Neuwagenbasis

Die in der Rechtsprechung überwiegende Übung, dem Eigentümer eines erheblich beschädigten Personenkraftwagens eine Schadensberechnung auf Neuwagenbasis nur bis zu einer Fahrleistung von 1000 km zu gestatten, ist als Faustregel zu billigen. Zu den Grundsätzen, nach denen im Ausnahmefall eine gewisse Überschreitung dieser Grenze zulässig erscheinen kann.

Zum Sachverhalt: Im August 1978 wurde der erst seit 10 Tagen zugelassene Pkw des Kläger bei einem Auffahrunfall, den ein Versicherungsnehmer des Beklagten Haftpflichtversicherers verschuldet hatte, beschädigt. Für Reparaturkosten hätte der Kläger 2853,37 DM aufwenden müssen. Er veräußerte jedoch den beschädigten Wagen zum Preise von 11 000 DM und kaufte sich einen neuen Pkw, für den er 21000 DM bezahlen musste. In seinen Verhandlungen mit dem Beklagten Haftpflichtversicherer verlangte der Kläger eine Abrechnung der Unfallschäden an seinem Pkw auf Neuwagenbasis. Er machte dabei geltend, der Wagen sei bis zum Unfallzeitpunkt nur 1972 km gefahren. Die Beklagten lehnte die vom Kläger erstrebte Abrechnungsweise ab und erstattete ihm zunächst 3000 DM. Nach Klageerhebung zahlte sie weitere 562,52 DM an den Kläger

Das Landgericht hat die Beklagten verurteilt, weitere 664,66 DM an den Kläger zu zahlen, im Übrigen aber die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte nur in Höhe von 10,80 DM Erfolg. Die - zugelassene - Revision des Klägers führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: Das Berufsgericht folgt zwar dem in der Rechtsprechung - auch des erkennenden Senats - anerkannten Grundsatz, dass bei erheblicher Beschädigung eines schon gebrauchten, aber noch völlig neuwertigen bzw. fabrikneuen Pkw Schadensersatz auf Neuwagenbasis zugebilligt werden kann. Es versagt jedoch dem Kläger eine solche Schadensberechnung, weil sein Wagen bis zum Unfallzeitpunkt mehr als 1000 km gelaufen sei. Nur bis zu einer Laufleistung von 1000 km erscheint dem Berufsgericht die Gleichstellung eines beschädigten mit einem ersatzweise gekauften neuen Fahrzeugs noch billigenswert.

Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

Die Revision wendet sich mit Recht dagegen, dass das Berufsgericht eine Abrechnung auf Neuwagenbasis überhaupt nur bis zu der starren Grenze von 1000 km Laufleistung zulassen will.

In der Rechtsprechung der Instanzgerichte überwiegt in der Tat die Ansicht, dass ein Geschädigter allenfalls dann Abrechnung auf Neuwagenbasis verlangen kann, wenn sein Fahrzeug höchstens 1000 km gelaufen ist, auch wenn seit der Zulassung erst wenige Tage verstrichen sind. Auch das Schrifttum folgt im Wesentlichen dieser Auffassung. Der erkennende Senat hält für den Regelfall ebenfalls diese Obergrenze für gerechtfertigt, weil ein wirtschaftlich nicht sinnvoller Aufwand vermieden werden muss, jedenfalls wenn der Unfall ausschließlich Teile des Pkw betroffen hat, durch deren spurenlose Auswechslung der frühere Zustand voll wiederhergestellt werden kann.

Dem Berufsgericht kann aber nicht gefolgt werden, soweit es eine Abrechnung auf Neuwagenbasis bei einer Fahrleistung von mehr als 1000 km ausnahmslos versagen will. Der BGH hat, wie das Berufsgericht nicht verkennt, bisher auf die Aufstellung einer starren Regel verzichtet. Er hat sich auch in dem Urteil vom 4. 3. 1976 vor allem von dem Grundsatz leiten lassen, dass der Geschädigte auf volle Wiederherstellung des wirtschaftlichen Zustandes Anspruch hat, der vor dem Unfall vorhanden gewesen war. Auch jenseits einer Fahrleistung von 1000 km wird dies, da unfallfreie Wagen mit einer so geringen Fahrleistung auf dem Markt kaum erhältlich sind, mitunter die Zurverfügungstellung eines Neuwagens erfordern, weil der Zeitwert des instand gesetzten Wagens auch zuzüglich eines nach den üblichen Maßstäben bemessenen Ersatzes für merkantilen Minderwert nicht voll denjenigen Wert ausgleicht, den das unbeschädigte Fahrzeug als praktisch neues für seinen Eigentümer noch gehabt hatte.

