Beweislast

Zur Frage, wer notfalls die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass der Verletzte eine zumutbare andere Arbeit gefunden hätte.

Zum Sachverhalt: Im Jahre 1965 wurde der damals 34 Jahre alte Bundesbahnschlosser H bei einem Verkehrsunfall, den der Beklagte verschuldet hatte, erheblich verletzt. Er erlitt ein so genanntes stumpfes Bauchtrauma; ihm mussten operativ der Kopf der Bauchspeicheldrüse sowie ein Teil des Magens und des Zwölffingerdarms entfernt werden. Dabei wurde zur Vermeidung von Komplikationen auch die Gallenblase wegen unfallunabhängiger Krankheit herausgenommen. Der Beklagte hat in vollem Umfang für den Unfallschaden aufzukommen. Die Kläger, die Bundesbahn-Versicherungsanstalt, zahlte H zunächst Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit, die 1969 in eine Dauerrente umgewandelt wurde. Sie hat den Beklagten, nachdem dessen Haftpflichtversicherer weitere Erstattung ihrer Aufwendungen verweigerte, für die Zeit vom 1. 7..1971 bis 31. 10. 1973 auf Zahlung der von ihr geleisteten Renten in Anspruch genommen. Der Beklagte hat bestritten, dass H in dem genannten Zeitraum erwerbsunfähig gewesen sei; zumindest habe er umgeschult werden können, um durch eine leichtere Arbeit, die er vor allem bei der Bundesbahn habe finden können, ausreichend zu verdienen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Die Revision des Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht hält für erwiesen, dass der heutige schlechte Gesundheitszustand des H auf den Unfall, insbesondere auf die ungenügende Leistung seiner Bauchspeicheldrüse, zurückzuführen ist; dieser mache es ihm unmöglich, seinen Beruf als Schlosser weiterhin auszuüben. Die Kläger habe daher aus übergegangenem Recht Anspruch auf Erstattung der von ihr erbrachten Rentenleistung, die höher seien als der jeweilige monatliche Verdienstentgang des H. Diese Feststellung des Berufungsgerichts greift die Revision ohne Erfolg an. Mit ihrem Hinweis, es lägen objektivierbar keine krankhaften Befunde vor, den Gutachten der beiden medizinischen Sachverständigen lasse sich nicht entnehmen, dass die von H subjektiv empfundenen Beschwerden eindeutig auf die Operation und damit auf den Unfall zurückzuführen seien, setzt sie lediglich ihre eigene Beweiswürdigkeit an die Stelle derjenigen des Tatrichters. Das aber ist revisionsrechtlich unzulässig.

Ferner prüft das Berufungsgericht, ob H gegen die ihm nach § 254 II BGB obliegende Pflicht zur Schadenminderung verstoßen, d. h. sich nicht so verhalten hat, wie es nach allgemeiner Lebenserfahrung von einem ordentlichen und verständigen Menschen zu erwarten ist. Auf die Kläger als Legalzessionarin ist nur der Schaden übergegangen, wie ihn die Verletzte in zumutbarer Weise durch Verwertung der ihm verbliebenen Arbeitskraft hätte mindern können. Zu diesen Fragen halten die Ausführungen des Berufungsgerichts den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten stand.

Das Berufungsgericht verkennt nicht, dass H nach den Gutachten in dem hier streitigen Zeitraum in der Lage gewesen wäre, einer mit leichterer körperlicher Anstrengung, als es der Schlosserberuf erfordert, verbundene Arbeit auszuüben, wenn ihm in gewissen Abständen Ruhepausen eingeräumt worden wären, und dass er die vorhandenen Beschwerden durch geeignete Diät wesentlich hätte lindern können. Es ist jedoch der Meinung, dafür, dass bei entsprechenden Bemühungen auch ein geeigneter Arbeitsplatz hätte gefunden werden können, sei der Beklagte als Schädiger darlegungs- und beweispflichtig. Diesen Beweis habe er mit dem bloßen Hinweis, dass bei der Bundesbahn vielerlei Arbeitsmöglichkeiten bestünden, nicht geführt. Somit fehle es schon objektiv an einem ursächlich gewordenen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht, so dass nicht mehr zu prüfen sei, ob auch die subjektiven Voraussetzungen bei H und vor allem bei der Kläger vorgelegen hätten. Da von H selbst schwerlich erwartet werden könne, dass er sich trotz Gewährung einer Dauerrente noch um einen Arbeitsplatz bemühte, sei ein Verschulden von vornherein nur bei der Kläger denkbar.

