Mängel der Mietsache

Ein Mieter, der in Erwartung baldiger Beseitigung vor- übergehender Mängel der Mietsache den Mietzins zunächst weiter zahlt, verliert damit nicht ohne weiteres in entsprechender Anwendung des § 639 BGB seine Rechte aus §§ 537, 538 BGB.

Zahlt ein Mieter trotz Mängeln der Mietsache den Miet- zins in der dem Vermieter mitgeteilten Erwartung weiter, seine Zahlungen vom Versicherer des Verursachers der Mängel er- setzt zu bekommen, so liegt keine vorbehaltlose Mietzahlung vor, die in entsprechender Anwendung des § 539 BGB die Rechte aus §§ 537, 538 BGB ausschließt.

Aus den Gründen: I. 1. Die Rev. wendet sich in erstes Linie dagegen, dass das Berufungsgericht die am 3. 11. 1969 ausgesprochene, auf § 542 BGB gestützte Kündigung für unwirksam hält.

Damit kann sie keinen Erfolg haben.

2. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Auff. des Oberlandesgerichts bedenkenfrei ist, wonach im Zeitpunkt der Kündigung nur noch eine unerhebliche Hinderung im Gebrauch der Mietsache vor- lag (§ 542 Abs. 2). Auf jeden Fall hätte die Beklagte vor der Kündigung dem Kläger eine Frist zur Abhilfe setzen müssen (§ 542 Abs. 1 Satz 2 BGB). Eine solche Fristsetzung wäre möglicher- weise zwar entbehrlich gewesen, wenn die Beklagte die Mieträume in Benutzung gehabt hätte. Dann könnte u. U. ihr Interesse an der Fortsetzung des Vertrages entfallen sein, wenn neun Monate nach Eintritt des Ölschadens immer noch keine durch- greifende Abhilfe geschaffen war. Doch kann das dahingestellt bleiben.

Im vorl. Falle hat die Beklagte die Mieträume unstreitig seit 30. 9. 1968 nicht mehr benutzt. Der Kläger als Vermieter konnte deshalb davon ausgehen, dass für die Beklagte der Zeitpunkt der Beendigung der Instandsetzungsarbeiten nicht von erheblichem Interesse war. Zwar hatte die Beklagte wie das Berufungsgericht unterstellt, die Absicht, spätestens zum 30. 9. 1969 (nicht 15. 9. 1969, wie es im BerUrt. aktenwidrig heißt), das Lokal wieder zu eröffnen, um sich die Konzession und damit die Chance, den Betrieb an einen Mietnachfolger veräußern zu können, zu erhalten. Davon war aber, jedenfalls nach dem Vortrag der Beklagte, dem Kläger nichts bekannt Bei dieser Sachlage war eine Fristsetzung nach § 542 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht entbehrlich, sollte die am 3. 11. 1969 ausgesprochene fristlose Kündigung wirksam sein.

II. Dem Berufungsgericht kann dagegen nicht gefolgt werden, soweit es eine Minderung des Mietzinses (§ 537 BUB) für die Zeit seit Eintritt des Ölschadens in entsprechender Anwendung des § 539 BGB verneint.

1. Vorweg ist klarzustellen, dass etwaige Mängelansprüche nicht schon deshalb entfielen, weil die Beklagte zu der Zeit, als der Ölschaden eintrat und noch bestand, die Gaststättenräume nicht, benutzte. Der Kläger hatte sich zur Überlassung vertragsmäßiger Räume verpflichtet, die Beklagte zur Mietzahlung. Ob die Beklagte von den bereitgestellten Räumen Gebrauch machte, war ihre Sache. Den Mietzins hatte sie in jedem Fall zu entrichten (§ 552 BGB). Umgekehrt entfiel durch den Nichtgebrauch der Mietsache nicht die vertragliche Verpflichtung des Klägers aus .§ 536 BGB.

2. Das Berufungsgericht lässt ausdrücklich offen, wie lange und in welchem Umfang die Tauglichkeit der Mieträume aufgehoben war. In der RevInstanz muss deshalb davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen für eine Minderung des Mietzinses (§ 537 BGB) gegeben waren.

