Eigentum

Das Eigentum wurde zu einem individuellen Grundrecht. In der durch den Freiherrn vom Stein in Preußen eingeleiteten Reformgesetzgebung und in den Eigentumsgarantien der ersten Landesverfassungen von Bayern und Baden 1818, Württemberg 1819 und Hessen 1820 wurde das deutlich. Von dem Eigentum an beweglichen Sachen unterschied sich das Grundeigentum kaum noch. Für seine Nutzung durch Bauen entstand auf dieser Basis der Grundsatz der Baufreiheit. Er hatte schon im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten vom 5. Februar 1794 - ALR - in den § § 65 und 66 Teil I Titel 8 seine prägnante Formulierung gefunden: § 65 In der Regel ist jeder Eigentümer seinen Grund und Boden mit Gebäuden zu besetzen oder ein Gebäude zu ändern wohl befugt. - § 66 Doch soll zum Schaden oder Unsicherheit des gemeinen Wesens und zur Verunstaltung der Städte und öffentlichen Plätze kein Bau und keine Veränderung vorgenommen werden. Der liberale Staat des 19. Jahrhunderts beschränkte sich in der Tat auf die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einschließlich der Verhütung von Verunstaltungen; die Feuersicherheit spielte eine besondere Rolle dabei. Die staatliche Mitwirkung beim Bauen wurde also auf polizeiliche Aufgaben im engeren Sinne eingeschränkt. Die städtebauliche Komponente dazu bestand in der Sicherung der Verkehrswege durch die Festsetzung von Fluchtlinien, so in Baden aufgrund des badischen Ortsstraßengesetzes vom 20. Februar 1868 und in Württemberg aufgrund der Bauordnung vom 6. Oktober 1872. In Preußen geschah dies zunächst durch Polizeiverordnung oder königliche Kabinettsorder, bis diese Aufgabe durch das Gesetz betr. die Anlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften vom 2. Juli 1875 - das sog. Fluchtliniengesetz - auch dort den Gemeinden übertragen wurde, zwar als Selbstverwaltungsaufgabe, aber doch unter staatlicher Aufsicht. Nach dem preußischen Fluchtliniengesetz konnten die Gemeinden durch ein ortsstatutarisches Bauverbot die Errichtung von Wohngebäuden an unfertigen Straßen unter Ausnahmevorbehalt ausschließen und die Ausnahme an Bedingungen knüpfen wie die Vorauszahlung von Anliegerbeiträgen oder die unentgeltliche Abtretung von Straßenland. Diese staatliche Zurückhaltung in der Städtebaugesetzgebung hatte in einer Zeit enormen Bevölkerungszuwachses - in den Grenzen des Deutschen Reichs von 1871 stieg die Einwohnerzahl von etwa 21 bis 22 Millionen zu Beginn des Jahrhunderts auf rund 61 Millionen im Jahre 1900, wobei etwa 25 Millionen Auswanderer gar nicht gerechnet sind - und der schnell fortschreitenden Industrialisierung, in der ein Mehr an Planung durchaus angemessen gewesen wäre, auch durchaus negative Folgen. Die Städte flossen über; in den wachsenden Großstädten entstanden hochgenutzte Miethausviertel; Gewerbe und Industrie siedelten sich inmitten oder in unmittelbarer Nähe der Wohngebiete an. Zwar wurden die Befestigungswerke, die der Ausdehnung vielerorts Fesseln angelegt hatten, niedergelegt, zumal sie durch die Entwicklung der Waffentechnik überholt waren, und in Ringstraßen oder Grüngürtel umgewandelt; hier - aber auch anderswo - entstanden ausgedehnte Vororte, zum Teil aus privater Initiative von Einzelunternehmern oder Terraingesellschaften, häufig als qualifizierte Villenvororte. Diese Entwicklung rief bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Reformer auf den Plan, die sich für einen geordneten Städtebau sozialer Prägung und ihm adäquate gesetzliche Grundlagen einsetzten. Die Bewegung setzte sich im folgenden Jahrhundert fort. Die Reformbewegung trug ihre Früchte.