Für die Pensionäre mit Freifahrtausweis nahmen die BVG an dass nur 40 v H den öffentlichen Personennahverkehr regelmäßig nutzen

Rechnungshof von Berlin Jahresbericht 2011 ten, dass sich seit der Trennung von Dienst- und persönlichem Fahrausweis im Dezember 2005 mindestens 73 v. H. der aktiv Beschäftigten und 61 v. H. der Auszubildenden - trotz der lohnsteuerrechtlichen Berücksichtigung - für einen persönlichen Fahrausweis entschieden haben.

Für die Pensionäre mit Freifahrtausweis nahmen die BVG an, dass nur 40 v. H. den öffentlichen Personennahverkehr regelmäßig nutzen. Von diesen seien wiederum nur 70 v. H. bereit, eine Zeitkarte zu erwerben. Für die anderen Pensionäre mit Freifahrtberechtigung wurde als Ersatz für den Wegfall der Zeitkarte eine nur gelegentliche Nutzung von Einzelfahrscheinen unterstellt. Die Berechnung der BVG ist insoweit sehr vorsichtig, da im Ergebnis der beiden Abschläge nur 28 v. H. potenzielle Zeitkartenkäufer unter den zur Freifahrt berechtigten Pensionären vermutet werden. Das erscheint sehr gering, zumal weiter angenommen wird, diese würden jährlich nur sieben Monatskarten erwerben.

Für die Ehegatten aktiv Beschäftigter und Pensionärsehegatten unterstellten die BVG, dass bei einem Wegfall der Fahrpreisermäßigungen ein Nutzerrückgang auftreten würde. Unter Verwendung des Preises von Umweltkarten im Abonnement und des angenommenen Nutzerrückganges wurden die potenziellen Einnahmen ermittelt. Hierbei haben die BVG berücksichtigt, dass die Einnahmen aus dem Verkauf der ermäßigten Ehegattenfahrausweise vollständig den BVG zuzurechnen sind, die Einnahmen aus dem Verkauf der Umweltkarten hingegen nicht. Dies ist zutreffend, da Letztere den Regelungen der Einnahmeaufteilung zwischen den Unternehmen BVG, DB Regio AG und S-Bahn Berlin GmbH unterliegen. Unter den getroffenen Annahmen würden sich die der BVG verbleibenden Einnahmen bei einem Wegfall der Ermäßigungen, z. B. für das Jahr 2010, nicht erhöhen, sondern um insgesamt ca. 0,55 Mio. reduzieren. Im Ergebnis der Berechnungen würden aber beispielsweise im Jahr 2010 ca. 1 776 der bisher begünstigten Ehegatten nicht nur auf die Umweltkarte verzichten, sondern den öffentlichen Personennahverkehr gar nicht mehr in Anspruch nehmen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass bei einem geringeren als dem angenommenen Nutzerrückgang auch die Einnahmen weniger zurückgehen würden. Es ist daher allein von den zugrunde gelegten Annahmen abhängig, ob bei einem Wegfall der Fahrpreisermäßigungen die Einnahmen der BVG tatsächlich sinken würden.

Die BVG haben in den Jahren 2000 bis 2009 insgesamt fünf externe juristische Stellungnahmen zu arbeitsrechtlichen Fragestellungen einer Reduzierung bzw. Abschaffung der Fahrpreisermäßigungen und Freifahrten eingeholt. Die bereits in der ersten Stellungnahme vom Juni 2000 erwähnte Möglichkeit von Veränderungen für Neueinstellungen kraft Vereinbarung haben die BVG erst mit fast zehnjähriger Verspätung im Jahr 2010 umgesetzt. Die zur Beseitigung eines verbilligten Fahrausweises für Ehegatten aktiv Beschäftigter in der Stellungnahme vom August 2004 als notwendig dargelegte Kündigung einer Dienstvereinbarung von 1959/1960 ist unterblieben.

Auch wurden über die alternativ vorgeschlagene Aufhebung oder Änderung Rechnungshof von Berlin Jahresbericht 2011 der Vereinbarung keine Verhandlungen mit dem Gesamtpersonalrat aufgenommen. Einem weiteren Vorschlag, den Freifahrtausweis für aktiv Beschäftigte und Pensionäre durch die Einführung einer finanziellen Eigenbeteiligung abzubauen, folgten die BVG ebenfalls nicht.

Im November 2003 und im Mai 2004 hatten die BVG dem Rechnungshof mitgeteilt, dass eine abgestufte Reduzierung der Vergünstigungen vorgesehen sei. So würde

· zuerst die Fahrpreisermäßigung für Ehegatten von aktiv Beschäftigten reduziert oder abgeschafft,

· nachfolgend der Wegfall von Freifahrtberechtigungen für Pensionäre sowie Witwen und Witwern von ehemals Beschäftigten geprüft und

· zuletzt der Wegfall der Freifahrtberechtigungen für aktiv Beschäftigte in der Freizeit in Betracht gezogen.

