Testamentarische-Alleinerbin

Die Beklagten ist die testamentarische Alleinerbin des am 22. 3. 1969 verstorbenen S. Als einzige pflichtteilsberechtigte Angehörige hinterließ der Erblasser G, die er 1958 adoptiert hatte. Diese klagte 1972 ihren Pflichtteil ein. Im Laufe des Rechtsstreits ist die frühere Klägerin verstorben; der Rechtsstreit wird auf der Klägerseite von deren Erben fortgeführt. Die Beklagte hat verschiedene Beträge an die Kläger gezahlt. Die Parteien streiten jetzt noch um Zinsbeträge.

Das Landgericht hat den Kläger 4% Zinsen zugesprochen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Die Revision, mit der die Kläger 8% Zinsen verlangen, hatte Erfolg.

Aus den Gründen: Soweit das Berufsgericht den Kläger Verzugszinsen zugebilligt hat, hat es den Zinslauf in Übereinstimmung mit dem Landgericht mit dem 27. 2. 1972 beginnen lassen. Dass die Beklagten bereits vor diesem Tage in Verzug gesetzt worden sei, hat das Berufsgericht nicht festgestellt.

Es hat ausgeführt, eine Verzug begründende Mahnung wegen des Pflichtteilsanspruchs sei erst möglich gewesen, nachdem zuvor klargestellt worden sei, dass die Kläger sich für den Pflichtteilsanspruch entschieden und diesen geltend gemacht hätten. Solange die Kläger darauf beharrt hätten, möglicherweise Miterben des Erblassers zu sein, und solange sie nicht ausdrücklich auf etwaige Rechte als Miterben verzichteten, sei für das endgültige und dringende Erfüllungsverlangen, das § 284 BGB für die Mahnung voraussetzte, kein Raum gewesen. Eine entsprechende Klarstellung sei erst mit Schreiben vom 24. 2. 1972 erfolgt. Auch enthielten die Schreiben der Klägerseite an die Beklagten aus der Zeit vorher keine hinreichend deutliche Mahnung.

Auch insoweit hält das angefochtene Urteil der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit Recht beanstandet die Revision, dass das Berufsgericht das im Berufungsurteil in Bezug genommene Schreiben der Rechtsvorgängerin der Kläger an die Beklagten vom 22. 10. 1969 nicht berücksichtigt hat. In diesem Schreiben forderten die Anwälte der G die Beklagten sinngemäß auf, den Pflichtteil bis zum 15. 11. 1969 auszuzahlen. Dort heißt es dann weiter:

Sollte der Termin hinsichtlich des Geldes und der Wertpapiere nicht eingehalten werden, dann wären wir leider genötigt, das Verfahren beim Nachlassgericht in Gang zu bringen. Das Möglichste hätten wir getan, um zu verhindern, dass aus der Sache viel Aufsehen gemacht wird. Entweder Sie entschließen sich, den einfachen Weg rasch zu gehen, oder es kann nur durch Einschalten der Gerichte entschieden werden. Dann steht für Sie das Ganze in höchstem Maße auf dem Spiel... Wir haben uns also den 15. 11. 1969 vorgemerkt. Würden wir bis dorthin keine endgültige Nachricht erhalten, würden wir das Verfahren fortführen...

Diese Erklärung leidet allerdings darunter, dass der geforderte Betrag nicht genannt ist. Es ist jedoch nicht zu übersehen, dass die Klägerseite damals nicht in der Lage war, den Pflichtteil zu beziffern; die Ermittlung des Nachlasswertes als Grundlage für die Berechnung des Pflichtteils fällt vielmehr in erster Linie in die Verantwortung des Erben. Deshalb muss die für den Verzugsbeginn erforderliche Mahnung hier ausnahmsweise auch dann Verzug begründen können, wenn der angemahnte Anspruch dort nicht beziffert ist. Andererseits war die Zeit vom Erbfall bis Oktober 1969 zu einer einigermaßen verlässlichen Berechnung des Nachlasses im Hinblick auf dessen Umfang und Beschaffenheit auch für die Beklagten möglicherweise noch zu kurz. Dem müsste im Rahmen von § 285 BGB Rechnung getragen werden. Indessen kommt es darauf nicht an, weil die Kläger Zinsen erst ab 10. 8. 1970, also ab Zugang des Schreibens vom B. B. 1970, begehren. Mit diesem Schreiben wies die Klägerseite darauf hin, dass sie nun endlich ihren Pflichtteil umgehend erhalten wolle; sie erwarte dringend die umgehende Überweisung. Jedenfalls bis dahin musste die Beklagten sich Klarheit über den Wert des Nachlasses und die Höhe des Pflichtteils verschafft haben. Das Schreiben vom B. B. 1970 hat daher Verzug begründet. Einer erneuten Androhung von Folgen durch die Klägerseite bedurfte es in dieser Lage nicht mehr.

