Forderung

Ist in einem Vergleich vereinbart, dass eine Zahlung an einem bestimmten Termin zu leisten ist, widrigenfalls ein teilweiser Forderungserlass in Wegfall kommt, dann liegt in der Geltendmachung der ganzen Forderung durch den Gläubiger auch bei nur geringfügigem Überschreiten des Zahlungstermins in der Regel noch keine treuwidrige Wahrnehmung einer formalen Rechtsposition im Übermaß.

Zum Sachverhalt: Die Kläger, eine Bank, hatte dem Hauptschuldner einen Kredit gewährt. Dieser war u. a. abgesichert durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft, die die Beklagte, Frau K, die Ehefrau des Hauptschuldners, zur Sicherung aller Ansprüche aus bankmäßiger Geschäftsverbindung bis zum Höchstbetrag von 200000 DM am 11. 2. 1971 für den Hauptschuldner und dessen Firma gegenüber der Kläger übernommen hatte. Die Kläger hat die Beklagte aus der Bürgschaft auf Zahlung von 200000 DM in Anspruch genommen und deshalb Klage erhoben. Während das Verfahren im ersten Rechtszug anhängig war, schloss die Kläger mit dem diesem Rechtsstreit in den Tatsacheninstanzen beigetretenen Streithelfer als Vertreter der Beklagte am 6. 8. 1976 ohne Einschaltung der beiderseitigen Prozessbevollmächtigten folgende außergerichtliche Vereinbarung:

Zur vollständigen Erfüllung der Bürgschaftsverpflichtung vom 11.2. 1971 in Höhe von 200000 DM der... gegenüber der... für alle Verbindlichkeiten des..., die im Gesamtbetrag nach dem Zuschlag auf das Gebot der... von 1200000 DM im Zwangsversteigerungsverfahren... bestehen bleiben, zahlt... den Betrag von 50000 DM bis spätestens zum 10. 11. 1976... Bei Zahlungsverzug über das genannte Datum hinaus lebt die Forderung der... ans der Bürgschaft gegen... in Höhe von 200000 DM wieder auf.

Gegen diese Vereinbarung verzichtet... im anhängigen Zwangsversteigerungsverfahren... auf ihr Ablösungsrecht sowie auf sämtliche, eine Zuschlagserteilung für die... für das Gebot von 1200000 DM entgegenstehenden Maßnahmen und Rechtsmitteln....

Am 17. 9. 1976 fragte eine Firma K-KG mit dem Hinweis, es sei beabsichtigt, den Vergleich termingerecht zum 15. 11. 1976 zu erfüllen, bei der Kläger an, ob sie zur Vermeidung weiterer Kosten die anhängige Klage zurücknehmen würde. Die Klägerin antwortete darauf, sie mache gegen die anfragende KG keine Ansprüche geltend und sei mit einer Klagerücknahme einverstanden unter der Voraussetzung, dass die Beklagte die Kosten des Verfahrens übernehme. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagte teilte dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 29. 10. 1976 mit, ihm sei zu Ohren gekommen, dass sich die Beklagte von der Bürgschaft durch Zahlung von 50000 DM freikaufen könne, wenn dies bis spätestens 15. 11. 1976 geschehen sei. Am 15. 11. 1976 bot die Beklagte der Kläger die Bezahlung von 50000 DM an. Die Klägerin erklärte hierzu, sie nehme diese verspätete Zahlung nur als Teilzahlung auf die Klagesumme an.

Die Vorinstanzen haben die Klage auf Zahlung von 200000 DM abzüglich gezahlter 50000 DM abgewiesen. Die Revision der Kläger hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Das Berufsgericht lässt offen, ob die Einwendungen der Beklagte durchgreifen, sie habe ihre Bürgschaftserklärung wegen widerrechtlicher Drohung wirksam angefochten und die Bürgschaft sei außerdem nur auflösend bedingt abgegeben gewesen und infolge Eintritts der Bedingung erloschen; denn die Beklagte sei zu weiteren Zahlungen an die Kläger nicht mehr verpflichtet. Zwar treffe es zu, so meint das Berufsgericht, dass die Beklagte den nach der Vereinbarung von ihr zu zahlenden Ablösungsbetrag nicht fristgemäß gezahlt habe und deshalb die Forderung der Kläger aus der Bürgschaft an sich wieder in voller Höhe aufgelebt wäre. Die Kläger könne sich jedoch auf diese ihr günstige, formale Rechtsposition unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht berufen; denn die Kläger habe nichts dafür vorgetragen, dass etwa die Wahl des 10. 11. 1976 als des letzten Zahlungstermins eine geschäftliche Notwendigkeit gewesen sei. Ersichtlich habe die Bestimmung eines Termins mit Verfallklauseln die Beklagte nur unter einen gewissen Druck setzen sollen. Hier sei das Wahrnehmen ihrer formalen Rechtsposition durch die Kläger wegen Übermaßes rechtsmissbräuchlich. Aus einer irrtümlichen Datumsangabe in verschiedenen Schreiben der Beklagte, der die Kläger nicht widersprochen habe, folge dies allerdings noch nicht.

