Offenbarungspflicht

Zur Offenbarungspflicht des Verkäufers eines gebrauchten Lastkraftwagens über Unfallschäden, insbesondere zur Frage der Abgrenzung nicht mitteilungspflichtiger Bagatellschäden von schwereren Beeinträchtigungen (hier: Beschädigung einer Stoßstange, des Viskolüfters und des Kühlers).

Zum Sachverhalt: Die Kläger kaufte am 8. und übernahm am 9. 11. 1978 von der Beklagte einen gebrauchten, vom Voreigentümer der Verkäuferin mit einem Austauschtor und einem Austauschgetriebe versehenen Lkw zum Preis von 54880 DM. In den schriftlichen, zugleich als Rechnung bezeichneten und nicht formularmäßig abgefassten Kaufvertrag heißt es u. a.: wie besichtigt, so gekauft ... 6 Monate Garantie oder 100000 km km- Stand 421861. Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 16. 3. 1979 focht die Kläger den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an, weil das Fahrzeug eine höhere Laufleistung als angegeben aufweise.

Das Landgericht hat die auf Rückzahlung des Kaufpreises, Schadensersatz für Aufwendungen und Rückgabe noch nicht fälliger Kaufpreiswechsel gerichtete Klage abgewiesen. Die in der Berufungsinstanz auch auf arglistiges Verschweigen eines Auffahrunfalls gestützte Berufung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Die Revision der Kläger führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: I. Soweit das Berufungsgericht den Kaufvertrag nicht wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB für nichtig erklärt hat, bestehen dagegen keine rechtlichen Bedenken. Auch die K.1., die der Beklagte in den Vorinstanzen die Forderung eines unverhältnismäßig hohen Kaufpreises vorgeworfen hatte, nimmt dies hin.

II. 1. Das Berufungsgericht führt weiter aus, die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung über den - unstreitig von der Beklagte nicht mitgeteilten - Auffahrunfall sei nicht wirksam. Ob sie angesichts des erst in der zweiten Instanz in den Prozess eingeführten Sachvortrags rechtzeitig (§ 124 BGB) erklärt sei, könne dahingestellt bleiben ebenso auch, ob das Verschweigen des Unfalls für den Kaufentschluss der KL ursächlich geworden sei Jedenfalls habe die Beklagte keine Aufklärungspflicht verletzt, weil Folge des von der Kläger nicht einmal substantiiert vorgetragenen Unfallhergangs ein - für einen Lkw - Bagatellschaden gewesen sei, der nur die Auswechslung der vorderen Stoßstange und eines darin eingesetzten Lampeneinsatzes mit einem Reparaturaufwand von 1400 DM erfordert habe. Die Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten stand.

2. a) Ist dem Verkäufer eines gebrauchten Kraftfahrzeugs ein Mangel oder ein früherer Unfall bekannt, so hat er nach der ständigen Rechtsprechung des BGH diesen Umstand grundsätzlich auch ungefragt dem Käufer mitzuteilen, wenn er sich nicht dem Vorwurf arglistigen Verschweigens aussetzen will (BGHZ 63, 382 [386f.] = LM § 276 [Fa] BGB Nr. 42 = NJW 1975, 642; BGHZ 74, 383 [391f.] = LM AGBG Nr. 4a NJW 1979, 1886; Senat, NJW 1981, 928 = LM § 528 ZPO Nr. 18 = WM 1981, 32, jeweils m. w. Nachw.). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der beim Verkauf für die Beklagte auftreten des nicht offenbarten Auffahrunfalls auch nicht mit anderer Begründung aufrechterhalten.

a) Die vom Berufungsgericht bisher offengelassene Frage nach der Rechtzeitigkeit der erstmalig unter dem 23. 1. 1980 geltend gemachten Begründung für die Anfechtung kann das Berufungsgericht nicht abschließend beantworten, weil es bisher an Feststellungen darüber fehlt, wann der Geschäftsführer oder ein anderer verantwortlicher Vertreter der Klägervon dem Auffahrunfall erfahren hat. Ebenso wird das Berufungsgericht noch zu würdigen haben, ob die verschwiegene Mitteilung über den Unfall ursächlich für den Kaufvertragsabschluss ist.

b) Selbst wenn sich im weiteren Verfahren die Unwirksamkeit der Anfechtung herausstellen sollte, wäre der Anspruch der Kläger allerdings nicht unbegründet. Aufgrund der arglistig unterlassenen Mitteilung könnte ihr ein Rückzahlungsanspruch aus der hilfsweise erklärten Wandelung oder gegebenenfalls auch ein Schadensersatzanspruch zustehen (§§ 459, 462, 463, 476, 478 11 BGB), dessen weitere Voraussetzungen - insbesondere seine Höhe - aber noch aufzuklären wären.

