Eingliederungshilfe

1. Die Leistungen der Eingliederungshilfe werden zum großen Teil über vertraglich vereinbarte Entgelte finanziert, die in Inhalt, Umfang, Qualität und Höhe typisiert und verpreislicht sind. Da ein unmittelbarer Steuerungszusammenhang mit den Instrumenten des Fallmanagements besteht und die Transferausgaben in ihrer Höhe in weiten Teilen über die Entgelte geprägt werden, ist eine sukzessive Erweiterung des Vertragsgeschehens durch mehr Angebotstransparenz, Stärkung von Wettbewerbselementen, Qualitätsmonitoring oder erfolgsbezogene Anreize erforderlich. Dabei ist jedoch der gesetzliche Handlungsrahmen zu beachten, insbesondere das Vertragsprinzip, wonach entsprechende Maßnahmen mit den Leistungsanbietern zu vereinbaren sind.

2. Daneben ist es perspektivisch erforderlich, die Instrumente und Methoden zur Gewinnung zeitnaher Steuerungsinformationen über die Leistungs- und Ausgabenentwicklung (Fach- und Finanzcontrolling) weiter auszubauen, um die Steuerung im Einzelfall zu unterstützen und fundierte Hinweise auf Veränderungsnotwendigkeiten im Gesamtsystem der Eingliederungshilfe zu identifizieren.

Beide Ansätze müssen dabei komplementäre Effekte und Wirkungen auf die Eingliederungshilfe entfalten.

Der Senat wird diese Ansätze konsequent weiter verfolgen und dabei die aufgezeigten ersten Anregungen in die weiteren Überlegungen mit einbeziehen. Darüber hinaus unterstützt der Senat die fachpolitischen Bestrebungen, Regelleistungen zur Eingliederung von Menschen mit Behinderung aus dem von den Ländern und Kommunen nach dem Fürsorgeprinzip sicherzustellenden Leistungskanon herauszulösen und den Bund teilweise oder ganz in die Finanzierungsverantwortung zu nehmen. Ob und wann die auch vom Senat mitgetragenen Initiativen der Sozialhilfeträger sowie einiger Bundesländer Aussicht auf Erfolg haben werden, ist derzeit nicht abschätzbar.

Die Ausgaben des Landes Berlin für Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen haben sich im Vergleich der Haushaltsjahre 1995 und 2004 mehr als verdoppelt. Vom Haushaltsjahr 2005 an scheint sich ein leichter Rückgang der Ausgabenentwicklung von 544,6 Mio. auf 530,5 Mio. anzudeuten, wie die nachfolgende Ansicht zeigt (Zahlen nach Angaben der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales/Senatsverwaltung für Finanzen).

Die für die Jahre 2005 und 2006 dargestellten Ausgaben enthalten allerdings im Gegensatz zu denen der vorangegangenen Jahre teilweise bzw. nahezu vollständig nicht mehr die in Einrichtungen gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt. Mit dem Inkrafttreten des SGB XII zum 1. Januar 2005 ist der geleistete Lebensunterhalt nicht mehr wie nach dem BSHG Bestandteil der Hilfen in Einrichtungen und wird deshalb bei einem gesonderten Haushaltstitel ausgewiesen. Um eine Vergleichbarkeit mit den Ausgaben der Vorjahre herzustellen, müssten die getrennt gebuchten Ausgaben für den Lebensunterhalt ermittelt und den für die Jahre 2005 und 2006 dargestellten Ausgaben hinzugerechnet werden.

Die für Soziales zuständige Senatsverwaltung hat insofern nicht dafür gesorgt, dass die Ausgaben für den Lebensunterhalt in Einrichtungen getrennt nach behinderten Menschen und nach Pflegebedürftigen veranschlagt werden. Dadurch lässt sich die Höhe der Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nicht eindeutig bestimmen. Eine Steuerung der Ausgabenentwicklung ist aufgrund dieser Datenlage kaum möglich. Der Rechnungshof hat die fehlende Haushaltstransparenz beanstandet. Er geht unter Verwendung von Fallzahlerhebungen aus der Kosten- und Leistungsrechnung und einer Hilfsberechnung davon aus, dass sich einschließlich der Hilfe zum Lebensunterhalt für das Jahr 2005 Ausgaben von ca. 546 Mio. und für das Jahr 2006 von ca. 551 Mio. ergeben.

Entgegen der Darstellung in der Ansicht setzt sich der Ausgabenanstieg damit fort. Dies bestätigen auch die neuesten vorliegenden Zahlen für das Jahr 2007 von 544,4 Mio., die zuzüglich geschätzter Ausgaben für die Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen zu einer Summe von ca. 565 Mio. führen.

