurzeit 937,60) als Beitragsbemessungsgrundlage für alle freiwillig versicherten Hilfeempfänger gilt und für die Vergangenheit die noch höheren früheren Festsetzungen Bestand behalten. Den Akten war zu entnehmen, dass die Senatsverwaltung ihre Berechnungsbeispiele zwar zugunsten der Krankenkassen noch einmal überarbeitet hatte, das erzielte Ergebnis aber ein Verhandlungskompromiss war und auch nicht den überarbeiteten Berechnungen entsprach.

Siehe T 171

174 Der Rechnungshof hat der Senatsverwaltung vorgehalten, dass auch die neuen Vereinbarungen mit den Krankenkassen mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht vereinbar sind. Durch die Übernahme nach wie vor überhöhter Beiträge für die freiwillige Krankenversicherung von Sozialhilfeempfängern verursache sie weiterhin Nachteile für den Landeshaushalt in Millionenhöhe.

Die Senatsverwaltung bestreitet diesen Vorwurf. Die Feststellung des Bundessozialgerichts, dass bei Sozialhilfeempfängern in der Ergänzend zu dem unter T 171- 173 Vorgetragenen ist nochmals zu betonen, dass beim Nichtzustandekommen von Vereinbarungen die Verwaltungsmehrarbeit tatsächlich in erster Linie vom Träger der Sozialhilfe zu leisten ist.

Während die Krankenkassen lediglich die Beiträge berechnen, muss der Nachweis der unterschiedlichen Einkommen in ca. 25.000 Fällen vom versicherten Hilfeempfänger in Zusammenarbeit mit dem Träger der Sozialhilfe erbracht werden.