Die Ziele setzen also auf unterschiedlichen räumlichen Ebenen an

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Ziele und Maßnahmen im Handlungsfeld Bioklima

Um die bioklimatische Situation am Tag und bei Nacht zu verbessern oder zumindest bis Mitte des Jahrhunderts auf aktuellem Stand zu halten, muss Berlin...

· seinen Gebäudebestand hitzeangepasst umbauen,

· klimatisch entlastende Frei- und Grünflächen in den betroffenen Siedlungsräumen erhalten, optimieren und wo möglich und nötig solche Flächen neu schaffen,

· die wohnungsnahe Grünflächenversorgung verbessern,

· die Funktion klimatischer Ausgleichs- und Entlastungsflächen dauerhaft sichern und verbessern,

· und den Kaltluftaustausch und -zustrom sichern und stärken.

Die Ziele setzen also auf unterschiedlichen räumlichen Ebenen an. Kaltluftaustauschgebiete sind nicht selten großflächig wirksame Strukturen, klimawirksame Freiflächen nutzen ganzen Quartieren und Stadtteilen. Maßnahmen an Einzelgebäuden und Häuserblocks verbessern dagegen die Situation vor Ort, würden aber erst bei einer Realisierung in großer Zahl auf Quartiers-, Bezirks- oder gar gesamtstädtischer Ebene Wirkung zeigen.

Dabei steht immer die Situation im Außenraum im Vordergrund ­ also das Bioklima in den öffentlichen Räumen, Straßen, Plätzen und Höfen der Stadt. Das Raumklima in den Gebäuden profitiert davon, kann und sollte aber zusätzlich durch die hinlänglich bekannten Maßnahmen an das veränderte Klima angepasst werden.

Maßnahmen am Gebäude

Die möglichen Auswirkungen ausgewählter baulicher Maßnahmen im Block hat die GEONET Umweltconsulting GmbH an einem Referenzgebiet modelliert.

Abbildung 11 Lageplan und Schnittachsen im Referenzgebiet Charlottenburg 46

GEO-NET Umweltconsulting (2010): Untersuchungen zum Klimawandel in Berlin. Zusammenstellung der im Rahmen des Stadtentwicklungsplan (StEP) Klima durchgeführten Modellrechnungen

Quelle: TU Berlin Fachgebiet Landschaftsplanung und Landschaftsentwicklung/Herwarth + Holz (2010): Fachgutachten zum Stadtentwicklungsplan Klima Berlin. Berlin, S. 79

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Als Beispiel diente ein Wohnblock der Gründerzeit in Charlottenburg. Er gehört zum Stadtstrukturtyp 1 ­ mithin zu einem Typ, der sowohl stark vom Klimawandel betroffen ist, als auch mit 5,72 Prozent einen recht hohen Anteil am gesamten Siedlungsraum hat.

Als Zeitpunkt wurde ein durchschnittlicher Sommertag am 21. Juni um12 Uhr gewählt, als Ausgangszustand ein worst case mit vollständig versiegelten Innenhöfen, Gehwegen und Straßen sowie fehlendem Baumbestand und Albedowerten (Rückstrahlwerten) von 0,3 für Gebäudewände, 0,1 für Asphalt und 0,2 für Beton.

Aus den Ergebnissen lassen sich klare Empfehlungen ableiten.

Stadtbäume erhalten und neue pflanzen Bäume in den Höfen und entlang der Straße werfen Schatten auf Boden und Fassade und verdunsten Wasser. So kühlen sie auf doppelte Weise Luft und Oberflächen in den Quartieren.

Im Modell erzeugte diese Maßnahme hohe Wirkung: Direkt unter den Bäumen ist die Luft bis zu 10 Grad kühler, selbst im Umfeld sinkt die Temperatur um bis zu drei Grad. Gemeinsam mit einer Erhöhung der Albedo bringen Straßenbaumalleen den wirksamsten Beitrag, um die bodennahe Lufttemperatur (bis zwei Meter Höhe) abzusenken.