Die aufgezeigte Verdoppelung der Ausgaben bei der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung nach BSHG bzw. (ab 01.01.2005) SGB XII ist korrekt1 wiedergegeben, für sich genommen aber ohne Aussagewert, da die Transferausgaben der Sozialhilfe stets ein Produkt aus Leistungsanspruch und Menge sind. Unter Einbeziehung der Mengenkomponente (Entwicklung der Empfängerzahlen die Anzahl der Leistungsberechtigten hat sich in Berlin von 1995 [= 10.620 Personen] auf 2006 [= 28.919 Personen] fast verdreifacht - war ein Ausgabenanstieg im fraglichen Zeitraum daher unvermeidlich.

Es ist richtig, dass seit Inkrafttreten des SGB XII im stationären Bereich der Eingliederungshilfe der in den Kosten enthaltene Lebensunterhalt (z.B. für Unterkunft und Heizung) buchungstechnisch nicht mehr der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung zuzuordnen ist. Mit Inkrafttreten der rechtlichen Regelung zum 01.01.2005 lag eine entsprechende Softwarelösung bundesweit nicht vor. Eine informationstechnische Anpassung konnte für die in Berlin eingesetzte Fachsoftware PROSOZ/S durch den Hersteller erst Mitte 2006 realisiert werden. Insofern sind in den Buchungsdaten der Eingliederungshilfe für 2005 und 2006 in hohem Maße Beträge für den Lebensunterhalt im stationären Bereich enthalten. Der Senat wird die beanstandete fehlende Haushaltstransparenz und die Forderung nach getrennter Veranschlagung der Ausgaben für den Lebensunterhalt für Menschen mit Behinderung und Pflegebedürftige im Zuge der nächsten Anpassung von Haushaltsstrukturen aufgreifen.

Die geschätzten Eingliederungshilfeausgaben unter Einbeziehung des Anteils für den Lebensunterhalt können vom Senat in ihrer Höhe nicht nachvollzogen werden, da die Art und Weise der Berechnung nicht offen gelegt wurde. Hinzu kommt, dass die dafür herangezogenen Fallzahlen aus der Kosten- und Leistungsrechnung der Bezirke aus Sicht des Senats für die Datenjahre 2005 und 2006 in Teilbereichen nicht valide und daher nur bedingt brauchbar sind. Die Bezirksämter von Berlin haben diesen Mangel zwischenzeitlich erkannt und über die Produktmentorengruppe 880 in Zusammenarbeit mit den zuständigen Senatsverwaltungen ein qualitätsgesichertes alternatives Auswertungsverfahren entwickelt. minimale Abweichungen zu den Ergebnissen der Bundesstatistik ergeben sich aus unterschiedlicher Zuordnung von Buchungen bei der Gewährung von Eingliederungshilfe als Darlehen

Datenquelle: Bundesstatistik; Empfänger im Laufe des Jahres; Zählung pro Maßnahme der Eingliederungshilfe allein von 2004 (= 22.974 Personen) auf 2006 ist ein Zuwachs von 25,8 v. H. zu verzeichnen, wobei dies dem bundesweiten Trend entspricht (Eingliederungshilfeberechtigte bundesweit 1995 = 405.146 / 2004 = 628.

Zuwachs um 55,5 v. H.; Ausgaben der Eingliederungshilfe bundesweit 1995 = 6,7 Mrd. / 2004 = 11,4 Mrd. Zuwachs um 70,1 v. H.); Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 13; Empfänger im Laufe des Jahres; Zählung pro Maßnahme der Eingliederungshilfe

Der überwiegende Teil der Ausgaben in der Eingliederungshilfe wird über Vereinbarungen der Senatsverwaltung mit den Einrichtungsträgern festgelegt. Angesichts der Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung hatte das Abgeordnetenhaus den Senat durch Auflagenbeschluss vom 28. Juni 2002 zum Haushaltsplan 2002/2003 zur Reduzierung der Kostensätze im Bereich der entgeltfinanzierten Leistungen aufgefordert. Die Senatsverwaltung hat daraufhin alle Vergütungsvereinbarungen zum 31. Dezember 2002 gekündigt, sie dann allerdings bis zum 30. Juni 2003 fortgeführt, weil sie zunächst das Ergebnis eines von ihr initiierten Stadtstaatenvergleichs abwarten wollte.

Der im Mai 2003 vorgelegte Vergleich zwischen Berlin, Hamburg und Bremen kam zum Ergebnis, dass die Maßnahmepauschalen für die Eingliederung behinderter Menschen in Berlin sehr viel höher als in Hamburg und Bremen sind. So wurde z. B. festgestellt, dass im Bereich Wohnen für geistig/körperlich behinderte Menschen die Maßnahmepauschalen um ca. 9,3 v. H. höher als in Hamburg und 17,2 v. H. höher als in Bremen sind. Im Bereich der seelisch behinderten Menschen lagen die Maßnahmepauschalen um ca. 13,7 v. H. höher als in Hamburg und 24,9 v. H. höher als in Bremen.