Auch der Zulassung solcher Ausnahmefälle muss allerdings eine ziemlich enge Grenze gesetzt sein. Sie ergibt sich - wiewohl der Rechtsprechung eine im letzten Schritt notwendig willkürliche starre Abgrenzung anders als etwa dem Gesetzgeber nicht zusteht - aus der Verkehrsanschauung und dem Wesen des Schadensersatzes unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 242 BGB.

Daraus folgt zunächst, dass der Schmelz der Neuwertigkeit, soweit er nicht nur individuellen Emotionen sondern einer wirtschaftlichen Verkehrsanschauung entspricht, auch in den erwähnten Ausnahmefällen nach äußerstenfalls einer Fahrleistung von 3000 km oder einer Gebrauchsdauer von etwa einem Monat nicht mehr besonders zu Buche schlagen kann. Jenseits dieser Grenze kann sich eine Unzumutbarkeit der Weiterbenutzung durch den Geschädigten allenfalls aus konkreten technischen oder ästhetischen Mängeln ergeben, die durch die Reparatur nicht beseitigt werden können. Doch geben solche Fälle Anlass, den merkantilen Minderwert einschließlich des technischen so hoch anzusetzen, dass sich eine ins Gewicht fallende Differenz der verschiedenen Berechnungsarten nicht mehr ergibt.

Bei einer Laufleistung zwischen 1000 und 3000 km kann auch nur beim Vorliegen besonderer Umstände eine Abrechnung auf Neuwagenbasis in Betracht kommen. Voraussetzung ist hier, dass bei objektiver Beurteilung der frühere Zustand durch die Reparatur auch nicht annähernd wiederhergestellt werden kann. Dies wird vor allem dann der Fall sein, wenn entweder

Teile beschädigt worden sind, die für die Sicherheit des Fahrzeugs von Bedeutung sind und trotz Reparatur ein Unsicherheitsfaktor bleibt; nach durchgeführter Reparatur erhebliche Schönheitsfehler am Pkw zurückbleiben oder eine Beschädigung stattgefunden hat, welche die Garantieansprüche des Eigentümers zumindest beweismäßig gefährden kann und der Haftpflichtversicherer des Schädigers nicht alsbald nach dem Unfall verbindlich seine Einstandspflicht für einen solchen Fall anerkennt.

Aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen vermag der Senat noch nicht zu beurteilen, ob der Kläger ausnahmsweise berechtigt war, auf die Reparatur seines Fahrzeugs zu verzichten und sich einen Neuwagen anzuschaffen. Insbesondere hat das Berufsgericht nicht festgestellt, inwieweit das Fahrzeug des Klägers bei dem Auffahrunfall beschädigt wurde und welche Folgen nach einer Reparatur zurückgeblieben wären. Hierüber besteht auch zwischen den Parteien Streit. Die von dem Sachverständigen geschätzten verhältnismäßig niedrigen Kosten, die für eine Reparatur des Kraftfahrzeuges aufzuwenden gewesen wären, schließen bleibende Schönheitsfehler bzw. Sicherheitsrisiken nach einer Reparatur allerdings ebenso wenig aus wie der Umstand, dass die Beschädigung nur am Heck, in einer so genannten Knautschzone des Fahrzeugs, erfolgt sind. Es mag auch in Betracht gezogen werden, dass jedenfalls nach der Behauptung des Kläger der Wagen nicht alsbald im Stadtverkehr verschlissen, sondern nur zu zwei Überlandfahrten eingesetzt worden ist. Inwieweit dies seinen Wert beeinflusste, hängt vor allem von einer dabei beobachteten angemessenen Fahrweise ab. Bei dieser Sachlage muss das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden, damit die noch erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.

Für die Neuverhandlung wird darauf hingewiesen, dass das Berufsgericht dann, wenn der Kläger Anspruch auf eine Schadensabrechnung auf Neuwagenbasis haben sollte, wegen der Fahrleistung bis zum Unfall und wegen der Weiterbenutzung des Wagens nach dem Unfall einen Abschlag zu machen hat.