Rechtslage

Ob rechtsverbindliche baurechtliche Pläne (Fluchtlinienpläne, Aufbaupläne, Durchführungspläne, Ortsbaupläne, Baunutzungspläne, Baustufenpläne, Bauzonenpläne usw.) als Rechtssätze oder als Verwaltungsakte anzusehen sind, war insbesondere vor Erlass des BBauG heftig umstritten. Die Rspr. des Reichsgerichts und des PrOVG zur Rechtsnatur des Fluchtlinienplans nach preußischem Recht war uneinheitlich. In einigen Entscheidungen wurde der Fluchtlinienplan als Verwaltungsakt, in anderen dagegen als Rechtssatz angesehen. In seinem Urteil vom 3.3. 1931 hat das Reichsgericht die Rechtsnatur des Fluchtlinienplans ausdrücklich offen gelassen. Das BVerwG hatte bei der Beurteilung eines Ortsbauplans nach früherem braunschweigischen Recht die Frage nach dem Rechtscharakter zwar nicht beantwortet, eine Anfechtungsklage gegen die Planfestsetzung selbst aber für unzulässig erklärt. Die Rspr. der Nachkriegszeit hat jedoch im übrigen den Fluchtlinienplan sowie die Pläne nach den Aufbaugesetzen in den früheren preußischen Gebieten fast einhellig als Ortsrecht betrachtet. Das gleiche wurde auch für Bebauungspläne bzw. Teilbebauungspläne nach hamburgischem Recht und fair Bebauungspläne nach bremischem Recht angenommen. Verschiedentlich wurde zwar nicht der festgesetzte Plan selbst, jedoch sein Entwurf im Stadium der ersten Offenlegung oder doch zumindest der ablehnende Einwendungsbescheid als Verwaltungsakt betrachtet. Diese Meinung hat sich aber nicht durchsetzen können. Das BVerwG hat sowohl den festgestellten Fluchtlinienplan als auch den im Planverfahren begriffenen Planentwurf als Ortsrecht bzw. im Werden befindliches Ortsrecht bezeichnet; auch der im Planverfahren ergehende Einwendungsbescheid war seiner Auffassung nach kein Verwaltungsakt. Dieser Beurteilung ist der BGH im Hinblick auf den Fluchtlinienplan nach dem HessAufbauG beigetreten. Das BVerwG hat auch die städtebaulichen Pläne nach dem früheren württembergischen Recht als Rechtsnorm beurteilt. Es ist damit dem WüBaVGH entgegengetreten, der den Bebauungsplan nach der württembergischen Bauordnung als anfechtbaren Verwaltungsakt angesehen hatte. Zum gleichen Ergebnis kam das BVerwG für die Pläne nach dem früheren badischen Recht. Lediglich den Baulinienplan nach dem früheren bayerischen Recht hat das BVerwG mit Rücksicht auf die besondere Ausgestaltung des Planverfahrens als Verwaltungsakt angesehen.

Formellrechtliche Regelung in § 10 - Mit der Regelung in § 10 BBauG hat der Gesetzgeber im Jahre 1960 die Frage nach dem Rechtscharakter des Bebauungsplan zumindest formell- bzw. verfahrensrechtlich entschieden; der Bebauungsplan wird hiernach als Satzung und damit als Rechtsnorm beschlossen. Mit dieser Entscheidung wollte der Gesetzgeber seinerzeit den Bebauungsplan einer unmittelbaren Anfechtung entziehen. Diese Regelung ist unverändert in das BauGB übernommen worden. Damit hat der Gesetzgeber zumindest in formeller Hinsicht am Satzungscharakter des Bebauungsplans festgehalten Andere Vorschriften im BauGB oder in anderen Gesetzen knüpfen an die in § 10 getroffene Entscheidung an. Dies gilt in gleicher Weise für die Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen sowie für § 15 Abs. BauNVO 1977/1990. Auch die in §§214 bis 216 getroffene Regelung über die Beachtlichkeit von Rechtsverletzungen geht vom Satzungscharakter des Bebauungsplans aus. Im Verfahren zum Erlass des BauGB war allerdings vorgeschlagen worden, den Bebauungsplan als Verwaltungsakt auszugestalten, um dessen Rechtssicherheit zu erhöhen, doch hat der Gesetzgeber diese Anregung nicht aufgegriffen.Die Festlegung der Rechtsform von Hoheitsakten durch den Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich unbedenklich, solange auf diese Weise der wahre Rechtscharakter nicht grob verfälscht und damit gegen das Verbot des Formenmißbrauchs verstoßen wird. Das Verfassungsrecht räumt dem Gesetzgeber insoweit einen breiten Entscheidungsspielraum ein. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gebietet nicht, dass der Gesetzgeber Bebauungspläne in diejenige Rechtsform kleidet, die dem Barger eine verwaltungsrechtliche Normenkontrolle gewährleistet.