III. 1. Das Berufungsgericht sieht eine arglistige Täuschung auch nicht darin, dass der Geschäftsführer]. die Kläger weder auf den eingebauten Austauschmotor und das Austauschgetriebe noch auf mögliche Zweifel an der Übereinstimmung zwischen der Tachometeranzeige und der Laufleistung des Fahrzeugs hingewiesen habe. Austauschmotor und -getriebe seien als werterhöhende Faktoren nicht offenbarungspflichtig; dass der vom Fahrtenschreiber angezeigte Kilometerstand nicht mit der tatsächlichen Laufleistung des Fahrzeugs übereinstimmen musste, habe angesichts des Alters des Lkw - mit Erstzulassung im Februar 1973 - dem Geschäftsführer der Kläger ebenso bekannt sein müssen wie der Beklagte

2. Demgegenüber meint die Revision, die Laufleistung des Fahrzeugs und nicht nur die des Motors sei für den Käufer so bedeutsam, dass der sachkundige Verkäufer eine Aufklärungspflicht hinsichtlich aller Umstände habe, aus denen der Käufer auf die tatsächliche Laufleistung schließen könne. Diese Pflicht sei arglistig verletzt, wenn der Verkäufer den Einbau eines Austauschmotors und -getriebes verschweige, im Vertragstext den km-Stand angebe (was als Zusicherung der Übereinstimmung mit der Laufleistung anzusehen sei) und Zweifel an dieser Übereinstimmung nicht mitteile. - Mit diesen Erwägungen hat die Revision jedoch keinen Erfolg.

3. a) Nach den von der Kläger nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist ungeklärt geblieben, welche Laufleistung das verkaufte Fahrzeug tatsächlich hatte ... Damit fehlt es an einer sicheren tatsächlichen Grundlage für die Annahme, der im Kaufvertrag angegebene Kilometerstand von 421861 weiche erheblich von der tatsächlichen Fahrleistung ab. Schon aus diesem Grunde kommt weder eine arglistige Täuschung über die Gesamtfahrleistung des verkauften Lastzuges durch Vortäuschen einer geringeren Fahrstrecke noch die unrichtige Zusicherung einer solchen in Betracht.

b) Der Revision kann auch nicht darin gefolgt werden, dass die Beklagte wenigstens ihre Zweifel an der Übereinstimmung vom Tachometerstand und Gesamtfahrleistung sowie den Einbau eines Austauschmotors und Austauschgetriebes hätte mitteilen müssen. Ob die Annahme einer arglistigen Täuschung über die für die Fahrleistung eines Lkw möglicherweise wesentlichen Umstände nicht schon schlechthin ausgeschlossen ist, wenn die wirkliche Kilometerleistung ungeklärt ist, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls hat die Beklagte insoweit keine Offenbarungspflicht verletzt. Auch im Gebrauchtwagenhandel ist der Verkäufer, sofern er wie hier die Beratung des Käufers nicht ausnahmsweise übernommen hat, nicht verpflichtende Ehemann ihrer Inhaberin der Kläger keinen derartigen Hinweis gegeben, obwohl ihm bekannt war, dass der Lkw auf der Überfahrt vom Voreigentümer zur Beklagten einen Auffahrunfall hatte, bei dem mindestens die vordere Stoßstange beschädigt wurde und ersetzt werden musste.

b) Die Offenbarungspflicht gilt allerdings nicht völlig uneingeschränkt. Da sie ihre Rechtfertigung in den Besonderheiten des Gebrauchtwagenhandels findet und die Kenntnis des Käufers von Schäden und Unfällen bestimmenden Einfluss auf seinen Kaufentschluss hat (BGH, JZ 1955, 19 = MDR 1955, 26 = BB 1954, 978), bedarf es der Mitteilung nicht, wenn der Unfall so geringfügig war, dass bei vernünftiger Betrachtungsweise der Kaufentschluss nicht davon beeinflusst werden kann. Als derartige Bagatellschäden hat der erkennende Senat bei Personenkraftwagen allerdings bisher nur ganz geringfügige, äußere (Lack-)Schäden anerkannt, nicht dagegen andere (Blech)- Schäden, auch wenn sie keine weitergehenden Folgen hatten und sich der Reparaturaufwand in einem Fall aus dem Jahre 1961 nur auf 332,55 DM belief (Senat, NJW 1967, 1222 = LM § 123 BGB Nr. 35; NJW 1977, 1914 = LM § 276 [Ca] BGB Nr. 21 = WM 1977, 1048).

