Vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren

Das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren war bisher in § 60a a. F. (Vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren) geregelt.

Wie beim Genehmigungsfreistellungsverfahren wird auch beim vereinfachten Baugenehmigungsverfahren der mit dem Achten Änderungsgesetz 1997 eingeschlagene Weg der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung, basierend auf den entsprechenden Regelungen der MBO, mit den neuen Regelungen zum vereinfachten Baugenehmigungsverfahren fortgesetzt. Bezüglich des Umfangs und der Größenordnung der im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren genehmigungsfähigen Vorhaben bietet die MBO den Ländern auch hier, wie für das Genehmigungsfreistellungsverfahren, die Wahlmöglichkeit unter verschiedenen Modulen an, wobei Modul [A] das weitreichendste und Modul [F] das zurückhaltendste ist. Inhaltlich sind die angebotenen Module mit den für das Genehmigungsfreistellungsverfahren angebotenen identisch.

Für Berlin soll wie beim Genehmigungsfreistellungsverfahren das Modul [A] zum Tragen kommen.

Absatz 1 Satz 1 sieht vor, dass ein vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren jetzt nur noch für diejenigen Bauvorhaben durchzuführen ist, die keine Sonderbauten sind.

Daneben ist § 63 Abs. 1 zu beachten, wonach Bauvorhaben, die keine Sonderbauten sind, jedoch auf Grund ihrer Lage die dort genannten bauplanungsrechtlichen Vorraussetzungen erfüllen, dem Genehmigungsfreistellungsverfahren unterliegen. Dem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren unterliegt also gewissermaßen die „Restmenge" von Vorhaben, bei denen es sich weder um Sonderbauten handelt und die nicht die bauplanungsrechtlichen Vorrausetzungen für eine Genehmigungsfreistellung erfüllen.

Umfang und Größenordnung der bisher dem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren unterliegenden Bauvorhaben werden damit gegenüber der bisherigen Regelung des § 60a Abs. 1 a. F., wonach im wesentlichen die Grenze des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens für Wohngebäude bei drei Vollgeschossen, für eingeschossige Gebäude, auch mit Aufenthaltsräumen, bei 200 m² Grundfläche, für Gebäude ohne Aufenthaltsräume bei 100 m² Grundfläche und zwei Vollgeschossen sowie bei Stellplätzen, Garagen und Nebenanlagen für diese Gebäude lag, erheblich ausgeweitet.

Außerdem wurde der Prüfumfang hinsichtlich des Bauordnungsrechts (vgl. § 60a Abs. 2 Satz 1 a. F.) nochmals deutlich zurückgenommen mit der Folge, dass das Bauordnungsrecht - unbeschadet des § 67 - im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht mehr geprüft wird. Das für eine Rechtfertigung einer solchen Entscheidung insoweit in erster Linie in Betracht zu ziehende Abstandsflächenrecht ist durch die Neuregelung in § 6 derart vereinfacht worden, dass seine Anwendung nunmehr den am Bau Beteiligten in primärer Eigenverantwortung zugemutet werden kann, ohne auf diese Weise nicht mehr vertretbare Rechts- und Investitionsunsicherheit zu erzeugen. Die Baugenehmigung im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gewinnt somit im Kern den Charakter einer nur noch planungsrechtlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung.

Insgesamt ist die Ausweitung des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens - wie beim Genehmigungsfreistellungsverfahren auch - vor dem Hintergrund, dass die in § 67 (Baud15-3926.doc Seite 117 von 316 technische Nachweise) verankerte Verpflichtung zur Erstellung bautechnischer Nachweise sowie die nach dem Gefahrenpotenzial der Vorhaben abgestufte Prüfung dieser Nachweise durch Prüfingenieurinnen oder Prüfingenieure bzw. die Bauaufsichtsbehörde selbst hier einen geeigneten Ausgleich herstellen - angemessen und vertretbar.

Nummer 1 sieht daher zunächst nur die Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvorschriften der §§ 29 bis 38 BauGB vor; Abweichungen von sonstigem materiellen Bauplanungsrecht - z. B. das Erfordernis einer Ausnahme von einer Veränderungssperre nach § 14 Abs. 2 BauGB - sind (sofern kein eigenständiges Gestattungsverfahren vorgesehen ist, wie etwa in § 144 BauGB) nach § 68 Abs. 2 zu behandeln.