Am 16. September 2004 kündigten die BVG auf Nachfrage des Rechnungshofs die Einleitung folgender Schritte an:

· die vorsorgliche schriftliche Kündigung der Vereinbarungen zur Abgabe verbilligter Fahrausweise für Ehegatten von aktiv Beschäftigten gegenüber dem Gesamtpersonalrat;

· den Abschluss einer Dienstvereinbarung und Abschluss einzelvertraglicher Vereinbarungen zur künftigen Abschaffung von Freifahrten und Ehegattenvergünstigungen bei Neueinstellungen;

· die Anpassung der Bedingungen für Angehörigenfahrausweise;

· den weiteren Abbau bestehender Freifahrtberechtigungen sowie Ermäßigungen.

Noch in der Sitzung des Vorstands der BVG am 13. Januar 2005 bestand Einvernehmen, die stufenweise Abschaffung der Vergünstigungen aktiv anzugehen und - als erste konkrete Maßnahme - die verbilligten Ehegattenfahrausweise möglichst zum 1. März 2005 abzuschaffen.

Auf Nachfrage teilten die BVG dem Rechnungshof am 3. August 2006 jedoch mit, „dass der Vorstand der BVG mit Datum vom 24. März 2005 beschlossen hat, die bisher gewährten Freifahrtregelungen bzw. Fahrpreisermäßigungen beizubehalten". Nach dem Wortlaut des Beschlusses hat der Vorstand „der Fortführung des bestehenden Verfahrens der Gewährung von Fahrpreisermäßigungen für Ehegatten aktiv Beschäftigter und Ehegatten von Pensionären sowie Witwen und Witwer ehemals aktiv Beschäftigter" zugestimmt.

Rechnungshof von Berlin Jahresbericht 2011

Darüber hinaus haben die BVG mit einer internen Bekanntmachung im Oktober 2005 die Gewährung von Freifahrten für aktiv Beschäftigte in der Freizeit erneut bestätigt.

Am 5. Oktober 2006 äußerten die BVG gegenüber dem Rechnungshof, dass „sich der Vorstand des Hauses erneut mit diesem Thema und der Auslotung des Machbaren beschäftigen wird". Auf seiner Sitzung am 28. November 2006 entschied der Vorstand, „den im März 2005 gefassten Beschluss der dauerhaften Weitergewährung aller Vergünstigungen auszusetzen". Dem Rechnungshof teilten die BVG mit Schreiben vom 8. Dezember 2006 mit, es werde angestrebt, „die Fahrpreisermäßigungen bis zur Höhe des Preises eines Jobtickets anzuheben. Darüber hinaus werden die Regularien für Freifahrten bzw. Fahrpreisvergünstigungen im Rahmen der Neueinstellung von Mitarbeitern überdacht und erneut beraten."

Am 20. Dezember 2007 teilten die BVG dem Rechnungshof auf Nachfrage jedoch mit, dass bisher keine Maßnahmen zur Rückführung der Vergünstigungen eingeleitet worden seien. Die BVG stellten Überlegungen an, eine Rückführung der Freifahrtregelungen für Beschäftigte herbeizuführen.

Im August 2008 stellten die BVG dem Rechnungshof in Aussicht, bis zum 1. Januar 2009 ein Konzept und ggf. einen Vorstandsbeschluss zum Abbau aller Freifahrten und Fahrpreisermäßigungen vorzulegen.

Auf Nachfrage teilten die BVG dem Rechnungshof im Januar 2009 mit, es sei erforderlich, eine grundlegende und umfassende Analyse der Gegebenheiten unter Einbeziehung finanzieller und rechtlicher Aspekte vorzunehmen und auf deren Basis eine Neubewertung vorzunehmen.

Als einzig konkreten Schritt zum Abbau der Vergünstigungen schließen die BVG nunmehr seit dem 1. Mai 2010 auf der Grundlage eines Vorstandsbeschlusses vom 21. Juli 2009 mit neu einzustellenden Mitarbeitern eine Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag ab, nach der dem Beschäftigten auf Antrag unentgeltlich ein Fahrausweis als freiwillige Leistung des Arbeitgebers ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gewährt wird und nach Renteneintritt Ansprüche sowohl für den Mitarbeiter als auch dessen Ehegatten ausgeschlossen sind.

Auskunftsgemäß hat der Vorstand das Thema in die am 13. Dezember 2010 aufgenommenen Tarifverhandlungen eingebracht, wobei die Gewerkschaft ver.di bei einem Wegfall der Vergünstigungen eine Aufnahme in den Tarifvertrag gefordert habe. Soweit für die Beschäftigten eine Nettolohnerhöhung mit dem Wert eines Jobtickets für den Tarifbereich AB durchgesetzt würde, rechnen die BVG mit einer Steigerung des Personalaufwandes um ca. 21,5 Mio. jährlich.

Dem folgt der Rechnungshof nicht. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Freifahrten und Fahrpreisermäßigungen derzeit im Wesentlichen