Stromerzeugung
Bei der Quellenbilanzierung (nach dem Standortprinzip) werden Emissionen ihrem direkten Verursacher und nicht dem Endverbraucher zugeordnet. So wird der Strom- und Fernwärmeverbrauch dem Umwandlungssektor angelastet, der Verbrauch innerhalb der Verbrauchssektoren ist emissionsfrei. Die Quellenbilanzierung lässt kaum Rückschlüsse auf das Verbrauchsverhalten der Handlungsfelder zu.
- Die Quellenbilanzierung bildet die Effekte verbraucherbezogener Maßnahmen zur Energieeinsparung nicht ab, die gerade im Energiekonzept 2020 von zentraler Bedeutung sind.
- Der Berliner Senat hat seine klimapolitischen Zielsetzungen verursacherbezogen definiert.
Weil sich mit der Methodik der Verursacherbilanzierung die Auswirkungen von Energiesparmaßnahmen auf der Verbraucherseite und der Nutzung von Energieeffizienztechnologien (z. B. Erneuerbare Energien, Kraft-Wärme-Kopplung) in geeigneter Weise darstellen lassen, wird für das Energiekonzept 2020 diese Bilanzierungsmethodik gewählt.
Allerdings beinhaltet auch die Verursacherbilanzierung spezifische methodische Nachteile und Grenzen, die im Energiekonzept 2020 durch ergänzende quellenbilanzbezogene Betrachtungen bereinigt werden. Wie bereits in den Definitionen dargelegt, erfolgt in den amtlichen Energie- und CO2-Bilanzen beim Energieträger Strom die Anrechnung der dem Endverbrauch zuzurechnenden Emissionsmenge auf Grundlage des Brennstoffverbrauchs aller Stromerzeugungsanlagen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, dem sog. „Generalfaktor Strom" [Institut für ZukunftsEnergieSysteme 2008]. Eine derartige CO2-Bilanzierung des Stromverbrauchs im Land Berlin stellt die spezifischen Anstrengungen der hiesigen Energiewirtschaft für einen Ausbau der zentralen KWK und der Erneuerbaren Energien nur unzureichend dar.
Für eine Verursacherbilanzierung der Endenergieverbräuche im Zieljahr 2020 ist weiter eine valide Abschätzung der Entwicklung bestimmter CO2 Emissionsfaktoren von zentraler Bedeutung. Mit diesen Faktoren werden im Energiekonzept 2020 die Endenergieverbräuche in den einzelnen Handlungsfeldern im Jahr 2020 bewertet. Während für einige Primärenergieträger bis zum Jahr 2020 keine Verminderung der CO2-Emissionsfaktoren zu erwarten ist, trifft dies für die Energieträger Strom, Fernwärme und Erdgas nicht zu. Die voraussichtliche Entwicklung der CO2-Emissionsfaktoren bei den genannten Energieträgern wurde in den Projekttreffen intensiv mit den Energieversorgern des Landes Berlin analysiert.
Einen Schwerpunkt stellte die Bestimmung der künftigen Entwicklung des CO2 Emissionsfaktors für Fernwärme dar. In den Diskussionen waren vor allem zwei Fragen von Bedeutung. Zum einen musste die grundlegende Frage des zu wählenden Berechnungsverfahrens geklärt werden. Hier existieren in der Praxis zwei Verfahren, die sich in der emissionsseitigen Bewertung des KWK-Einsatzes sehr
Der Generalfaktor ergibt sich als Quotient der Summe der Emissionen aller deutschen Stromerzeugungsanlagen, soweit sie für den inländischen Verbrauch produzieren.
Zum anderen war schließlich zu prognostizieren, wie sich die CO2-Emissionen mit dem gewählten Berechnungsverfahren bis zum Jahr 2020 entwickeln würden.
Die Schwierigkeit einer CO2-Bilanzierung der Fernwärme ist die emissionsseitige Bewertung der Kraft-Wärme-Kopplung mit den Koppelprodukten Strom und Wärme. Grundsätzlich ist die Bilanzierung der Koppelprodukte über eine Aufteilung der benötigten Brennstoffe nicht eindeutig möglich. Angewendet werden im Wesentlichen zwei verschiedene Bewertungsmodelle.
Zum einen handelt es sich um eine von den Statistischen Landesämtern verwendete sehr vereinfachte Methode (Finnische Methode), zum anderen um die physikalisch besser begründbare Arbeitswertmethode (VDI 4660 Blatt 2). Die Anwendung der Finnischen Methode für die CO2-Bilanzierung der Fernwärme im Energiekonzept 2020 wird damit begründet, dass diese Bilanzierungsmethodik im Rahmen der amtlichen CO2-Bilanzierung von den Statistischen Landesämtern verwendet wird. Nur unter Verwendung dieser Methodik kann eine Vergleichbarkeit mit den amtlichen CO2-Statistiken gesichert werden. Bei der Finnischen Methode wird der Einsatz von Brennstoffen für die Strom- und Wärmeerzeugung zunächst mit Referenzwirkungsraden der getrennten Erzeugung ermittelt. Anschließend erfolgt eine Aufteilung der Brennstoffeinsparung der gekoppelten Erzeugung gegenüber der getrennten Erzeugung proportional im Verhältnis der über die Referenzwirkungsgrade ermittelten Brennstoffeinsätze für Strom und Wärme. Damit geschieht eine Entkopplung der KWK vom eigentlichen physikalischen Prozess da die physikalisch nachvollziehbaren energetischen Relationen verzerrt werden.
