Unterhaltsschadensrente

Ein dem Witwer durch den Wegfall der unentgeltlichen Versorgung seiner Kinder in Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht entstehender Mehraufwand kann jedoch im Wege der Vorteilsausgleichung auf seine Unterhaltsersparnis angerechnet werden.

Zum Sachverhalt: Der Kläger nimmt den Erstbeklagte als Kraftfahrer und den Zweitbeklagte als dessen Haftpflichtversicherer wegen Unterhaltsschadens aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, bei dem die Ehefrau des KL tödlich verletzt worden ist. Der Kläger war mit der Verstorbenen in zweiter Ehe verheiratet. Aus erster Ehe stammen zwei Mädchen, die beim Tod ihrer Stiefmutter 7 und 5 Jahre alt waren. Der Kläger, von Beruf Bergmann im Schichtdienst, wohnte und wohnt mit seinen beiden Kindern und mit seiner über 70Jahre alten Mutter in deren Einfamilienhaus (160 qm). Zum Haus gehört ein etwa 1900 qm großer Garten. Die Familie bestritt den Nahrungsbedarf weitgehend aus eigenem Anbau und der Haltung eines Schweines. Der Kläger hat mit der Behauptung, der Beklagte habe den Unfall allein verschuldet, Ansprüche aus § 844 II BGB geltend gemacht. Er hat vorgetragen, seine Ehefrau, eine Bauerntochter, habe alle anfallenden Arbeiten in Haus, Garten und Schweinestall (letzteres mit Ausnahme des Ausmistens) erledigt; insbesondere habe sie Kartoffeln und Gemüse angebaut sowie eine reiche Obsternte und das Fleisch aus der Schlachtung des Schweines eingeweckt. Auch habe sie als gelernte Schneiderin ihren Bedarf an Kleidung weitgehend durch Selbstanfertigung gedeckt. Er hat den Wert der ihm und seinen Kindern durch den Tod seiner Ehefrau entgangenen Haushaltsführung - unter Berücksichtigung ersparter Aufwendungen von 400 DM - mit monatlich 1600 DM beziffert und für Vergangenheit und Zukunft eingeklagt.

Das Landgericht hat der Klage in voller Höhe stattgegeben, zeitlich begrenzt auf Januar 2017 (entsprechend der mutmaßlichen Lebenserwartung der beim Tod 40Jahre alten Ehefrau des KL). Das Oberlandesgericht hat die Unterhaltsschadensrenten erheblich herabgesetzt, und zwar bis zum 31. 3. 2003 (Vollendung des 60. Lebensjahres des KL) auf monatlich 723 DM und ab 1. 4. 2003 bis 31. 1. 2017 (mutmaßliche Lebenserwartung der Verstorbenen) auf monatlich 99 DM. Die hiergegen eingelegte Revision der Beklagte wurde nicht angenommen, die Revision des Klägers führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: I. Bei Berechnung der für die entgangene Haushaltsführung zu zahlenden Schadensersatzrente stellt das Berufungsgericht nur auf den Bedarf des KL selbst ab und lässt den Bedarfseiner Kinder aus erster Ehe außer Betracht. Es verkennt zwar nicht, dass die Ehefrau des Klägers die Kinder wie eine Mutter versorgt und betreut hat; es meint jedoch, diese Arbeitsleistung darum außer Betracht lassen zu müssen, weil sie diese Pflicht nur durch vertragliche Abrede mit dem Kläger übernommen, den Kindern aber gesetzlich nicht als Unterhalt geschuldet habe. Hilfsweise erwägt es, dass der Kläger ohnehin nicht Ansprüche der Kinder im eigenen Namen geltend machen könne.