Materieller Charakter des Bebauungsplans - Die positiv-rechtliche Regelung in § 10 ist jedoch nur formeller Art. Sie besagt noch nichts über die wahre Rechtsnatur des Bebauungsplans. Der materielle Charakter von Hoheitsakten kann nämlich von seiner formellen Bezeichnung durch den Gesetzgeber abweichen. Die äußere Form ist insoweit ohne Bedeutung. Allerdings ist der Gesetzgeber 1960 davon ausgegangen, dass der Bebauungsplan auch materiell eine Rechtsform sei. Die Ausgestaltung des Verfahrens ist für den materiellen Charakter eines Hoheitsaktes nicht entscheidend. Die rechtliche Einordnung des Bebauungsplans kann heute auch ohne Rücksicht auf das Rechtsschutzbedürfnis vorgenommen werden, da jetzt im Gegensatz zur Rechtslage vor 1976 in jedem Falle ein hinreichender Rechtsschutz entweder nach § 47 oder nach § 42 VwGO gewährleistet ist. Das BVerwG hatte dagegen in seinem Urteil vom 3.5. 1956 noch hierauf abgestellt, da seinerzeit nur Verwaltungsakte unmittelbar angefochten werden konnten. Das BVerwG betrachtete seinerzeit den Begriff des Verwaltungsaktes als eine Zweckschöpfung der Verwaltungsrechtswissenschaft. Es verneinte ein Rechtsschutzbedürfnis, da der Bebauungsplan selbst gegenüber dem Betroffenen noch nicht unmittelbar wirksam sei, sondern erst in weiteren Verfahren in die Rechte des einzelnen eingegriffen werde; bei Verwaltungsstreitverfahren gegen diese Maßnahmen habe der Betroffene die Möglichkeit, alle Einwendungen gegen den Bebauungsplan vorzubringen. Gegen diese Argumentation des BVerwG hatte Obermayer bereits zutreffend eingewandt, da.ß die Einordnung einer Maßnahme in diese oder jene Kategorie von Hoheitsakten nicht davon abhängen könne, ob sie unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzes erforderlich sei; hierfür seien inhaltliche Kriterien maßgebend. Im übrigen ist heute gesicherte Erkenntnis, dass auch der Bebauungsplan unmittelbare Rechtswirkungen haben kann. Schließlich hängt der Rechtscharakter eines Hoheitsaktes auch nicht davon ab, ob er rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Der materielle Charakter des Bebauungsplans ist auch nach der Entscheidung des Gesetzgebers in § 10 BBauG umstritten geblieben. In den Beratungen zum BauGB wurde die Frage nach dem Rechtscharakter des Bebauungsplans erneut aufgeworfen. Nach herrschender Auffassung ist der Bebauungsplan nicht nur formell-rechtlich, sondern auch materiell-rechtlich eine Rechtsnorm. Daneben gibt es jedoch Stimmen, die ihn als Allgemeinverfügung bzw. als dinglichen Verwaltungsakt bezeichnen. Für Forsthoff ist der Bebauungsplan weder eine Norm noch ein Verwaltungsakt, sondern ein aliud. Seiner Auffassung nach ist der Bebauungsplan keine Norm, weil er nicht abstrakt, sondern in höchstem Maße konkret sei; er sei aber auch kein Verwaltungsakt, weil er nicht über individuelle Rechte in individueller Weise entscheide. Der Grund für die Kontroverse liegt darin, dass der Bebauungsplan sowohl baurechtliche Regelungen allgemeiner und abstrakter Art als auch Elemente der Einzelfallgestaltung enthalten kann. Die Festsetzung z.B. von Verkehrsflächen, der Führung oberirdischer Leitungen oder der Mindestgröße von Baugrundstücken kann konkrete Züge annehmen, dagegen ist z.B. die Festsetzung von Verbrennungsverboten oder Verwendungsbeschränkungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 mehr baurechtlicher Natur. Im allgemeinen wird zur Unterscheidung zwischen Rechtssätzen einerseits und Verwaltungsakten andererseits teils auf die Bestimmtheit des Adressatenkreises, teils auf den Inhalt der getroffenen Regelung, teils auf beide Kriterien abgestellt. Nach § 35 VwVfG kommt es sowohl auf den Adressatenkreis als auch auf den Regelungsgegenstand an, wobei die beiden Kriterien im Einzelfall unterschiedliches Gewicht haben können.