Was die Arbeitsfähigkeit der Wärme betrifft, erfolgt bei der Finnischen Methode eine überproportionale Zuteilung des Brennstoffeinsatzes auf die Wärme gegenüber der Stromerzeugung. Dadurch wird der Wärme im KWK-Prozess (BHKWWärme und Fernwärme) eine relativ hohe CO2-Emission zugeteilt, was physikalisch eigentlich nicht korrekt ist.
Physikalisch richtiger (2. Hauptsatz der Thermodynamik) und aussagefähiger ist die Arbeitswertmethode. Diese ist für die physikalische Bewertung der CO2 Emissionen der Fernwärme die allgemein anerkannte Methodik der Wahl (z.B. AGFW, BDEW, etc.) und wird bereits seit langem für die Stromkennzeichnung deutschlandweit angewendet. Nach dieser Methodik wird die Arbeitsfähigkeit der Heizwärme mit dem Stromverlust bewertet, der durch ihre Auskopplung entsteht.
Bei den im Fernwärmebereich genutzten Warmwassertemperaturen ergeben sich ein relativ geringer Stromverlust und damit ein wesentlich geringerer der KWKWärme zugeteilter Brennstoffanteil und CO2-Anteil.
In der deutschlandweiten Energie- und CO2-Bilanz resultieren beide Methoden im gleichen CO2-Ergebnis. Im Vergleich zur Arbeitswertmethode weist die Finnische Methode für die Kraft-Wärme-Kopplung für das Koppelprodukt Strom niedrigere CO2-Emissionen und das Koppelprodukt Wärme höhere CO2-Emissionen aus. Auf der Ebene der Bundesländer ergeben sich in der Gesamtbilanz an dieser Stelle Unterschiede, da bei der Verursacherbilanzierung wärmeseitig die höheren regionalen CO2-Emissionswerte angesetzt werden und bei der CO2-Bewertung des Stroms der Generalfaktor des Bundes verwendet wird.
Bei der Fernwärme prognostizieren Berechnungen der Vattenfall Europe AG unter Zugrundelegung der Maßnahmen des eigenen Energiekonzeptes nach der Finnischen Methode eine Verringerung der CO2-Emissionen im Bilanzzeitraum 2005 2020 von 272 auf 180 kg/MWh (66 %) [siehe nachfolgende Abbildung; vgl. Energiekonzept der Vattenfall Europe AG]. Setzt man darüber hinaus einen zunehmenden Anteil von 7,5 % Biogas an, der bis zum Jahr 2020 dem normalen Erdgas beigemischt wird (s. u.), reduziert sich der CO2-Emissionswert für die Fernwärme sogar auf 172 kg/MWh.
Auch wenn die CO2-Bilanzierung der Fernwärme nach der Finnischen Methode für das Referenzjahr 2005 einen höheren Emissionsfaktor ergibt, der für das genannte Jahr irreführender Weise z. B. höher als der von Heizöl ist, kann bis zum Jahr 2020 durch die beschriebene umfassende Verbesserung des CO2 Emissionswertes über den geplanten Ausbau der Fernwärme ein substantieller Beitrag zu den CO2-Minderungszielen des Landes Berlin geleistet werden. Im Kontext der geplanten Umbaumaßnahmen entsprechend dem Energiekonzept der Vattenfall Europe AG liegt der genannte CO2-Emissionsfaktor für Fernwärme im Bereich des Möglichen und wird deshalb für die weiteren Berechnungen des Energiekonzepts 2020 zugrunde gelegt. Es wird im Weiteren davon ausgegangen, dass sich die Fernwärme-Kennzahlen für Berlin im Jahr 2020 im Mittel auf dem von Vattenfall Europe für das zentrale Fernwärmenetz prognostizierten Niveau bewegen werden. Das spiegelt einerseits den bevorstehenden Ausbau des Vattenfall-Fernwärmenetzes und andererseits einen Mix von kleineren Anbietern mit hoher Effizienz (z. B. BTB) und Anbietern mit einer ungekoppelten Fernwärmeversorgung wider.
Auf der Grundlage des im Energiekonzept 2020 abgeleiteten Zielszenarios mit einem um 3,5 % reduzierten Fernwärmeverbrauch bis 2020 ergibt sich durch die Verbesserung des CO2-Faktors für Fernwärme nach der Finnischen Methode gegenüber dem Referenzjahr 2005 eine CO2-Minderung von 1,27 Mio. t/a.
Die folgende Abbildung fasst die Werte der verschiedenen Berechnungsmethoden zusammen. Für die Berechnungen des Energiekonzepts 2020 werden für das Jahr 2005 der mit dem orangefarbenen Balken markierte Werte der „Finnischen Methode" und für das Jahr 2020 der mit dem gelb markierten Balken hinterlegte Wert (Fernwärme unter Berücksichtung des Anteils von Biogas) zugrunde gelegt. Für Einzelentscheidungen wie z. B. den Heizkesselersatz durch Fernwärme oder durch ein BHKW sollten ergänzend allerdings immer die Werte der Arbeitswertmethode angesetzt werden, um physikalisch korrekte Werte zur CO2-Minderung zu ermitteln. Dies gilt z. B. auch im Zusammenhang mit der Erstellung von Klimaschutzvereinbarungen zwischen dem Senat und Unternehmen / Verbänden.