Darlegungs- und Beweislast

Zur Frage, wer für die Verletzung einer Aufklärungspflicht und die Ursächlichkeit dieser Pflichtverletzung für den Vertragsschluss die Darlegungs- und Beweislast trägt.

Zum Sachverhalt: Die Beklagten AG betreibt die Förderung und Aufbereitung von Erdöl. Der Kläger war Eigentümer eines Marschenhofes. 1953 schlossen die Parteien einen Vertrag, durch den der Kläger der Beklagten das Recht einräumte, auf seinem Grundstück einen Sickerbrunnen anzulegen, Rohrleitungen unterirdisch zu verlegen und diese Einrichtungen auf unbestimmte Zeit zu unterhalten. Der Brunnen sollte dazu dienen, Abwässer aus dem Betrieb der Beklagten unter Druck in etwa 80 m Tiefe zu leiten. Die Parteien vereinbarten, dass der, Kläger für. die Anlage und den Betrieb des Sickerbrunnens und der Rohrleitungen eine Entschädigung erhielt, und bestimmten in § 3 V des Vertrages weiter:

Werden Flurschäden oder sonstige Schäden verursacht, so sind sie besonders zu entschädigen.

Die Beklagte legte mit Einwilligung des Klägers außer dem ihr im Vertrag gestatteten noch zwei weitere Sickerbrunnen auf seiner Besitzung an und nahm sie in Betrieb. Weitere Sickerbrunnen baute die Beklagte in der Umgebung. Später legte sie die Brunnen auf der Besitzung des Kläger still, den letzten 1956, und verschloss sie mit Zement: Die Sickerbrunnen in der Umgebung benutzte die Beklagten, bis sie im Jahre 1965 eine biologische Kläranlage in Betrieb nahm.

Der Kläger behauptete, seit Sommer 1954 seien Abwässer der Beklagten in die Wassergräben seines Hofes gelangt, weil die Sickerbrunnen übergelaufen seien, und verlangte von der Beklagten Schadensersatz. Diese zahlte in den Jahren 1956 bis 1958 Schadensersatz und ließ im Frühjahr 1958 auf ihre Kosten auf dem Hof des Klägers einen Trinkwasserbrunnen mit Leitungen für Haus, Ställe und Weiden anlegen. Der Kläger erklärte alle Ansprüche gegen die Beklagten wegen einer durch sie verursachten Verunreinigung meines Trinkwassers bis einschließlich 1958 für abgefunden. Weitere Schadensersatzansprüche lehnte die Beklagte ab. Eine Schadensersatzklage des Klägers auf Zahlung eines Teilbetrages wies das Landgericht rechtskräftig ab. Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger einen Teilbetrag weiteren Schadens geltend, der ihm durch die Abwasserversickerung entstanden sei. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die Berufung zurückgewiesen. Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: Das Berufsgericht hat einen Schadensersatzanspruch des Kläger aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag verneint. Diese Auffassung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden:

Das Berufsgericht hat ausgeführt, eine Schadensersatzpflicht der Beklagten aufgrund des Vertrages von 1953 erstrecke sich nicht auf solche Schäden, die durch Anlage und Betrieb der Sickerbrunnen in der Umgebung des Hofes, also nicht auf dem Hof selbst, verursacht worden seien. Diese Vertragsauslegung, gegen die die Revision Angriffe nicht vorbringt, bindet das Revisionsgericht.

Ob die geltend gemachten Schäden durch die drei Sickerbrunnen auf dem Hof des Klägers verursacht worden sind, hat das Berufsgericht offen gelassen. Es hat einen vertraglichen Anspruch des Kläger auf Ersatz solcher Schäden mit der Begründung verneint, die Bestimmung in § 3 V des Vertrages habe lediglich klarstellen sollen, dass die für die Anlage des Sickerbrunnens und der Rohrleitungen zu zahlende Entschädigung eine Ersatzpflicht für Flur- und sonstige Schäden aus gesetzlichen Anspruchsgrundlagen nicht ausschließe. Eine selbständige Verpflichtung zum Ersatz solcher Schäden sei der genannten Bestimmung nicht zu entnehmen, weil sie Voraussetzungen und Rechtsfolge eines solchen Anspruchs zu allgemein und unbestimmt umschreibe. Für diese Auslegung spreche auch die Interessenlage. Die Beklagte habe keinen Anlass gehabt, über ihre Gefährdungshaftung nach § 148 des Allgemeinen Berggesetzes für die preuß. Staaten vom 24. 6. 1865 - ABG - und § 2 I Nr. 5 des preuß. Gesetzes zur Erschließung von Erdöl und anderen Bodenschätzen vom 12: 5.1934 - ErdölG - hinaus eine vertragliche Schadensersatzpflicht auf sich zu nehmen.

Diese Vertragsauslegung des Tatrichters bindet das RevGer., da sie weder widersprüchlich noch unmöglich ist und die Verfahrensrüge, die die Revision dagegen vorbringt, unbegründet ist. Die Revision rügt, das Berufsgericht habe unter Verstoß gegen § 286 ZPO unbeachtet gelassen, dass die Beklagten dringend interessiert gewesen sei, ohne Einholung erforderlicher behördlicher Genehmigungen eine Möglichkeit zur Ableitung ihres Abwassers zu finden, sich aber erheblichen Bedenken des Kläger gegenübergesehen habe. Im Zusammenhang mit den Erklärungen der Beklagten, wonach Schäden nicht zu befürchten gewesen seien und sie Ersatz etwaiger Schäden zugesagt habe, müsse § 3 V des Vertrages als eine selbständige Gewährleistungs- und Garantiezusage aufgefasst werden. Indessen ist nicht ersichtlich, dass das Berufsgericht die Behauptungen des Kläger übersehen habe, die Beklagten habe für die Ableitung der Abwässer keine behördliche Genehmigung gehabt und habe bei den Vertragsverhandlungen die erwähnten Erklärungen abgegeben. Dagegen spricht schon, dass es den fraglichen Vortrag des Klägers im Tatbestand seiner Entscheidung wiedergegeben hat. Zudem behalten die auf den Wortlaut des Vertrages und die Interessenlage der Parteien gestützten Erwägungen des Berufsgerichts ihre Bedeutung auch dann, wenn die von der Revision hervorgehobenen Umstände berücksichtigt werden.