Das Berufungsgericht meint, weil die Beklagte bis einschließlich August 1969 vorbehaltlos den Mietzins gezahlt hat, stünden ihr in entsprechender Anwendung des § 539 BGB die Rechte aus § 537 BGB nicht zu (vgl. die Urteile des erk. Senats vom 5. 7. 1961 - VIII ZR 155/60 ZMR 61, 359, vom 15. 2. 1967 - VIII ZR 222/64 WM 67, 515, 517 und vom 17. 5. 1967 - VIII ZR 265/ 64 WM 67, 850).

Gegen diese Erwägungen bestehen rechtliche Bedenken.

a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Beklagte bei Fälligkeit der Miete für März 1969 den Eintritt des Schadens kannte. E$ nimmt weiter, auch insoweit zutreffend, an, die Zahlung des Mietzinses während einer kurzen Zeit schließe trotz Kenntnis des Mangels eine Mietzinsminderung jedenfalls für die Zukunft nicht aus, und es verweist dabei mit Recht auf den Umstand, dass die Ausbesserungsarbeiten vom Kläger sofort in Angriff genommen worden waren, und dass nach dem Schreiben des Klägers vom 23. 4. 1969 mit der alsbaldigen Beendigung der Instandsetzungsarbeiten gerechnet werden konnte. Ein Mieter, der in Erwartung baldiger Beseitigung vorübergehender Mängel den Mietzins zunächst weiter zahlt, leistet damit nicht vorbehaltlos i. S. der o. a. Rechtsprechung. Mit dem Berufungsgericht ist deshalb auch der erk. Senat der Auff., dass die Mietzahlungen für März bis Mai 1969 nicht den Verlust etwaiger Rechte aus §§ 537f BGB zur Folge hatten.

b) Das Berufungsgericht führt weiter aus, in dem Schreiben vom 9. 5. 1969 habe die Beklagte nicht erkennen lassen, dass sie künftig den Mietzins nur noch unter Vorbehalt weiter zahle. Die Mitteilung der Auff. ihres Rechtsbeistandes, dass ,wohl die Versicherung für die Zeit der Unbenützbarkeit der Räumlichkeiten für die Mietzahlungen aufzukommen habe, beruhe möglicherweise auf der irrigen Vorstellung, dass die Versicherung ihre Mietzahlungen erstatten werde; bei vernünftiger Überlegung oder bei Beratung durch einen Rechtsanwalt habe ihr klar sein müssen, dass sie selbst keine Ansprüche wegen der geleisteten Miete gegen die Haftpflichtversicherung habe, sondern nur der vom Kläger auf Ersatz des Schadens in Anspruch genommene Öllieferant; eine irrige Vorstellung der Beklagte in dieser Hinsicht sei unbeachtlich, weil sie dem Kläger nicht deutlich gemacht habe, sie, die Beklagte, werde den Mietzins zurückfordern.

Drin liegt, wie die Rev. mit Recht rügt, eine Verletzung des § 133 BGB, wonach Erklärungen nicht nur nach ihrem Wortlaut, sondern nach dem wirklichen, in der Erklärung zum Ausdruck gekommenen Willen, zu beurteilen sind. Bei Beachtung dieser Vorschrift drängte sich jedoch die Frage auf, was der Hinweis der Beklagte, dass die Mietzahlungen von der Versicherung zu übernehmen seien, in dem Schreiben vom 9. 5. 1969 für einen Sinn haben sollte. Keinesfalls konnte damit gemeint sein, die Beklagte wisse, dass der Kläger Anspruch auf Ersatz des Mietausfalls durch eine Versicherung habe, sie, die Beklagte, zahle aber gleichwohl die Miete auf jeden Fall und ohne Vorbehalt weiter. Ein derartiges Verhalten, das jeder vernünftigen wirtschaftlichen Betrachtungsweise zuwiderläuft, hätte das Berufungsgericht nur annehmen dürfen, wenn dafür einleuchtende Gründe auf Seiten der Beklagte erkennbar waren. Gerade daran aber fehlte es. Vielmehr lagen Anhaltspunkte für das Gegenteil vor.

