Träger der Straßenbaulast

Eine Vereinbarung, die der Träger der Straßenbaulast nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens mit einem der betroffenen Grundstückseigentümer über das für das Grundstück zu zahlende Entgelt trifft, kann einen Vergleich darstellen.

Der Kläger hat als Rechtsanwalt Frau C., die Eigentümerin eines Hausgrundstücks, in Verhandlungen mit der Stadt K. und dem beklagten Land vertreten. Mit Schreiben vom 10. 4. 1967 teilte die Stadt Frau C. mit, das Anwesen falle in die geplante Weiterführung der Landesstraße 605, es müsse daher abgebrochen werden; das für den Straßenbau zuständige Land werde es erwerben, sie, die Stadt, sei beauftragt, die Erwerbsverhandlungen zu führen. - Der Plan für den Ausbau der Landesstraße 605 war zuvor beschlossen worden und unanfechtbar geworden.

Nach den erwähnten Verhandlungen des Klägers wurde am 3. 4. 1969 zwischen Frau C., dem beklagte Land und der Stadt K. ein Kauf- und Tauschvertrag geschlossen: Frau C. verkaufte ihr Grundstück an das beklagte Land, erhielt von diesem eine Entschädigung von insgesamt 71 831 DM und von der Stadt K. ein Grundstück, für das wiederum das beklagte Land an die Stadt 23 830 DM zahlte. Das beklagte Land verpflichtete sich ferner u. a., die durch die Vertretung der Kläger entstandenen angemessenen Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen. Diesen letzteren Anspruch hat Frau C. an den Kläger abgetreten.

Der Kläger hat nach Begleichung eines Teils seiner Gebührenforderung durch das beklagte Land im vorliegenden Rechtsstreit weitere Gebührenforderungen in Höhe von zunächst 1724,92 DM nebst Zinsen geltend gemacht. Dieser Forderung liegt u. a. der Ansatz einer Vergleichsgebühr zugrunde (§ 23 BRAGO).

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat ihr unter Abweisung im übrigen in Höhe von 1065,55 DM entsprochen. Die vom Berufungsgericht zugelassene Rev. des beklagte Landes hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger eine Gebührenforderung in Höhe von insgesamt 2684,98 DM zustehe, auf die 1619,43 DM gezahlt sind. Die verbleibenden 1065,55 DM, zu deren Zahlung das Berufungsgericht das beklagte Land verurteilt hat, entsprechen einer nach einem Gesamtgegenstandswert von 100718,28 DM berechneten Gebühr, die dem Kläger nach Ansicht des Berufungsgerichts für seine Mitwirkung bei der - als Vergleich i. S. des § 779 BGB gewürdigten - Vereinbarung vom 3. 4. 1969 zusteht.

Der Streit der Parteien geht im RevRechtszug noch darum, ob diese Vereinbarung in der Tat Streit oder Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt hat und damit die Merkmale eines Vergleichs i. S. des § 779 BGB aufweist.

Das Berufungsgericht hat zu der Frage, ob ein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien gegeben war, auf die unanfechtbare Planfeststellung und die Erklärung der Stadt in ihrem Schreiben an Frau 0. vom 10. 4. 1967 hingewiesen, das in die geplante Weiterführung der Landesstraße 605 fallende Anwesen müsse abgebrochen werden und werde vom beklagte Land erworben. Darin liege zumindest ein Berühmen der damals federführenden Stadt mit einem Recht zur zwangsweisen Inanspruchnahme des Grundstücks durch das Land. Dass ein Enteignungsverfahren noch nicht beantragt war, hält das Berufungsgericht für unerheblich.

II. Die Angriffe der Rev. gegen diese Ausführungen sind nicht begründet.

1. Zwar stellt ein vor Einleitung des Planfeststellungsverfahrens geschlossener Grundstückskaufvertrag für Straßenbauzwecke keinen Vergleich dar, weil zu dieser Zeit noch kein Rechtsverhältnis i. S. des § 779 BGB zwischen den Parteien besteht (vgl. Urteil des VII. ZS des BGH vom 8. 6. 1972, BGHZ 59, 69 = vorstehend Nr. 37 NJW 1972, 1318). So lag der Fall hier aber nicht. Vielmehr war den Verhandlungen der Parteien und ihrer Einigung die unanfechtbar gewordene Planfeststellung vorangegangen.

2. Da es sich um eine Landesstraße im Lande Baden- Württemberg handelte, richteten sich Ziel und Ergebnisse eines Plattfeststellungsverfahrens nach den Vorschriften des Straßengesetzes für Baden-Württemberg vom 20. 3. 1964 (GB1. S. 127) - BadWürttStrG. Diese entsprechen in den hier interessierenden Punkten den einschlägigen Vorschriften des BFernstrG (§§ 17ff. dieses Ges.): Die für den Bau einer Landesstraße erforderliche Planfeststellung (§ 38 BadWürttStrG) regelt rechtsgestaltend die öffentlich-rechtlichen Beziehungen, insbesondere die Art und den Umfang der Inanspruchnahme von Rechten, zwischen dem Träger der Straßenbaulast und den durch den Plan Betroffenen; sie ersetzt - unbeschadet etwa entgegenstehenden Bundesrechts - die nach anderen Rechtsvorschriften erforderlichen behördlichen Verfügungen (§ 39 Abs. 1). Die Feststellung des Plans durch die Planfeststellungsbehörde (§ 41 Abs. 4) begründet zugunsten des Trägers der Straßenbaulast die Zulässigkeit der Enteignung, soweit diese zur Ausführung eines festgestellten Bauvorhabens erforderlich ist (§ 42 Abs. 1). Diese Auswirkungen der Planfeststellung konkretisieren die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger der Straßenbaulast und dem Grundeigentümer des dadurch erfassten Grundstücks auf eine Weise, die die Annahme eines Rechtsverhältnisses i. S. des § 779 BGB hinsichtlich dieses Grundstücks rechtfertigen.