Ausgehend von der Versorgung eines kinderlosen Haushalts schätzt es den dafür erforderlichen Zeitaufwand auf wöchentlich 20 Stunden, wozu es wegen der besonderen Schmutzbeeinträchtigung durch Kohlenstaub der nahegelegenen Zeche, für den Anbau von Obst und Gemüse und die Haltung eines Schweines 4 Stunden zuschlägt. Für die insgesamt angesetzten 104 Stunden im Monat geht es von einem Stundensatz von brutto 12 DM aus, was in etwa dem Lohn einer nach BAT VIII bezahlten Haushaltshilfe entspreche. Somit kommt es zu einem Rentenbetrag von monatlich 1248 DM (104 X 12). Als ersparten Unterhalt zieht es 525 DM ab (und zwar 200 DM für Verpflegung, 50 DM für Heizungs-, Wasser- und Stromkosten, 50 DM für Körperpflege, 50 DM als Taschengeld und 175 DM für Kleidung). Den somit verbleibenden Betrag von 723 DM erkennt es jedoch nur bis zum 23. 3. 2003 - dem Tag, an dem der KL sein 60. Lebensjahr vollenden wird - zu. Ab diesem Zeitpunkt geht es von einer stärkeren Mitarbeit des KL im Haushalt aus, wodurch sich die von seiner Ehefrau zu leistende Stundenzahl von monatlich 104 auf die Hälfte (52 Stunden) ermäßige. Den Betrag von 99 DM (52 X 12 = 624 abzüglich 525) erkennt es bis zum Januar 2017 (Lebenserwartung der Verstorbenen) zu.

II. Die Revision des KL fuhrt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung. Dabei ergibt eine Auslegung der Revisionsschrift in Verbindung mit der Revisionsbegründung, dass der KL die Abweisung der Feststellungsklage als unzulässig mit der Revision nicht angegriffen hat.

1. Zwar kann der Meinung der Revision des KL darin nicht gefolgt werden, dass auch der für die Versorgung seiner beiden Kinder aus erster Ehe erforderliche Zeitaufwand vom Schädiger zu ersetzen sei, dem KL also statt der zuerkannten 24 Wochenstunden ein Anspruch auf Einstellung einer ganztags beschäftigten Haushaltshilfe zustehe. Denn die Verstorbene war diesen gegenüber nach dem Gesetz nicht unterhaltspflichtig. Die Barunterhalts- und Personensorgepflicht erstreckt sich nur auf die gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder (§§ 1360a, 1626 BGB). Es entspricht herrschender Meinung, dass Stiefkinder kein gesetzlicher Unterhaltsanspruch gegen den Ehepartner seines leiblichen Elternteils zusteht (s. Senat, NJW 1969, 2007 = LM vorstehend Nr. 33 = VersR 1969, 998; für viele: RGRK, 12. Aufl., § 844 Rdnr. 24, § 1360 Rdnr. 8). Der im 2. Regierungsentwurf zum Gleichberechtigungsgesetz vorgesehene § 1360c BGB, der Unterhaltsansprüche naher Angehöriger eines Ehegatten (Eltern oder Kinder) vorsah, ist nicht Gesetz geworden (BT-Dr 11/224, S. 4, 31). Wenn - was das Berufungsgericht unterstellt - die Ehefrau des KL mit diesem vereinbart hatte, auch seine Kinder mitzuversorgen, so handelte es sich dabei nur um eine vertraglich vereinbarte Unterhaltspflicht, die den Voraussetzungen, die § 844 II BGB an die Schadensersatzpflicht des Schädigers gegenüber mittelbar Geschädigten stellt, nicht genügt (BGH, NJW 1969, 2007 = LM vorstehend Nr. 33). Den Kindern des KL ist durch den Tod seiner Ehefrau somit nicht ein kraft Gesetzes begründetes Recht auf Unterhalt i. S. von § 844 II BGB entzogen.