Die Bäume werten zudem das Stadtbild auf und bieten Lebensräume für die urbane Fauna. Sie verbessern die Luftqualität, weil sie Feinstäube filtern. Ihre Photosynthese senkt den CO2- und erhöht den Sauerstoffgehalt der Luft. Ihr Schnittgut ist als Biomasse in der Energiegewinnung verwertbar. Und weil sie auch Innenräume beschatten, vermindern Sie dort den Kühlbedarf.

Konflikte ergeben sich höchstens dort, wo großkronige Bäume enge, verkehrsreiche Straßen nach oben so dicht abschirmen, dass sich Schadstoffe bei windarmen Wetterlagen im Straßenraum konzentrieren, oder wo Bäume zu dicht wachsen und Räumen in unteren Geschossen zu viel Licht nehmen. Darauf zu achten ist, dass in Zukunft Baumarten gepflanzt werden, die hitze- und trockenstresstolerant sind, zugleich aber auch den winterlichen Temperaturen standhalten (Abbildung 21). Albedowerte von Dächern, Fassaden und befestigten Flächen erhöhen

Als einer der effektivsten Wege, die Lufttemperatur zu senken, erwies sich im Modellfall die Erhöhung der Albedo. Die helleren Oberflächen verringern (bei einer angenommenen Erhöhung der Albedowerte um 20 Prozent) die Temperatur um bis zu acht Grad Celsius. Die Wirkung erfasst dabei den Block in seiner ganzen Höhe und über das Dach hinaus.

Gegen den Einsatz hellerer Farben und Materialien auf breiter Basis spräche höchstens eine ungewollte Vereinheitlichung des Stadtbilds und in Einzelfällen Konflikte mit denkmalpflegerischen Belangen.

Albedo

Die Albedo ist ein Maß für das Rückstrahlvermögen nicht selbst leuchtender Oberflächen. Sie gibt dasVerhältnis von reflektierter zu einfallender Strahlung an. Meist sind sie zudem dunkel, haben also eine ungünstige Albedo. Bereits partielle Entsiegelungen verbessern damit das Bioklima. Dasselbe gilt für wasserdurchlässig befestigte Parkplätze und Höfe, in denen zum Beispiel Rasengittersteine oder fugenreiche Klein- oder Großsteinpflaster zum Einsatz kommen.

Im Modell erwies sich die Maßnahme als hoch wirksam. 80 Prozent entsiegelte Höfe und Großsteinpflaster statt Asphalt in den umliegenden Parkbuchten bewirkten noch in zwei Metern Höhe eine Temperatursenkung um bis zu 11 Grad über den Hof und immerhin noch bis zu 7 Grad über den Parkbuchten. Es zeigte sich auch: Je größer die entsiegelten Flächen sind, desto weiter dehnt sich ihre Wirkung in der Vertikalen aus.

Jede Fläche, die zur Verbesserung des Bioklimas entsiegelt und begrünt wird, verringert auch den Oberflächenabfluss bei Niederschlägen und entlastet somit die Kanalisation.

Zugleich kommt das versickernde Wasser der Vegetation zugute, verbessert den Bodenwasserhaushalt und stärkt die Neubildung von Grundwasser. Außerdem entstehen neue, spezifische Lebensräume für die urbane Flora und Fauna, die das Wohnumfeld aufwerten.

Bei Entsiegelungen sind stets die Belange des Boden- und Grundwasserschutzes zu beachten. Vorbehalte bestehen, wo Schadstoffeinträge in Boden- und Grundwasser zu befürchten sind, weil ablaufendes Regenwasser ­ etwa von stark befahrenen Straßen oder Metalldächern ­ hohe Belastungen aufweist.

Fassaden begrünen Begrünte Hauswände reduzieren die Wärmeeinstrahlung am Tag und schaffen rund um die Uhr Verdunstungskühle. Welche Pflanzen geeignet sind und welche technischen Anforderungen beachtet werden müssen, erläutern die Informationen der Fachvereinigung

Quelle: Sukopp/Wittig (1998): Stadtökologie. Ein Fachbuch für Studium und Praxis. 2. Aufl. Stuttgart u.a., S.