c) Für Lastkraftwagen rechtfertigt es sich allerdings, auch etwas weitergehende Schäden als Bagatellen zu behandeln, weil es in aller Regel bei Nutzfahrzeugen nicht in gleicher Weise wie bei Personenwagen auf die Unversehrtheit auch der Karosserie und auf das dadurch vermittelte äußere Erscheinungsbild ankommt. Voraussetzung ist aber, dass über den sichtbar gewordenen, nur äußerlichen Schaden hinaus weitergehende Beeinträchtigungen tragender oder betriebswesentlicher Fahrzeugteile mit Sicherheit auszuschließen sind.

Daran fehlt es hier. Ob allein schon die Beschädigung der vorderen Stoßstange eine die Geringfügigkeit des Unfalls ausschließende Gefahr für andere Teile darstellen würde, kann dahingestellt bleiben. Die Revision rügt nämlich mit Recht, dass das Berufungsgericht die Behauptungen der Kläger und das Ergebnis der Beweisaufnahme über das Ausmaß der Schäden nicht vollständig berücksichtigt hat. In ihrer Berufungsbegründung hatte die Kläger behauptet, infolge des - von der Beklagte zunächst wahrheitswidrig bestrittenen - Auffahrunfalls hätten auch einige Blätter des Viskolüfters gefehlt. Der zu dem Unfall als Zeuge vernommene Ehemann der Inhaberin der Beklagte bekundete dazu, bei dem während einer Überführungsfahrt verursachten Auffahrunfall sei außer der Stoßstange auch der Viskolüfter und der Kühler beschädigt worden. Mit dieser Aussage hat sich das Berufungsgericht nicht auseinandergesetzt. Waren tatsächlich Motorteile wie Lüfter und Kühler beschädigt, kann von einem nicht offenbarungspflichtigen Bagatellschaden auch bei einem Lkw nicht mehr die Rede sein. Denn das Risiko weiterer Folgen wäre für einen Käufer so erheblich, dass dem Verkäufer nicht mehr die Entscheidung darüber überlassen werden kann, ob er den Unfall und die wesentlichen Umstände der Reparatur seinem Abnehmer mitteilen will.

3. Kann danach das angefochtene Urteil mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung keinen Bestand haben, so lässt es sich hinsichtlich seinem Vertragspartner sämtliche für die Bewertung des Fahrzeugs in Betracht kommenden Tatsachen oder Überlegungen mitzuteilen. Ihrem Umfange nach ist seine Offenbarungspflicht auch von den Erkenntnismöglichkeiten des Käufers abhängig (Senat, NJW 1965, 35 =- LM § 1004 BGB Nr. 75; BGHZ 63, 382 [386ff.] = LM § 276 [Fa] BGB Nr. 42 = NJW 1975, 642), ferner auch von dessen Verhalten, insbesondere von dem von ihm bekundeten Interesse an einzelnen Fakten (Senat, NJW 1977, 1055 LM § 276 [Fb] BGB Nr. 11 = WM 1977, 584 [unter III 2 b]). Der mit Transportfahrzeugen nicht ganz unerfahrene Kläger war ebenso wie der Beklagte bekannt (oder hätte bekannt sein müssen), dass der Tachometerstand des Fahrtenschreibers keine sichere Auskunft über die Fahrleistung des Lastzuges gab. Wenn es ihr auf die Laufstrecke angekommen wäre, hätte sie also danach fragen müssen. Dasselbe gilt hinsichtlich des Austauschmotors und Austauschgetriebes, aus deren Vorhandensein keine überzeugenden- Schlüsse auf eine bestimmte Fahrleistung des Lkw gezogen werden können, wenn - was unstreitig ist - Zeitpunkt und Anlass ihres Einbaus nicht bekannt waren. Dass der Einbau derartiger Austauschteile für sich betrachtet keinen offenbarungspflichtigen Mangel darstellt, bezweifelt auch die Revision nicht.

4. Scheidet somit eine arglistige Täuschung und die Haftung für arglistig verschwiegene Mängel aus, so gilt dasselbe auch hinsichtlich sonstiger von der Kläger behaupteter Mängel. Denn insoweit hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler Verjährung (§ 477 BGB) angenommen. Seine Auslegung der Garantieerklärung als für längstens 6 Monate geltend ist naheliegend und nicht unmöglich, weil andernfalls die Garantiezeit bei geringer Laufleistung des verkauften Fahrzeugs auf eine übermäßig lange Zeit erstreckt würde.