Nummer 2 bezieht nach § 68 Abs. 1 und 2 Satz 2 beantragte Abweichungen in das Prüfprogramm ein. Dabei handelt es sich um eine letztlich bloß bescheidstechnische Regelung, mit der klargestellt wird, dass über solche Abweichungen trotz des beschränkten Prüfumfangs auch zugleich im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren mitentschieden werden kann; davon bleibt aber die Beschränkung des Prüfprogramms grundsätzlich mit der Folge unberührt, dass es Sache der Bauherrin bzw. des Bauherrn ist, diese Abweichungen im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren ausdrücklich zur Prüfung zu stellen, und nicht etwa die Bauaufsichtsbehörde das Bauvorhaben auf Abweichungen von nicht zum Prüfprogramm gehörigen Vorschriften zu untersuchen hat.

Nummer 3 bezieht in das Prüfprogramm andere - nicht von Nummer 1 und 2 erfasste - öffentlich-rechtliche Anforderungen ein, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt oder ersetzt wird, d. h. immer dann, wenn ein fachrechtliches Anlagenzulassungsverfahren für den Fall eines Baugenehmigungsverfahrens diesem (unter Zurücktreten der fachrechtlichen Gestattung) die Prüfung des materiellen Fachrechts zuweist (sog. „aufgedrängtes" öffentliches Recht). Satz 2, wonach § 67 unberührt bleibt, enthält - über eine bloße Klarstellung (wie sie § 63 Abs. 5 Satz 1 zum Ausdruck bringt) hinausgehend - eine zusätzliche Regelung des bauaufsichtlichen Prüfprogramms, da § 67 Abs. 2 Satz 1 eine bauaufsichtliche Prüfung des Standsicherheitsnachweises und § 67 Abs. 2 Satz 2 eine bauaufsichtliche Prüfung des Brandschutznachweises jeweils für die dort genannten Fälle fordert. Das Prüfprogramm des § 64 Satz 1 wird durch Satz 2 also um die jeweils der bauaufsichtlichen Prüfung unterworfenen Gegenstände erweitert.

Regelungen zu den bisher in § 60a Abs. 4 a. F. umschriebenen Verantwortungsbereichen der Entwurfsverfasserin oder des Entwurfsverfassers sowie der für einzelne Fachgebiete hinzugezogenen Sachverständigen sind jetzt in § 55 (Entwurfsverfasserin oder Entwurfsverfasser) und § 67 (Bautechnische Nachweise), enthalten.

Bisher in Absatz 5 a. F. enthaltene Aussagen zur Verantwortung der Bauleiterin oder des Bauleiters finden sich nun in § 57 (Bauleiterin oder Bauleiter).

Zu § 65:

Baugenehmigungsverfahren: § 65 knüpft grundsätzlich an das „herkömmliche" Baugenehmigungsverfahren (bisher § 62 a. F. - Baugenehmigung und Baubeginn) an, modifiziert dieses aber weitgehend und formuliert erstmals das Prüfprogramm aus.

Satz 1 regelt zunächst den gegenständlichen Anwendungsbereich des Baugenehmigungsverfahrens. Aus § 63 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 64 Satz 1 ergibt sich, dass lediglich Sonderbauten dem („herkömmlichen") Baugenehmigungsverfahren nach § 65 unterworfen bleiben sollen.

Zielte indessen das herkömmliche Baugenehmigungsverfahren (vgl. § 62 Abs. 1 Satz 1 a. F.) jedenfalls grundsätzlich noch auf eine umfassende Prüfung der auf das jeweilige Bauvorhaben anzuwendenden öffentlich-rechtlichen Anforderungen und damit auf eine Baugenehmigung als (grundsätzlich) umfassende öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung, gilt nunmehr auch für das Baugenehmigungsverfahren nach § 65 nur noch ein deutlich eingeschränktes Prüfprogramm. Es umfasst zunächst - übereinstimSeite 118 von 316 d15-3926.doc mend mit § 64 Satz 1 Nr. 1 - die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Bauvorhaben nach den §§ 29 bis 38 BauGB (Nummer 1). Ferner zu prüfen ist das gesamte Bauordnungsrecht (Nummer 2), weil nur so für die stets dem Baugenehmigungsverfahren nach § 65 vorbehaltenen Sonderbauten (§ 2 Abs. 4) der „Einstieg" in eine Prüfung der Anforderungen der Sonderbauverordnungen und die Möglichkeit eröffnet ist, besondere Anforderungen zu stellen und ggf. kompensatorische Erleichterungen zuzulassen (§ 52 Sätze 1 und 2). Nummer 3 schließlich schreibt (in Übereinstimmung mit § 64 Satz 1 Nr. 3) die Prüfung des „aufgedrängten" öffentlichen Rechts vor.