Nicht erörtert hat das Berufsgericht, ob die Beklagten dem Kläger nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen wegen Verletzung vertraglicher Pflichten zum Schadensersatz verpflichtet ist. Entgegen der Ansicht der Revision ist dies jedoch nicht der Fall. Der Kläger hat nicht behauptet, die Beklagte habe seine Schäden dadurch herbeigeführt, dass sie die Sickerbrunnen in vertragswidriger Weise angelegt habe. Welche Abwassermengen die Beklagten in die Brunnen pumpen durfte, ist im Vertrag nicht festgelegt worden. Das Berufsgericht hat auch nicht festgestellt, von welchen Mengen die Parteien bei Vertragsschluss insoweit ausgegangen sind und welche Mengen die Beklagten tatsächlich in die Brunnen gepumpt hat. Daher fehlt es gleichfalls an tatsächlichen Grundlagen für die Annahme, die Beklagten habe beim Betrieb der Brunnen gegen ihre Vertragspflichten verstoßen. Ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung käme in Betracht, wenn die Beklagten ihre Abwässer noch zu einer Zeit in die Brunnen auf dem Grundbesitz des Kläger gepumpt hätte, als sie die schädlichen Auswirkungen schon erkannte oder erkennen konnte. Einen derartigen Sachverhalt hat der Kläger indessen nicht vorgetragen. Er hat nicht behauptet, die Beklagten habe von vornherein gewusst oder wissen können, dass die von ihr gewählte Form der Abwasserbeseitigung zu den behaupteten Schäden führen werde. Ausdrücklich hat er auch nicht behauptet, sie habe diese Kenntnis so frühzeitig erlangt oder bei pflichtmäßigem Verhalten erlangen können, dass sie die drei Brunnen auf seiner Besitzung früher als im November 1956 hätte stilllegen müssen. Ob seiner Darstellung, ab Sommer 1954 sei Abwasser dadurch in die Wassergräben seines Hofes gelangt, dass die Sickerbrunnen übergelaufen seien, eine dahingehende Behauptung entnommen werden kann, kann auf sich beruhen. Denn weder hat das Berufsgericht diese Darstellung als wahr festgestellt noch rügt die Revision, dass es eine solche Feststellung, hätte treffen müssen.

Die Revision macht geltend, der Schadensersatzanspruch des Klägers sei unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss gerechtfertigt. Durch die Erklärung, das Abwasser könne nicht in den landwirtschaftlich genutzten Boden aufsteigen, habe die Beklagten als Unternehmen mit besonderen Erfahrungen auf diesem Gebiet das Vertrauen des Klägers in besonderem Maße in Anspruch genommen. Dazu sei sie nur berechtigt gewesen, wenn sie hinsichtlich ihrer Behauptungen eine völlige Sicherheit gehabt habe. Das vom Landgericht eingeholte Gutachten zeige indessen, dass erst eine Vielzahl von Kontrollbohrungen zur Annahme einer durchgehend undurchlässigen Bodenschicht berechtige. Die Beklagten behaupte selbst nicht, solche Kontrollbohrungen niedergebracht zu haben, und habe daher leichtfertig gehandelt.

Dieser Rüge kann der Erfolg nicht versagt werden. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache, da das Berufsgericht den rechtlichen Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss nicht geprüft hat und die Entscheidung tatsächliche Feststellungen voraussetzt, die das RevGer. nicht treffen kann

Die Rüge ist in verfahrensrechtlich zulässiger Weise erhoben worden. Durch ihren Hinweis auf die Behauptung des Kläger, die Beklagten habe ein Aufsteigen des Abwassers als unmöglich bezeichnet, verbunden mit der Rüge eines Verstoßes gegen § 286 ZPO, hat die Revision die Darstellung des, Kläger über seine Verhandlungen mit der Beklagten als unzulässig übergangen gerügt. Diese Darstellung ist im Tatbestand des Berufungsurteils wiedergegeben, der deshalb entsprechende Tatsachenbehauptungen des Klägers beweist. Dass das Urteil die fraglichen Behauptungen nur im Rahmen des erstinstanzlichen Vorbringens des Klägers aufführt, ist ohne entscheidende Bedeutung. Denn aus dem Zusammenhang des Urteilstatbestandes ergibt sich, dass der Kläger diesen Vortrag im Berufungsrechtszug wiederholt hat; andernfalls wäre seine Wiedergabe im Urteil auch überflüssig gewesen. Die Revisionsrüge genügt damit den Erfordernissen des §554III Nr. 3b ZPO.

Unschädlich ist es, dass die Revision nicht - zumindest nicht ausdrücklich gerügt hat, das Berufsgericht habe die vom Kläger für seine Behauptungen angetretenen Beweise nicht erhoben. Denn nach § 286 ZPO hat der Tatrichter auch solche streitigen Parteibehauptungen zu würdigen, für die Beweis nicht angetreten ist. Dass dies hier nicht geschehen ist, begründet den Verfahrensverstoß. Daher kann auf sich beruhen, ob die Revisionsbegründung dahin auszulegen ist, gerügt werde auch die Übergehung der im Tatbestand des Berufungsurteils mitgeteilten Beweisantritte.