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, weil das Berufungsgericht mit seiner einseitigen, allein auf Pflichten und Lasten des Schädigers abstellenden Betrachtungsweise dem Problem, wie im Streitfall der Nachweis der Verletzung der Schadensminderungspflicht zu führen ist, nicht gerecht wird.

Zutreffend geht das Berufungsgericht von dem Grundsatz aus, dass im Haftpflichtrecht letztlich der Schädiger beweisen muss, dass es dem Verletzten nach den gesamten Umständen seiner besonderen Lage möglich und zumutbar war, eine andere als die ihm infolge des Unfalls unmöglich gewordene Arbeit aufzunehmen. Die Frage der Beweislast stellt sich aber erst nach Ausschöpfung aller angebotenen Beweismittel und der sonstigen in der ZPO für Gericht und Parteien zur Förderung des Prozesses und Aufklärung des Sachverhalts vorgesehenen Möglichkeiten. Darum kann - entgegen einer weit verbreiteten Meinung - aus dieser Beweislastregelung nicht gefolgert werden, der Verletzte brauche sich selbst nicht um eine Arbeitsaufnahme zu kümmern. Vielmehr trifft ihn in erster Linie die Pflicht, sich ernstlich darum zu bemühen, die ihm verbliebene Arbeitskraft nutzbringend zu verwerten; er kennt seine Fähigkeiten und Neigungen am besten, nur er kann sie - notfalls mit fachkundiger Beratung - testen lassen; zudem verfügt er in der Regel über das bessere Wissen der im Einzugbereich seines Wohnorts vorhandenen Arbeitsplätze; insbesondere wird der Schädiger, wenn der Verletzte in einem großen Unternehmen beschäftigt war, nur selten in der Lage sein, die betriebsinternen Möglichkeiten eines anderweitigen Arbeitsplatzes beurteilen zu können. Wie schon das RG betont hat, kann die Durchführung einer dem Einzelfall gerecht werdenden Arbeitsaufnahme nur bei verständigem Zusammenwirken beider Parteien befriedigend gelöst werden. Die mangelnde Bereitschaft des Verletzten, sich um anderweiten Verdienst zu bemühen, kann bereits eine Verletzung der ihm nach § 245 II BGB obliegenden Schadensminderungspflicht bedeuten. Freilich ist die Tatsache allein, dass der Verletzte sich nicht bemüht hat, noch kein Beweis dafür, dass seine Bemühungen auch Erfolg gehabt hätten.

Muss somit zwar der Schädiger. Die Voraussetzungen seines Einwandes aus § 245 II BGB beweisen, so ändert das nichts daran, dass der Verletzte zunächst seiner Darlegungslast genügen muss. Dazu wird er in der Regel, wenn er arbeitsfähig oder teilarbeitsfähig ist, den Schädiger darüber zu unterrichten haben, welche Arbeitsmöglichkeiten ihm zumutbar und durchführbar erscheinen, und was er bereits unternommen hat, uni einen angemessenen Arbeitsplatz zu erhalten. Demgegenüber ist es Sache des Schädigers, zu behaupten und zu beweisen, dass der Verletzte entgegen seiner Darstellung in einem konkret bezeichneten Fall ihm zumutbare Arbeit hätte aufnehmen können. Dabei kann der Tatrichter, insbesondere wenn der Verletzte gar nichts unternommen hat, um die ihm verbliebene Arbeitskraft zu verwerten, je nach der Gestaltung des Falles in Anpassung der Beweislastregelung an die Grundsätze von Treu und Glauben die Regeln des Anscheinsbeweises heranziehen, die unter Umständen sogar bis zur Umkehr der Beweislast führen können. Davon ist der Senat bereits in seinen Urteilen vom 1. 12. 1970 und vom 13. 6. 1972 ausgegangen, in denen er von einer Erleichterung der Beweislage oder davon, dass keine zu hohen Anforderungen an die Beweislast des Schädigers zu stellen sind, gesprochen hat. Hat der Schädiger eine konkret zumutbare Arbeitsmöglichkeit nachgewiesen, so wird es Sache des Verletzten sein, um dem Einwand nach § 254 II BGB mit Erfolg zu begegnen, darzulegen und zu beweisen, warum er diese Möglichkeit nicht hat nutzen können.