Die für Soziales zuständige Senatsverwaltung hat die Verlängerung der Vergütungsvereinbarungen über den 31.12.2002 hinaus an die Übereinkunft mit den Einrichtungsträgern geknüpft, dass - sich für den anschließenden Zeitraum bis 30.06.2003 ergebende - Personal- und Sachkostensteigerungen bis zum Abschluss neuer Verträge unberücksichtigt bleiben. Zeitgleich wurde von Seiten der Träger seinerzeit zugesichert, Ergebnisse der Solidarpaktverhandlungen oder einen tariflichen Sonderweg des Landes Berlin im eigenen Bereich umzusetzen. Die Verlängerung der Vergütungsvereinbarungen für ein halbes Jahr hat somit sich abzeichnende sofortige Preisanstiege verhindert und die Basis für den in diesem Zeitraum durchgeführten Stadtstaatenvergleich und die darauf beruhenden Einsparverhandlungen geschaffen.

Die beispielhaft angeführten preislichen Unterschiede bei den Maßnahmepauschalen in den Stadtstaaten weisen nur einen Teil des gesamten Spektrums der Vergütungspauschalen aus, vernachlässigen diverse Strukturaspekte und lassen nach Auffassung des Senats daher nur eingeschränkte Schlussfolgerungen auf vermeintliche Leistungsvorsprünge Berlins zu. Insgesamt hat das durchgeführte Benchmarking mit Hamburg und Bremen zu einer - einvernehmlich mit den Einrichtungsträgern über das gemeinsame Gremium „Kommission 93" (jetzt: „Kommission 75") beschlossenen

- Vielzahl von nach Leistungstypen differenzierten Maßnahmen zur Reduzierung der Vergütungssätze im Bereich Soziales geführt. Die daraus resultierenden neuen Leistungsvereinbarungen auf abgesenktem Niveau haben Einsparungen in Höhe von ca. 34 Mio. erbracht, die ansonsten jährlich zusätzlich aus Landesmitteln (zuzüglich Anstieg der Empfängerzahlen und allgemeine Preisentwicklung) zu finanzieren wären. Mit diesen Absenkungen leisten die Einrichtungen des sozialen Bereichs einen erheblichen Beitrag zu den Konsolidierungsbemühungen des Berliner Landeshaushalts. Der Auflagenbeschluss Nr. 83 vom 28.06.2002 zum Haushaltsgesetz 2002/2003 wurde aus Sicht des Senats damit auftragsgemäß umgesetzt.

Die Senatsverwaltung hat am 27. Mai 2003 eine Absenkung des Vertragsvolumens um 16,25 Mio. über einen Zeitraum vom 1. Juli 2003 bis zum 31. Dezember 2006 mit den Einrichtungsträgern vereinbart, und zwar größtenteils über prozentuale Absenkungen der Vergütungssätze vom 1. Juli 2003 an. Insbesondere im Bereich der Werkstätten für behinderte Menschen bezogen sich diese prozentualen Absenkungen allerdings auf ein zuvor durch Vergütungsdifferenzierung erheblich angehobenes Niveau.

Bis zum 31. Dezember 2001 wurden die monatlichen Vergütungen für die Werkstätten ohne weitere Differenzierung mit einem einheitlichen Betrag je Werkstätte vereinbart. Vom 1. Januar 2002 an wurden die Vergütungen entsprechend den neu gebildeten Hilfebedarfsgruppen 1 : 12, 1 : 9, 1 : 6 und 1 : 3, je nach dem personellen Betreuungsaufwand für die Leistungsberechtigten, differenziert. Die Hilfebedarfsgruppe 1 : 12 bedeutet beispielsweise, dass ein Mitarbeiter zwölf Werkstattbeschäftigte betreut. Die Höhe der Vergütungssätze lag nur bei der Hilfebedarfsgruppe 1 : 12 um durchschnittlich 3 v. H. unter dem zuvor geltenden Einheitssatz, bei der Hilfebedarfsgruppe 1 : 9 aber um durchschnittlich 6 v. H., bei der Hilfebedarfsgruppe 1 : 6 um durchschnittlich 24 v. H. und bei der Hilfebedarfsgruppe 1 : 3 um durchschnittlich 78 v. H. höher als der zuvor gültige Einheitssatz. Dadurch hatte sich die Gesamtsumme der Vergütungen erhöht, bevor es zur prozentualen Absenkung kam.

Die am 27. Mai 2003 vereinbarten Maßnahmen zur Ausgabenbegrenzung für den Zeitraum vom 1. Juli 2003 bis zum 31. Dezember 2006 hat die Senatsverwaltung überdies in Höhe von ca. 1,5 Mio. wieder zurückgenommen, indem sie die Vergütungssätze vom 1. Oktober 2005 an erneut angehoben hat.