Der Mietvertrag über die, Gaststätte war für die Beklagte schon seit Jahren ein Verlustgeschäft gewesen. Seit 30. 9. 1968 zahlte sie, weil der Vertrag fest auf 10 Jahre abgeschlossen war und sie einen Nachfolger noch nicht gefunden hatte, einen nicht unbeträchtlichen Mietzins, ohne den wirtschaftlichen Gegen- wert in Anspruch nehmen zu können. Es lag daher sehr nahe, dass die Mitteilung vom 9. 5. 1969 zum Inhalt hatte, die Beklagte zahle zunächst im Interesse des Klägers den Mietzins weiter, mache ihn aber gleichzeitig darauf aufmerksam, dass er von der Versicherung entsprechenden Ersatz verlangen könne und sie behalte sich im Ersatzfalle die Rückforderung des Geleisteten vor. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe den Kläger nur über die Möglichkeit, den Mietzins von einer Versicherung er- setzt zu bekommen, unterrichtet und gleichzeitig erklärt, sie zahle den Mietzins trotzdem selbst, ist so lebensfremd, dass ihr nicht gefolgt werden kann. Dabei ist unerheblich, ob die Beklagte die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Kläger und dem Öllieferanten und den beteiligten Versicherern im Einzelnen richtig beurteilt hat. Entscheidend ist, dass sie im Kern zutreffend davon ausging, der Klägerhabe für den durch den vom Öllieferanten verursachten Mietausfall Ersatz zu beanspruchen. Dass auch der Kläger die Beklagte so verstanden hat, zeigt das Schreiben seines Rechtsanwalts vom 21. 5. 1969, in welchem er die Beklagte wegen der Schadensregulierung an die Versicherung verwies. Unter Schaden verstand die Beklagte nach ihrem Schreiben vom 9. 5. 1969 ersichtlich auch ihre seit März 1969 geleisteten Mietzahlungen. Da die Beklagte sich also insoweit Ersatz von der Versicherung erhoffte, lässt sich der vom Berufungsgericht hervorgehobene Umstand, dass die Beklagte die Mietzahlungen nicht als- bald einstellte, unschwer damit erklären, dass sie sich das Wohlwollen des Klägers erhalten wollte, dessen Zustimmung sie für den von ihr angestrebten Mieterwechsel benötigte.

Gegen die Annahme des Berufungsgerichts spricht im übrigen auch, dass die Beklagte bereits am 14. 2. 1969 ihre Schadensersatzansprüche mit dem Ziel der Weiterleitung an die Versicherung dem Grunde nach angemeldet hat. Schon das zeigt dass sie, dem Kläger erkennbar, sich von den durch den Ölschaden verursachten wirtschaftlichen Nachteilen nach Möglichkeit entlasten wollte. Nicht zuletzt ergibt sich aus dem Schreiben der Beklagte an die T. Versicherungs-AG vom 4. 6. 1969, dass sie von dieser die nach ihrer Meinung nicht geschuldeten Mietzahlungen ersetzt haben wollte. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts kann, deshalb keine Rede davon sein, dass die Beklagte nach dem 9. 5. 1969 den Mietzins vorbehaltlos gezahlt und damit ihre Rechte aus §§ 537f BGB verloren hat.

3. Das angef. Urteil kann deshalb keinen Bestand haben. Vielmehr muss das Berufungsgericht den Sachverhalt unter den auf gezeigten Gesichtspunkten erneut prüfen. Es wird darauf ankommen, in welchem Umfang und wie lange die Mieträume wirklich unbenutzbar oder nur beschränkt benutzbar waren, ob bis Dezember 1969, wie der Kläger behauptet oder bis Juni 1970, wie die Beklagte vorträgt. Soweit danach eine Minderung des Mietzinses nach dem 1. 9. 1969 in Betracht kommt, wäre die Zahlungsklage abzuweisen.

Dem hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Bereicherungsanspruch, den die Beklagte im Hinblick auf die Mietzahlungen von März bis August 1969 geltend macht, steht § 814 BGB nicht entgegen, soweit nur unter Vorbehalt geleistet worden ist (Soergel-Siebert, BGB, 10. Aufl., § 814 Nr. 2). Dass auch die Zahlungen für die Monate März bis Mai 1969 nicht vorbehaltlos geleistet worden sind, ist unter Nr. II 2 a bereits ausgeführt. Im Übrigen hat das Berufungsgericht insoweit verkannt, dass bloße Kenntnis der Tatumstände, hier des Ölschadens, nicht ausreicht, um einen Rückforderungsanspruch auszuschließen. Erforderlich wäre vielmehr die Kenntnis der Rechtslage, d. h. die nach § 537 BGB eintretende Minderung des Mietzinses. Diese Kenntnis ist vom Berufungsgericht jedoch nicht festgestellt und ausweislich des Briefes der Beklagte vom 9. 5. 1969 und ihrer Schadensanmeldung vom 4. 6. 1969 auch nicht anzunehmen.