In Anbetracht dieser Grundsätze hätte im Streitfall das Berufungsgericht zunächst der Kläger aufgeben müssen, im einzelnen darzutun, welche Schritte H unternommen hatte, um eine seinen Kenntnissen und Fähigkeiten sowie seiner sozialen Stellung entsprechende Tätigkeit zu finden. DaB er dabei nicht dem Zwang ausgesetzt sein darf, diesen Nachweis fortgesetzt von neuem erbringen zu müssen, wie das Berufungsgericht meint, versteht sich von selbst. Diese Erwägung geht aber am vorliegenden Sachverhalt vorbei, denn es fehlt bisher schon an einem Vortrag der Kläger, dass H sich überhaupt in irgendeiner Weise um Arbeit bemüht gehabt habe; unstreitig hat er sich noch nicht einmal beim Arbeitsamt als Arbeitsuchender oder zur Umschulung Bereiter gemeldet. Seine Mitwirkungspflicht entfiel auch nicht deshalb, weil - wie das Berufungsgericht meint - von einem Verletzten, der vom Sozialversicherer eine Dauerrente erhält, schwerlich erwartet werden könne, sich noch um einen Arbeitsplatz zu bemühen. Im Verhältnis zum Schädiger ist nicht entscheidend, ob der Verletzte Rente bezieht, deren Gewährung sich nach sozialrechtlichen und sozialpolitischen Gesichtspunkten bestimmt. Vielmehr ist schadensrechtlich der ersatzfähige Schaden auf den Umfang begrenzt, auf den er sich bei pflichtgemäßem Verhalten des Verletzten beschränken lässt, so dass - wie der Senat im Urteil vom 18. 12. 1962 bereits entschieden hat - auch ein in den Ruhestand versetzter Beamter sich nicht der Pflicht, seine verbliebene Arbeitskraft in zumutbarer Weise zu nutzen, unter Hinweis auf seine Pensionierung entziehen kann; dies kann auch dem Legalzessionar entgegengehalten werden. Insgesamt ist übrigens entgegen der im Rechtsstreit bisher offenbar vorherrschend gewesenen Auffassung klarzustellen, dass es, was die Nichterlangung einer zumutbaren Ersatztätigkeit anlangt, mindestens nicht in erster Linie auf das Verhalten der Kläger, sondern auf das des Verletzten ankommt. Auch scheint übersehen zu werden, dass die Kläger nicht mit der Bundesbahn als der früheren Arbeitgeberin des Verletzten personengleich ist. Es kommt also keineswegs darauf an, ob die Bundesbahn in der Lage gewesen wäre, dem Verletzten eine geeignete Ersatztätigkeit anzubieten, sondern nur darauf, ob dieser deren etwaige Bereitschaft, eine solche Beschäftigung zur Verfügung zu stellen, unter Verstoß gegen seine Obliegenheit der Schadensminderung nicht genutzt hat.

Ist nach den Umständen des Falles ein Hersteller von Waren berechtigt, seine eine Falschmeldung berichtigende Darstellung in publikumswirksamer Aufmachung im Anzeigenteil einer Zeitung zu veröffentlichen so kann bei einer solchen auf Kosten des Verletzers erfolgenden Schadenbeseitigung nicht darauf verzichtet werden, dass jedenfalls der orientierte Leser die Zusammenhänge erkennt, da andernfalls von einer Richtigstellung der vorangegangenen falschen Behauptungen nicht gesprochen werden kann und Falschmeldung und Anzeige auch für den aufmerksamen Leser beider Veröffentlichungen beziehungslos nebeneinander stehen.