Tanzcafe

Die Vereinbarung einer Gesamtmindestabnahmemenge in einem auf 20 Jahre geschlossenen Bierlieferungsvertrag steht einer Kündigung des Gastwirts zum Vertragsende nicht entgegen, auch wenn er die Gesamtmenge nicht abgenommen hat.

Bei einem so ausgestalteten Vertrag bemisst sich bei Pflichtverletzung des Gastwirts der auf entgangenen Gewinn gestützte Schadensersatzanspruch der Brauerei nach derjenigen Menge, die der Gastwirt innerhalb der Laufzeit von 20 Jahren voraussichtlich abgenommen hätte.

Zum Sachverhalt: Die Beklagten pachtete Anfang 1967 von ihrem damaligen Ehemann M ein Tanzcafe mit etwa 250 Sitzplätzen. Bereits vorher, am 28.4. 1966, hatten die Eheleute M mit der Kläger hinsichtlich des Tanzcafes einen formularmäßigen Bierlieferungs- und Leistungsvertrag abgeschlossen. Danach verpflichteten sich die Eheleute M u. a., den gesamten Bierbedarf ausschließlich von dem Kläger zu beziehen. Ferner konnten die Eheleute M den Bierbezug nur nach vorausgegangener, zum 1. 10. zulässiger ganzjähriger Kündigung einstellen. Die Kündigung war in diesem Falle vor dem 1. 10. 1986 und vor einer Gesamtabnahme von 6000 hl ausgeschlossen. Ende 1966, Anfang 1967 stellte die Kläger den Eheleuten M für das Tanzcaf6 neues Inventar zum Anschaffungswert von 45162,70 DM leihweise zur Verfügung. Mit Schreiben vom 18.6. 1974 beriefen sich diese auf die Sittenwidrigkeit des Bierlieferungsvertrages, stellten Anfang November 1974 den Bierbezug bei dem Kläger ein und bezogen in der Folgezeit ihr Bier von einer anderen Brauerei. Bis einschließlich Mai 1974 betrug der - gegen Ende dieses Zeitraums erheblich absinkende - Bierbezug bei dem Kläger für das Tanzcafé 1211,34 hl. Am 26. 5. 1975 verkaufte der frühere Ehemann der Beklagten das Hausgrundstück mit Tanzcafé und dem von der Kläger ihm leihweise gestellten Inventar an den D, der in diesem Vertrag einen Eintritt in eine etwa fortbestehende Bierbezugsverpflichtung ausdrücklich ablehnte. Später verpflichtete sich D der Kläger gegenüber zur Zahlung von 30000 DM für das von ihm übernommene Inventar sowie zur ausschließlichen Bierabnahme ab 1.4. 1976 bis zu einer Lieferung von 1500 hl - und zwar gegen zinslose Gewährung eines Darlehens in Höhe von 30000 DM.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Kläger die Beklagten - als Gesamtschuldnerin mit ihrem Ehemann - auf Ersatz des ihr durch die vorzeitige Vertragsbeendigung in Höhe von 112450,36 DM entgangenen Gewinns, abzüglich der von D gezahlten 30000 DM, in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 95 000 DM, abzüglich der anzurechnenden 30000 DM, stattgegeben. Die Berufung der Beklagten führte zur Abweisung der über einen Betrag von 1800 DM hinausgehenden Klage. Die Revision der Kläger hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. Zutreffend geht das Berufsgericht davon aus, dass die Bierlieferungsvereinbarung zwar im Hinblick auf die von den Eheleuten M eingegangene ausschließliche Bezugsverpflichtung gemäß § 34 GWB der Schriftform bedurfte, der Bierlieferungs- und Leistungsvertrag vom 28.4. 1966 aber diesem Schriftformerfordernis auch insoweit genügte, als in seiner Nr. 4c hinsichtlich der Lieferungspreise auf die jeweils von der Kläger festgesetzten Abgabepreise verwiesen wird. Dass eine solche Bezugnahme der Schriftform jedenfalls dann genügt, wenn die jeweiligen Abgabepreise sich aus einer der Kartellbehörde zugänglichen Preisliste ergeben, hat der Kartellsenat des BGH in der nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Entscheidung vom 1. 12. 1977 klargestellt. Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger ihre Abgabepreise auch einmal mündlich ändern könnte, sind - davon geht auch das Berufsgericht aus - nicht ersichtlich.

Nach Ansicht des Berufsgericht ist der Bierlieferungsvertrag vom 28.4. 1966 auch insoweit nicht zu beanstanden, als er unkündbar für eine Laufzeit von 20 Jahren abgeschlossen ist.

