Ausbildung

Zudem hat das Gericht wiederholt betont, dass Menschen durch eine staatliche Registrierung ihres Verhaltens davon abgehalten werden, von ihren Grundrechten (z.B. der Versammlungsfreiheit) Gebrauch zu machen. Vor diesem Hintergrund können Bildaufnahmen aus dem Versammlungsgeschehen heraus ebenfalls nur ausnahmsweise in Betracht kommen, z. B. wenn ihr Zweck von einem anderen Standort aus nicht erreichbar ist. Dies wird angesichts des heutigen Standes der Technik kaum einmal der Fall sein. Jedenfalls dürfen sie nicht dazu führen, dass das Filmen nicht mehr hinreichend als polizeiliche Maßnahme erkennbar ist. zogenem Charakter nur bei Vorliegen einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage und unter Beachtung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze erfolgen. Nach dem Rundschreiben sind in Berlin Übersichtsaufnahmen nur zulässig, wenn sie im Einzelfall wegen der Größe und Unübersichtlichkeit der Versammlung zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes erforderlich sind und wenn damit keine personenbezogenen Daten erhoben werden. Sobald einzelne oder mehrere Versammlungsteilnehmer durch Heranzoomen individualisiert erkennbar gemacht werden sollen, müssen zusätzlich die Voraussetzungen des § 12a VersG vorliegen, d.h. tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von diesen Versammlungsteilnehmern erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen. Auch eine Aufzeichnung von Übersichtsaufnahmen darf wegen der Möglichkeit der nachträglichen Individualisierung von Teilnehmern nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 12a VersG erfolgen. Vor diesem Hintergrund hält der Senat die vorhandenen gesetzlichen Grundlagen für ausreichend, beobachtet jedoch die weitere Entwicklung der Rechtsprechung in dieser Frage aufmerksam.

Der Gesetzgeber war zwar ausweislich der Gesetzesmaterialien bei der Schaffung des §12 a Versammlungsgesetz der Auffassung, dass Übersichtsaufnahmen zur Einsatzdokumentation sowie zu Ausbildungszwecken nicht unter diese Norm fallen würden, da das Ziel nicht die Identifizierung von Teilnehmenden sei. Außerdem griffen derartige Aufnahmen nicht in Grundrechte ein. Das ist angesichts des heutigen Standes der Technik nicht mehr vertretbar, da sich bei Verwendung digitaler Technik in aller Regel auch aus Übersichtsaufnahmen heraus einzelne Personen identifizieren lassen.

Darüber hinaus liegt eine Übersichtsaufnahme schon begrifflich nicht vor, wenn einzelne Teilnehmende der Versammlung identifiziert werden können oder sollen.

Im Ergebnis halten wir daran fest, dass es nicht nur für verdeckte Bildaufnahmen Einzelner, sondern auch für Übersichtsaufnahmen bei Versammlungen einer gesetzlichen Grundlage bedarf, die das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nicht unverhältnismäßig einschränkt. Solange der (nach der Föderalismusreform zuständige) Landesgesetzgeber eine solche Regelung nicht geschaffen hat, sind solche Aufnahmen rechtswidrig. Insofern teilen wir auch nicht die Auffassung des Polizeipräsidenten, dass die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen bis zur Schaffung einer Rechtsgrundlage zulässig ist. Er teilte mit, dass zwischen der Polizei und der Innenverwaltung ein Gedankenaustausch stattfindet, über dessen Ergebnis wir später unterrichtet werden. Das dortige Landeskriminalamt hat in Berlin nachgefragt, ob dagegen Bedenken bestünden. Dazu hat die Berliner Polizei mitgeteilt, dass sie eine Wohnungsdurchsuchung beim Petenten durchgeführt habe.

Tatsächlich wurde die Wohnung des Petenten aufgrund eines Beschlusses des Verwaltungsgerichts Berlin durchsucht. Allerdings hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg fast vier Monate vor der Datenübermittlung an das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt festgestellt, dass die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung des Verwaltungsgerichts Berlin rechtswidrig war.