Kern der darin liegenden Neukonzeption des Baugenehmigungsverfahrens ist eine Verlagerung der verfahrensrechtlichen Koordination vom bauordnungsrechtlichen auf die sonstigen öffentlich-rechtlichen (Fach-)Verfahren des jeweils beachtlichen - häufig auch als Baunebenrecht bezeichneten - Fachrechts. An öffentlich-rechtlichen Anforderungen, die nicht dem spezifischen Baurecht (Bauplanungs- und Bauordnungsrecht) angehören, soll im Baugenehmigungsverfahren nur noch geprüft werden, was nach diesem jeweiligen Fachrecht einer Präventivkontrolle und zwar, soweit ein Baugenehmigungsverfahren durchgeführt wird, in diesem Verfahren unterworfen werden soll. Damit soll das - sachnähere - Fachrecht darüber entscheiden, ob und in welchem Verfahrensregime (einem fachrechtlichen oder dem bauordnungsrechtlichen) seine jeweiligen materiellen Anforderungen einer der Ausführung des Bauvorhabens vorausgehenden Überprüfung unterzogen werden sollen. Damit trägt das Fachrecht auch die rechtspolitische Verantwortung dafür, ob und in welchem Umfang das bauordnungsrechtliche Genehmigungsverfahren mit der Prüfung von Fachrecht belastet wird, und dafür, in welchem Maße fachrechtliche Anlagenzulassungsverfahren mit baurechtlichen Genehmigungsverfahren verknüpft und koordiniert werden.

Hinsichtlich des (materiellen) bauaufsichtlichen Prüfprogramms ergibt sich damit in denjenigen Fällen keine Änderung, in denen bereits fachrechtliche Anlagenzulassungsverfahren bestehen. Tritt das fachrechtliche Verfahren bei Baugenehmigungsbedürftigkeit zurück und weist das Fachrecht seine Prüfung dem Baugenehmigungsverfahren zu, verbleibt es wegen Satz 1 Nr. 3 bei der bisherigen Rechtslage. Sind fachrechtliches und baurechtliches Genehmigungsverfahren nicht koordiniert (sog. parallele Anlagengenehmigungsverfahren), war bereits bisher in der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. dazu rechtsgrundsätzlich BVerwG, Urt. v. 11.05.1989 - 4 C 1.88 -, NVwZ 1989, 1163 - Zwischenlager Ahaus) geklärt, dass die Prüfung des Fachrechts im fachrechtlichen, nicht im bauordnungsrechtlichen Genehmigungsverfahren, aber mit Bindung für Letzteres erfolgte.

Von der Neukonzeption betroffen ist daher nur solches sonstige öffentliche (Fach-)Recht, das für seine materiellen Anforderungen bisher kein präventives Kontrollverfahren kennt.

Dieses Fachrecht wird neu zu entscheiden haben, ob dafür eigenständige oder mit dem bauordnungsrechtlichen koordinierte Anlagenzulassungsverfahren erforderlich sind. Der damit verbundene fachrechtliche Anpassungsbedarf wird nicht verkannt. Die nunmehr gewählte Lösung erscheint jedoch im Vergleich zu der Alternative systematisch konsequenter und auch im Verhältnis zum Fachrecht sachangemessener, einzelne Anforderungsbereiche des materiellen Fachrechts aus dem Prüfprogramm (auch) des Baugenehmigungsverfahrens nach § 65 auszunehmen; denn auf diese Weise nähme das Bauordnungsrecht ihm nicht zustehende Bewertungen des Ranges und der Bedeutung von Fachrecht vor, was auf der Seite des Fachrechts u. U. als Diskriminierung oder als Versuch, seitens der Bauaufsicht empfunden werden könnte, als besonders lästig empfundene Materien „abzuschieben".