Entgegen der Auffassung des Berufsgerichts war für den Verzugsbeginn nicht Voraussetzung, dass die Gläubigerin auf ihre etwaigen Ansprüche als Miterbin verzichtet oder dass sie jedenfalls ihren Rechtsstandpunkt aufgab, möglicherweise Miterbin zu sein. Eine solche Voraussetzung stellt das Gesetz nicht auf. Dass die Rechtsvorgängerin der Kläger seinerzeit noch den Standpunkt vertrat, infolge Unwirksamkeit des Testaments des Erblassers möglicherweise Miterbin zu sein, und deshalb ihren Pflichtteilsanspruch nur hilfsweise geltend machte, steht dem Verzug nicht entgegen. Seit der Entscheidung des RG in RGZ 108, 279 ist anerkannt, dass auch ein hilfsweise gestellter Klageantrag gemäß § 284I BGB Verzug herbeiführt. Es besteht kein Grund, die Anmahnung eines hilfsweise geltend gemachten Zahlungsanspruchs nur deshalb anders zu behandeln, weil sie vorprozessual erfolgt. Allerdings wurde die Lage der Beklagten infolge des zweigleisigen Vorgehens der Klägerseite erschwert. Die Beklagten musste - wenn sie den fälligen Pflichtteilsanspruch erfüllte - immer noch damit rechnen, dass sich nachträglich herausstellt, dass G in Wahrheit Miterbin geworden war. Indessen ist dieser Nachteil nicht so gewichtig, dass es gerechtfertigt wäre, das Verschulden der Beklagten an der Nichtzahlung unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben zu verneinen. Die Klägerseite war stets bereit, Zahlungen der Beklagten auf den Pflichtteil entgegenzunehmen; derartige Zahlungen wären gegebenenfalls im Rahmen der dann erforderlichen Erbauseinandersetzung der Parteien zu Lasten der Klägerseite auf deren Anteil voll anzurechnen gewesen. Überdies ist nicht zu übersehen, dass der Beklagten in der Zeit, in der sie den fälligen Pflichtteil zurückhielt, die Nutzungen des entsprechenden Gegenwertes voll zugute gekommen sind. Demgemäß stehen den Kläger gemäß § 288 I 1 BGB Verzugszinsen in Höhe von mindestens 4% auch schon für die Zeit ab 10. 8. 1970 zu. Wegen eines etwaigen darüber hinausgehenden Zinssatzes wird auf den folgenden Abschnitt verwiesen.

Das Berufsgericht hat den Kläger lediglich 4% Zinsen zugesprochen. Die Versagung eines darüber hinausgehenden Zinssatzes - die Kläger verlangen 8% - hat das Oberlandesgericht wie folgt begründet:

Die Verwendung von Geldern, die einem Gläubiger auf sein Pflichtteils- recht zufließen, hänge von den persönlichen Lebensverhältnissen ab und sei einer Typisierung nicht zugänglich. Für eine konkrete Schadensberechnung hätten die Kläger nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Das Berufsgericht unterstellt, dass die Rechtsvorgängerin der Kläger ihr Barvermögen stets gewinnbringend angelegt habe und dass auch der Kläger zu 1 es gewohnt gewesen sei, zinsgünstige Anlagen zu tätigen. Das alles lasse aber nicht den Schluss zu, dass die Kläger oder ihre Rechtsvorgängerin die ihnen zustehenden Beträge bei rechtzeitiger Zahlung in festverzinslichen Wertpapieren und nicht etwa in Immobilien angelegt haben würden.

Auch insoweit kann der Revision der Erfolg nicht versagt bleiben. Das Berufsgericht hat hier ebenfalls zu hohe Anforderungen gestellt. Es hat die Entscheidung des BGH vom B. 11. 1973 missverstanden, wenn es die dort entwickelten Grundsätze auf solche Fälle beschränken will, bei denen infolge verspäteter Kaufpreiszahlung Kapitalnutzungen entgangen sind. Die Entscheidung bezieht sich vielmehr ganz allgemein auf Fälle entgangener Kapitalnutzungen; die in ihr entwickelten Grundsätze, denen der erkennende Senat beitritt, sind daher auch hier anzuwenden. Das Berufsgericht wird sie seiner erneuten Entscheidung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles und der Grundsätze richterlicher Schadenschätzung gemäß § 287 ZPO zugrunde zu legen haben.