3. Bei den Verhandlungen der Parteien ging es allerdings nicht darum, ob dem Planfeststellungsverfahren die erörterte rechtsgestaltende Wirkung zukam und ob es insbesondere ein Enteignungsverfahren zulässig gemacht hatte. Gegenstand der durch den Vertrag vom 3.4. 1969 beendeten Verhandlungen war vielmehr die Höhe des durch das beklagte Land zu zahlenden Entgelts. Das besagt aber nicht, dass die Beteiligten wie bei einem normalen Kaufvertrag Leistung und Gegenleistung ausgehandelt hätten, nicht aber im Wege gegenseitigen Nachgebens Streit oder Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt hätten (§ 779 BGB):

Wie bereits der III. ZS des BGH durch Urteil vom 14. 10. 1971, III ZR 9/69 = vorstehend Nr. 36 = NJW 1972, 157 entschieden hat, kann jedenfalls eine im Laufe eines Enteignungsverfahrens getroffene Vereinbarung auch unter dem Gesichtspunkt einen Vergleich darstellen, dass dadurch der Streit der Parteien über die Höhe der Entschädigung beseitigt wird. Dass der ursprüngliche Streit auch den Enteignungsanspruch selbst betrifft, ist nicht erforderlich.

Die gleiche rechtliche Beurteilung ist auch dann geboten, wenn - wie hier - eine solche Vereinbarung bereits vor der Einleitung des Enteignungsverfahrens, jedoch nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens und nach Eintritt der dadurch bewirkten Konkretisierung der Rechtsbeziehungen der Parteien zustande kommt. Denn von da ab stehen sich der Grundstückseigentümer und die öffentliche Hand nicht mehr wie sonst Käufer und Verkäufer auf dem Grundstücksmarkt gegenüber; ihre Rechtsbeziehungen sind vielmehr hinsichtlich eines bestimmten Grundstücks dahin gesetzlich festgelegt, dass die öffentliche Hand den Erwerb des Grundstücks erzwingen kann und hinsichtlich der Höhe ihrer Gegenleistung nicht über die gesetzlich bestimmten Grenzen hinausziehen braucht: 42 Abs. 6 BadWürttStrG verweist im Anschluss an die Regelung einiger Einzelfragen im Übrigen auf die landesrechtlichen Enteignungsgesetze und bestimmt für die Entschädigung in Geld die entsprechende Anwendbarkeit der §§ 93 und 95-99 BBauG. Nach § 95 BBauG bemisst sich die Höhe der Entschädigung nach dem Verkehrswert, für dessen Ermittlung das Gesetz einige Einzelfragen näher regelt. Dass das Gesetz damit der Beurteilung der Frage, wie im Einzelfall die Entschädigung zu bemessen ist, eine gewisse Bandbreite einräumt, ändert nichts daran, dass der Streit der Beteiligten darüber, wie hoch die Entschädigung im Einzelfall zu bemessen ist, ein Streit über die Auswirkungen von Rechtsvorschriften, eine zu seiner Beilegung getroffene Vereinbarung ein Vergleich im Sinne des § 779 BGB sein kann

4. Der Anwendbarkeit dieser Vorschrift steht auch nicht entgegen, dass hier ein Entschädigungsanspruch noch nicht entstanden war. Denn auch über künftige, bedingte und betagte Ansprüche kann nach allgemeiner Auff. ein Vergleich geschlossen werden (vgl. das erwähnte BGH-Iirt. vom 14. 10. 1971). Dass, wie die Rev. hervorhebt, eine Planfeststellung nicht notwendig zur Enteignung führt, ändert an der rechtlichen Beurteilung nichts. Die Notwendigkeit der Enteignung auszuräumen war ersichtlich gerade der Sinn der Vereinbarung. Die Rechtsnatur der Vereinbarung als Vergleich wird dadurch, dass es infolge ihres Abschlusses nicht zu einer Enteignung kam, hier ebenso wenig berührt wie in anderen Fällen, in denen ein Vergleich an die Stelle sonst für die Zukunft zu erwartende Ansprüche die durch den Vergleich begründeten setzt.

Rechtlich unerheblich ist schließlich auch, dass das beklagte Land die der Vereinbarung vorangegangenen Verhandlungen ganz oder überwiegend nicht selbst geführt hat, sondern durch die Stadt hat führen lassen.

Mit der Entscheidung des RG in RG 1912 Nr. 1778 steht die Auffassung des Senats nicht im Widerspruch. Das RG hat in dieser Entscheidung einen Grunderwerbsvertrag zur Vermeidung des Enteignungsverfahrens nicht als Vergleich i. S. des § 779 BGB angesehen. Der Fall lag aber zum mindesten insoweit anders, als dort ersichtlich noch nicht die mit dem endgültigen Abschluss eines Planfeststellungsverfahrens verbundenen Rechtswirkungen eingetreten waren.

Nach alledem tritt darin, dass das Berufungsgericht die Tätigkeit des Klägers i. Verb. m. der Vereinbarung vom S. 4. 1969 als Mitwirkung beim Abschluss eines Vergleichs gewertet und die Voraussetzungen für die Entstehung einer Vergleichsgebühr (§ 23 BRAGO) als vorliegend angesehen hat, kein Rechtsirrtum zutage.