Diese Ausführungen sind nicht unbedenklich. Zwar hat der erkennende Senat wiederholt ausgesprochen, dass eine bis zu 20 Jahren gehende Bezugsbindung an eine Brauerei noch zulässig sein kann, wenn auch eine so langfristige Bindung an die äußerste Grenze des in einem Ausnahmefall gerade noch Zulässigen geht. Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 23.5. 1973 eine Lieferzeit von insgesamt 23 Jahren noch für zulässig gehalten hat, handelt es sich um eine ganz ungewöhnliche, keiner Verallgemeinerung zugängliche Vertragsgestaltung. Es müssen daher stets besondere Umstände hinzukommen, die eine 20jährige Bezugsbindung rechtfertigen. Sie können etwa darin liegen, dass sich die Bindung nur auf einen Teil des Bedarfs bezieht und damit die Abhängigkeit des Gastwirts von der Brauerei von vornherein lockerer war; aber auch ungewöhnlich hohe Gegenleistungen der Brauerei können eine Bindung bis zu 20 Jahren rechtfertigen. Hier erfasste die Bezugsbindung den gesamten Bierbedarf, wobei die Beklagten in ihrem Ausschank auf Biere ab Exportsorte aufwärts beschränkt war. Auch war die Gestellung des Leihinventars mit einem Anschaffungswert von 45162,70 DM - ohne Verpflichtung zur Renovierung oder Erneuerung nach einem gewissen Zeitraum - als einzige Gegenleistung für die langjährige Bezugsbindung nicht so ungewöhnlich hoch, dass sie eine 20jährige Laufzeit hätte rechtfertigen können. Ob gleichwohl, was im einzelnen abzuwägen Sache des Tatrichters wäre, der Umstand, dass die Bezugsbindung keine Mindestabnahme während bestimmter Zeiträume vorsah und sich vor allem, was für die Besonderheit der Gaststätte als Tanzcafe von Bedeutung werden konnte, nicht auf Wein, Spirituosen und alkoholfreie Getränke erstreckte, eine 20jährige Bindung rechtfertigen könnte, kann hier letztlich offen bleiben; denn selbst wenn man zugunsten der Kläger von der Gültigkeit einer so langen Bezugsbindung ausgehen wollte, so würde die Klage gleichwohl, wie noch auszuführen ist, hinsichtlich eines über 1800 DM hinausgehenden Betrag keinen Erfolg haben.

Der Gesamtabnahmepflicht von 6000 hl kommt bei der vorliegenden Vertragsgestaltung keine eigenständige Bedeutung zu. Da die Kündigung auf keinen Fall vor dem 1. 10. 1986 möglich sein sollte, hätte auch eine Überschreitung der Gesamtabnahmemenge der Beklagten kein Recht zur Lösung vom Vertrag vor diesem Zeitpunkt geben können. Auf der anderen Seite konnte aber die Festsetzung einer Gesamtabnahmemenge nicht dazu führen, dass die Beklagten, wenn diese Menge nach Ablauf von 20 Jahren noch nicht erreicht war, weiterhin ohne Kündigungsbefugnis zum Bierbezug verpflichtet blieb. Das hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 14.6. 1972 ausgeführt. Mit ihrem Hinweis, dem Gastwirt werde in solchen Fällen, in denen wie hier - die Mindestabnahme nicht an einen bestimmten Zeitraum gebunden sei, die Möglichkeit gegeben, seine Abnahmepflicht gleichsam in Raten zu erfüllen, verkennt die Revision die der oben genannten Rechtsprechung des Senats zugrunde liegenden Erwägungen. Die Bindung eines Gastwirts an eine bestimmte Brauerei über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren - häufig für den größten Teil seines Berufslebens - ist auch dann, wenn es bei der Vertragsabwicklung tatsächlich nicht zu Störungen kommt, geeignet, ihn von Anfang an in seiner Entscheidungsfreiheit über die Führung der Gaststätte und insbesondere über eine ihm notwendig oder auch nur wünschenswert erscheinende Änderung im Charakter des Lokals unzumutbar einzuengen. Überdies würde ihm die - durch aus legitime - Möglichkeit genommen, nach einem gewissen Zeitablauf seine weitere Bezugsbindung von einer Gegenleistung der Brauerei abhängig zu machen. Hat sich daher eine Brauerei eine Bierbezugsverpflichtung unkündbar für einen. Zeitraum ausbedungen, der im Hinblick auf die sonstige Vertragsgestaltung gerade noch zulässig ist, so kann der Gastwirt den Vertrag zum Ablauf dieser Frist auch dann kündigen, wenn er neben der zeitlichen Bindung eine Verpflichtung zur Abnahme einer Mindestmenge übernommen hat und diese noch nicht erfüllt ist.