Die Revision verweist darauf, dass die Beklagte mit ihrer Zahlungsverpflichtung aus dem Vergleich in Verzug gewesen sei. Nur unter ganz besonderen Umständen müsse ein Gläubiger bei schuldloser Überschreitung einer Frist seitens des Schuldners die ihm geschuldete Leistung noch als rechtzeitig gelten lassen. Hier habe aber die Beklagte offensichtlich nicht fristgemäß zahlen können, was sie zu vertreten habe.

Die außerhalb des damals bereits anhängigen Prozesses geschlossene Vereinbarung der Parteien vom 6. 8. 1976 war entgegen der Ansicht des Berufsgericht - ein Vergleich, durch den der Streit der Parteien über die Bürgschaft der Beklagte im Wege beiderseitigen Nachgebens beseitigt werden sollte. Danach verzichtete die Klägerin auf 150000 DM der von ihr eingeklagten Bürgschaftsforderung unter Zwei - auflösenden - Bedingungen. Die erste Bedingung war, dass ihr der Zuschlag in einem laufenden Zwangsversteigerungsverfahren aufgrund ihres dort abgegebenen Gebotes nicht verweigert würde. Diese Bedingung ist in Wegfall gekommen, weil die Kläger den Zuschlag nach den Feststellungen des Berufsgericht erhalten hat. Weiter war der Verzicht der Kläger auf Dreiviertel ihrer eingeklagten Bürgschaftsforderung davon abhängig gemacht, dass die Beklagte bis 10. 11. 1976 den Restbetrag von 50000 DM bezahlte. Bei Zahlungsverzug über das genannte Datum hinaus sollte die Forderung der Kläger in voller Höhe wieder aufleben, bei Eintritt der auflösenden Bedingung also der Teilverzicht der Kläger auf ihre Forderung in Wegfall kommen. Diese auflösende Bedingung ist eingetreten; denn die Beklagte hat die von ihr geschuldete Leistung nicht fristgerecht zu dem Endtermin erbracht. Das hatte an sich vereinbarungsgemäß zur Folge, dass der Verzicht der Kläger wegfiel und die volle Bürgschaftsschuld der Beklagte wieder auflebte. Die Verhinderung des Eintritts der Bedingung lag allein in der Macht der Beklagte, die nach den Feststellungen des Berufsgerichts den geschuldeten Betrag zur Verfügung hatte. Wenn sie fristgerecht erfüllt hätte, wäre die Bedingung, die zu ihrem Nachteil den von der Kläger ausgesprochenen Teilverzicht auflöste, weggefallen.

Die von den Parteien in der Vereinbarung vom 6. 8. 1976 getroffene Regelung war nichts anderes als eine Verfallklausel, wie sie häufig bei vergleichsweiser Bereinigung von Streitfällen vereinbart wird. In solchen Fällen verzichtet ein Beteiligter auf einen Teil seiner Forderung unter der Bedingung, dass der Vertragspartner seine Leistung zu einem fest bestimmten Zeitpunkt erbringt. Bei einer solchen Fallgestaltung ist es grundsätzlich verfehlt, die an den Eintritt der Bedingung geknüpften Folgen über eine Anwendung von § 242 BGB wieder aufzuheben, wenn die Verhinderung des Bedingungseintritts allein im Belieben des leistungspflichtigen Teiles liegt und der andere Partner keinen unzulässigen Einfluss auf den Eintritt der Bedingung genommen hat. Etwas anderes mag nur dann gelten, wenn der Leistungspflichtige Umstände vorträgt, aus denen sich ergibt, dass er ohne eigenes Verschulden an der Erfüllung der ihn treffenden Leistungspflicht gehindert war. Der durch den Eintritt einer solchen Verfallklausel Begünstigte braucht auch entgegen der Meinung des Berufsgerichts nicht ein besonderes Interesse an der pünktlichen Einhaltung der vereinbarten Zahlungsfrist darzulegen.