Handelsgesetzbuch

Genossenschaften ­ ein alter Zopf?

Von den 8.100 genossenschaftlichen Unternehmen in Deutschland sind über 200 im Berliner Genossenschaftsregister registriert. Erfreulich ist, dass die Zahl von Neueintragungen die Zahl von Löschungen in Berlin übersteigt. Diese Genossenschaften, darunter auch die fünf „Stadtteilgenossenschaften" sind eine der möglichen Wirtschafts- und Rechtsformen der Teilnahme am Wirtschaftsleben.

Das Genossenschaftsgesetz (GenG) und die grundsätzliche Anwendbarkeit des Handelsgesetzbuches (HGB) machen die Genossenschaft zu einem auf dem Markte agierendem Unternehmen. Genossenschaften haben aber ebensowenig einen besonderen wirtschaftspolitischen oder arbeitsmarktpolitischen Auftrag oder Funktion wie Unternehmen in einem anderen „Rechtskleid". Genossenschaften sind gemäß § 1 Absatz 1 GenG nur ihren Mitgliedern (juristischen oder natürlichen Personen) verpflichtet.

Die Genossenschaftslandschaft ist „artenreich": Industrie- und Agrarunternehmen, Handwerker, Gewerbetreibende, Angehörige freier Berufe, Kommunen und Gründungsinitiativen erschließen neben traditionellen auch neue Geschäftsfelder für die genossenschaftliche Rechtsform. Die Hinwendung zu kooperativen Formen des Wirtschaftens und die Gründung von neuen Genossenschaften ist seit einigen Jahren nicht nur ein fachspezifisches Thema in der deutschen Genossenschaftsorganisation.

Die Förderung der Genossenschaftsmitglieder kann: (1.) durch die Mehrung der Einnahmen oder aber (2.) durch die Minderung der Ausgaben erfolgen.

Anzumerken ist, dass eine Genossenschaft ebenso gemeinnützige Ziele im Sinne der Abgabenordnung verfolgen kann wie der eingetragene Verein. Auf diese Problematik machen Stellungnahmen genossenschaftlicher Prüfungsverbände ebenso aufmerksam wie Veröffentlichungen seitens der Genossenschaftswissenschaft. Es gibt vor allem aber ausreichend praktische Beispiel für gemeinnützige Genossenschaften (Schulgenossenschaften, Behindertengenossenschaften u.a.).

In Produktivgenossenschaften setzt sich die Förderung der Genossenschaftsmitglieder aus den folgenden Elementen zusammen: (1.) Schaffung und Erhaltung sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze; (2.) Vergütung der geleisteten Arbeit und (3.) Gewinnbeteiligung.

Genossenschaften ­ Erfahrungen und Anregungen

Wie in den folgenden Abschnitten gezeigt wird, kann die eingetragene Genossenschaft eine vorteilhafte Wirtschafts- und Rechtsform sein: (1.) Für Kooperationen von kleinen und mittelständischen Unternehmen und von Angehörigen freier Berufe. Es besteht ein zunehmender Bedarf:

a) nach Konzepten zur Reduktion der betrieblichen Fixkosten;

b) zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit des einzelnen Unternehmens durch ein umfassendes Leistungsangebot (z.B. bei Ausschreibungen);

c) für die gemeinsame Anschaffung und den Betrieb von Anlagen, den gemeinsamen Bezug von Strom, Telefondiensten und Dienstleistungen und den Betrieb von Gemeinschaftspraxen;

d) nach Ausgliederung von betriebswirtschaftlichen Prozessen (Abrechnung, Beschaffung von Material und Geräten);

e) für die Interessenvertretung über traditionelle Organisationsformen und ­ grenzen hinaus, für Marketing- und Werbeaufgaben, die Gestaltung und den Einsatz neuer Medien.

a) Hier bieten sich Netzwerke und Kooperationen an, wobei die Rechtsform der Genossenschaft nur eine, aber eine sehr vorteilhafte Wirtschafts- und Rechtsform der Durchführung dieser Kooperation darstellt. Insbesondere

Vgl. dazu: Lang, Weidmüller, Metz, Schaffland (Hrsg.): a.a.O. Seite 13ff. mittelständische Kooperationen bieten den teilnehmenden Unternehmen bzw. Freiberuflern bemerkenswerte betriebswirtschaftliche Vorteile.

(2.) Für Existenzgründungen, darunter aus (drohender) Arbeitslosigkeit und aus geschützten Arbeitsformen heraus: Deindustrialisierung, Deökonomisierung, hohe Arbeitslosenzahlen und das Entstehen benachteiligter Wohnquartiere58 haben den Gedanken von Produktivgenossenschaften als Möglichkeit eines punktuellen Wiedereintrittes von Erwerbslosen in den ersten Arbeitsmarkt wiederbelebt. Vor allem zwei Formen verdienen hier künftig Aufmerksamkeit:

a) Genossenschaften von Existenzgründern für Existenzgründer ­ Junge Unternehmen in unterschiedlichen Rechtsformen schließen sich zu einer Dienstleistungsgenossenschaft für ihre Mitgliedsbetriebe und für Existenzgründer zusammen und bieten folgenden Leistungen kommerziell an: Gewerberaumvermietung, Bürodienstleistungen, Beratung und Fortbildung, gemeinsames Marketing, Messeauftritte und Vertrieb.

b) Der Gedanke der „gemeinsamen Selbständigkeit" in Produktivgenossenschaften stößt auf bundesweites Interesse, darunter auch bei den einbezogenen Gründungsinitiativen.

(3.) Beim Beteiligungsmanagement von Kommunen, der Übernahme von kommunalen Aufgaben und der Liberalisierung von (kommunalen) Märkten:60

Durch den Zwang zur Begrenzung von Ausgaben in den Ländern und Kommunen ist es notwendig, über neue Formen von Public-Privat-Partnership nachzudenken, was bei der Übernahme von kommunalen Aufgaben auch in der Rechtsform der Genossenschaft geschehen kann: Erfolgreich betriebene Schulgenossenschaften, genossenschaftliche Betriebe des (Öffentlichen)

Erinnert sei hier außerdem an die Möglichkeit von Betriebsübernahmen und Betriebsnachfolgen in der Rechtsform der Genossenschaft.

Vgl. dazu: Bundesverband deutscher Wohnungsunternehmen e.V. (Hrsg.): Wohnungsgenossenschaften und wohnungswirtschaftliche Innovationen. GdW Schriften 50. Hamburg 2000.

Vgl. dazu: Jardine, Anja: Gemeinsam Selbständig ­ mit Zukunft. In: Brand eins. 2003. Heft 7.

Seite 63ff.

Zu diesem Thema führte der GNV e.V. am 29.09.2003 einen Workshop durch, indem deutlich wurde, dass die Genossenschaftsidee auch bei der Privatisierung verstärkt in die kommunalpolitische Diskussion eingebracht werden sollte.