2. Das angefochtene Urteil war jedoch aufzuheben, weil die Berechnung der Vorteilsausgleichung fehlerhaft ist.

a) Das Berufungsgericht hat bei Schätzung des vom KL durch den Tod seiner Ehefrau ersparten Unterhalts übersehen, dass er auch seinen Kindern gegenüber gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet ist, sein Bareinkommen also auf 4 Personen verteilt werden musste. Bei dem vom Berufungsgericht festgestellten Nettoeinkommen des KL von monatlich rd. 1300 bis 1400 DM (zuzüglich Kindergeld) konnte keinesfalls ein Barbetrag von 525 DM auf die Ehefrau des Klägers entfallen. Selbst wenn das Berufungsgericht den (für den Kläger ungünstigen) Aufteilungsschlüssel von 3:3:2:2 zwischen Ehegatten und Kindern seiner Berechnung zugrundelegte, läge der auf die Ehefrau entfallende Anteil bei Berücksichtigung der sogenannten „fixen Kosten, die dem Kläger vorweg zustehen, erheblich unter 525 DM, zumal auch zu beachten ist, dass die Ehefrau des Klägers ihre Kleidung weitgehend selbst anfertigte und durch Anbau von Obst und Gemüse sowie durch die Versorgung eines Schweines auch ihren Nahrungsbedarf in einem ins Gewicht fallenden Umfange in Naturalien deckte. Zur Berechnung der Vorteilsausgleichung wird auf das im Senatsurt., LM PflVG 1965 Nr. 46 = MDR 1984, 306, angeführte Modell verwiesen.

b) Ferner hat das Berufungsgericht rechts fehlerhaft bei der Vorteils Ausgleichung nicht beachtet, dass dem Kläger durch Wegfall der unentgeltlichen Versorgung seiner Kinder nunmehr in Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht ein Mehraufwand entstehen kann, der auf die Unterhalts Ersparnis anzurechnen ist. Wenn seinen Kindern, wie dargelegt, auch kein Anspruch aus § 844 II BGB wegen entgangener Personensorge zusteht, so muss ein durch den Tod seiner Ehefrau bedingter Mehraufwand des Klägers aber, wenn er tatsächlich erbracht wird, bei der nach Billigkeitsgrundsätzen auszurichtenden Vorteilsausgleichung von dem ihm anzulastenden finanziellen Vorteil (möglicherweise bis zur Null-Grenze) abgezogen werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH wird die Berücksichtigung eines Vorteils davon abhängig gemacht, ob sie dem Geschädigten im Einzelfall nach Sinn und Zweck des Schadensersatzrechts unter Beachtung der gesamten Interessenlage der Beteiligten nach Treu und Glauben zugemutet werden kann (s. Senat, NJW 1979, 760 = VersR 1979, 323 m. w. Nachw. - insoweit in BGHZ 73, 109 = LM vorstehend Nr. 55, nicht abgedruckt). Inwieweit durch den Wegfall des Ehepartners bedingte finanzielle Nachteile den Vorteil wieder mindern können, hängt davon ab, ob diese mit dem Schadensereignis in einem so engen Zusammenhang stehen, dass sie bei wertender Betrachtung als dem ersparten Unterhalt zugehörig angesehen werden müssen. So werden nach der Rechtsprechung des BGH beispielsweise unfallbedingte Steuerersparnisse dem Schädiger nur dann gutgebracht, wenn der Verwendungszweck der Steuervergünstigung solcher Entlastung nicht entgegensteht oder wenn die Steuervergünstigung nicht durch schadensbedingten Verlust einer anderen Steuervergünstigung wieder ausgeglichen wird (s. Senat, NJW 1980, 1788 = LM §249 [Hd] BGB Nr. 27 = VersR 1980, 529). Hinsichtlich der dem überlebenden Ehepartner durch Aufhebung der Lebensgemeinschaft allgemein entstehenden Vermögensschäden hat der Senat allerdings eine Anrechnung grundsätzlich verneint (s. für Verlust steuerlicher Vorteile wie Splitting-Tarif, Verringerung der Höchst- und Pauschalbeträge für Werbungskosten und Sonderausgaben Senat, NJW 1979, 1501 = LM vorstehend Nr. 56 = VersR 1979, 670). Der Streitfall bietet jedoch dadurch eine Besonderheit, dass die Bereitschaft der Ehefrau des Klägers, seine erstehelichen kleinen Kinder (unentgeltlich) mitzuversorgen - was zudem einer sittlichen Pflicht entsprechen dürfte - sich unmittelbar auf die Unterhaltspflicht des Klägers auswirkte, denn damit ermöglichte sie es ihm, durch sie seiner Pflicht zur Ausübung der Personensorge zu genügen. Dieser Besonderheit muss bei Berechnung der Vorteilsausgleichung Rechnung getragen werden, denn der Schädiger hat durch den von ihm verschuldeten Tod der Ehefrau des Klägers diese Ablösung der Unterhaltspflicht seitens der Stiefmutter unmöglich gemacht. Soweit dem Kläger durch den Wegfall dieser unentgeltlichen Versorgung ein Mehraufwand (beispielsweise durch Einstellung einer Ersatzkraft, durch Unterbringung der Kinder in einem Internat oder dergl.) entsteht, entspricht es der Billigkeit, diesen auf den ersparten Unterhalt anzurechnen. So hat der Senat es schon im Urteil vom 10. 4. 1979 (NJW 1979, 1501 = LM vorstehend Nr. 56; zust. Mertens, in: Münch- Komm, § 844 Rdnr. 33) für zulässig erachtet, dass ausnahmsweise ein von der (später getöteten) Ehefrau über die gesetzlich geschuldete Unterhaltspflicht hinausgehender tatsächlich erbrachter Unterhaltsbeitrag im Rahmen der Vorteilsausgleichung zugunsten der Hinterbliebenen berücksichtigt werden kann. Eine diesem Sachverhalt vergleichbare besondere Situation ist im vorliegenden Fall auch gegeben. Es wird somit entscheidend darauf ankommen, ob der Kläger einen solchen Mehraufwand aufzubringen hat . . .

III. Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das Berufungsgericht folgende Gesichtspunkte zu beachten haben:

1. Hinsichtlich der Berechnung des nur gedachten Aufwandes für eine angestellte Ersatzkraft (fiktive Kosten) wird auf das nach Verkündung des angefochtenen Urteils ergangene Senatsurteil vom 8. 2. 1983 (BGHZ 86, 372 = LM vorstehend Nr. 63 = NJW 1983, 1425 = VersR 1983, 458) verwiesen, wonach grundsätzlich von der Netto-Vergütung auszugehen ist.

2. Falls der KL, wie die Beklagte vortragen, die im Haushalt ausgefallene Arbeitskraft seiner verstorbenen Ehefrau durch Mitarbeit aus dem Kreis der Verwandtschaft ausgleicht, wird das Senatsurteil vom 8. 6. 1982 (NJW 1982, 2864 = LM vorstehend Nr. 61 = VersR 1982, 874) zu beachten sein.

3. Im Hinblick darauf, dass die Verstorbene den Kindern des KL gegenüber nicht unterhaltspflichtig war, liegt kein Fehler darin, dass das Berufungsgericht bei Berechnung des Arbeitszeitbedarfs eine Mitarbeitspflicht der Kinder (§ 1619 BGB) nicht berücksichtigt.

4. Schließlich wird das Berufungsgericht bei Ermittlung des ersparten Unterhalts, insbesondere der sogenannten fixen Kosten des Haushalts (Miete?), die finanzielle Regelung zwischen dem Kläger und seiner Mutter zu klären haben, in deren Haus die Familie zusammen mit ihr wohnt.

5. Ferner wird dem Kläger Gelegenheit zu geben sein, einen etwaigen Mehraufwand für die Versorgung seiner beiden Kinder darzulegen und zu beweisen.