Die Polizei hat uns dazu mitgeteilt, dass ihr zum Zeitpunkt der Datenübermittlung die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht bekannt gewesen sei. Sie hat erst durch uns von dieser Entscheidung Kenntnis erhalten. Daraufhin wurde geprüft, ob die Daten des Petenten für eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung benötigt werden59 mit dem Ergebnis, dass dessen Daten insgesamt gelöscht worden sind.

Die das Land Berlin in dem Verfahren vertretende Senatsverwaltung für Inneres und Sport hat keine Notwendigkeit gesehen, den Polizeipräsidenten über die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zu informieren. Der Polizeipräsident war nur auf Bitten der Senatsverwaltung in Amtshilfe tätig geworden.

Der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit hat in seinem Bericht bereits darauf hingewiesen, dass die Senatsverwaltung für Inneres und Sport künftig in vergleichbaren Fällen den Polizeipräsidenten in Berlin über spätere gerichtliche Entscheidungen in Vereinsangelegenheiten auch dann unterrichten wird, wenn der Polizeipräsident in dieser Einzelangelegenheit lediglich in Amtshilfe für die Senatsverwaltung für Inneres und Sport als zuständige vereinsrechtliche Verbots- und Vollzugsbehörde tätig wurde.

Diese Auffassung teilen wir nicht, weil die Polizei nach §42 Abs. 1 ASOG nur rechtmäßig erhobene personenbezogene Daten in Akten oder Dateien speichern, verändern und nutzen kann, soweit das zur Erfüllung ihrer Aufgaben, zu einer zeitlich befristeten Dokumentation oder zur Vorgangsverwaltung erforderlich ist. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts hätte die Senatsverwaltung für Inneres und Sport zur Prüfung veranlassen müssen, ob eine weitere Speicherung der Daten erforderlich ist und ob unrichtige oder zu löschende Daten übermittelt worden sind. In diesen Fällen ist der empfangenden Stelle die Berichtigung, Sperrung oder Löschung mitzuteilen60.

Mit der Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, dass die Durchsuchung rechtswidrig war, waren die ursprünglich übermittelten Daten (der Hinweis im polizeilichen Informationssystem auf die Durchsuchung) zu löschen. Zwar kann die Mitteilung unterbleiben, wenn sie einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dadurch schutzwürdige Belange der betroffenen Person beeinträchtigt werden61. Diese Voraussetzungen lagen aber nicht vor. Deshalb hätte eine Nachmeldung an die Polizei erfolgen müssen.

Die Senatsverwaltung für Inneres und Sport wird die Rechtslage künftig beachten und den Polizeipräsidenten über gerichtliche Entscheidungen unterrichten.

FAZIT Ordnungsbehörden und die Polizei haben nach erfolgter Datenübermittlung eine Nachberichtspflicht, wenn unrichtige, zu löschende oder zu sperrende Daten übermittelt wurden.

Der Polizeieinsatz in „Bild" AUS DER PRAXIS

Einer Boulevard-Zeitung war zu entnehmen, dass die Polizei eine Razzia am Kottbusser Tor durchgeführt hat. Dabei wurden ­ offensichtlich im Beisein von Reportern ­ verschiedene Personen durchsucht. In zumindest einem Fall wurde vor Dritten auch der Intimbereich durchsucht und davon Fotos angefertigt.

Die Polizei teilte uns mit, dass bei diesem Einsatz im Bereich des Kottbusser Tors die Polizeibeamten von Reportern der Zeitung begleitet wurden. Bei dem Einsatz sind viele Personen der örtlichen Drogenszene überprüft worden. Für die erforderlichen Durchsuchungsmaßnahmen wurde ein für die Öffentlichkeit nicht zugänglicher und nicht einsehbarer Raum genutzt. In dem konkreten Fall wurde ein in der Vergangenheit bereits einschlägig als Drogendealer in Erscheinung getretener junger Mann überprüft.