Offene Wiesenflächen erhalten und zum Stadtraum öffnen

Ab einer Größe von einem Hektar tragen Grünflächen im Umkreis von bis zu 400 Metern nachts zur Abkühlung angrenzender bebauter Bereiche bei.

Der Umweltatlas Berlin konstatiert für das Tempelhofer Feld sogar eine Fernwirkung von 800 und für den Grunewald eine von 3.000 Metern.

Wie viel Kaltluft eine Grünfläche nachts produziert, hängt ab von ihrer Größe, ihrer Topografie und von der Vegetation. Wie weit die produzierte Kaltluft in die Siedlungsbereiche vordringen kann, bestimmen wiederum deren bauliche Struktur und bodennahe Hindernisse.

Grünflächen, die als Kaltluftlieferanten im Quartier wirken sollen, sollten deshalb mit ausreichend offenen Wiesenflächen und ohne den Luftaustausch hemmende Gehölzränder gestaltet werden. In bestehenden Anlagen reicht es oft schon, kleinere Mauern und Hecken, Erdwälle oder Palisaden zu öffnen, um das Ausströmen der Kaltluft zu verbessern.

Kaltluftentstehungsgebiete sichern:

Besonders viel Kaltluft entsteht auf Ackerflächen, Wiesen und ehemaligen Rieselfeldern außerhalb der Berliner Stadtgrenzen. In Berlin selbst sind etwa der Flughafen Tegel und das Tempelhofer Feld, Teile des Grunewalds, das Schöneberger Südgelände sowie die Landwirtschaftsflächen im Nordosten der Stadt wichtige Kaltluftentstehungsgebiete.

Sie alle müssen in ihrer Funktion erhalten werden. Das schließt eine Bebauung nicht grundsätzlich aus, sofern dabei bioklimatische Belange berücksichtigt werden.

Die Schaffung neuer Kaltluftentstehungsgebiete wäre zwar prinzipiell wünschenswert, scheint aber höchstens kleinräumig möglich, da sonst großflächige Entsiegelungen oder gar Rückbau nötig würden. Denkbar, jedoch im Einzelfall zu prüfen, wäre dies höchstens auf Brachflächen mit noch vorhandenem Gebäudebestand.

Kaltluftzustrom sichern und verbessern:

Durch Luftaustauschprozesse strömt kühlere Luft in die Stadt und ihre belasteten Siedlungsräume. Auschlaggebend dafür ist einzig eine geringe Rauheit der Oberfläche und eine Mindestbreite des Strömungsgebiets. So können neben Grün- und Freiflächen mit niedriger Vegetation auch Flüsse wie Havel und Spree, breite, geradlinige Gleisanlagen und in begrenztem Maßstab selbst Straßenschluchten und Ausfallstraßen solche Funktionen übernehmen.

Allerdings ist bei letzteren die Luftqualität durch die Verkehrsabgase stark beeinträchtigt.

In Karte 04 sind die Kaltluftaustauschgebiete Berlins dargestellt.

Sie liegen überwiegend außerhalb des S-Bahn-Rings, wie die südlichen Ausläufer der Grün- und Freiflächen in Blankenfelde, Ausläufer der Stadtrandsiedlung Malchow (vom Volkspark Prenzlauer Berg bis zum Malchower See), die Wuhleniederung, Mittelheide, Marienfelde, Lichtenrade oder die Kleingartenanlagen am Priesterweg und am Südkreuz, in Rudow und der Gropiusstadt und am Saatwinkler Damm. Innerhalb des S-Bahnrings haben nur der Schlosspark Charlottenburg, Bereiche um den Lietzensee, und die Kleingartenareale am Westkreuz eine solche Funktion.

All diese Austauschgebiete müssen in ihrer Funktion gesichert werden ­ ohne dass damit eine bestimmte Nutzung der Flächen vorgegeben wäre. Um den Strömungsbereich zu erweitern können beispielsweise angrenzende Brachflächen zu Grünflächen entwickelt oder für eine solche Funktion gesichert werden.

Auch bei der Erweiterung gilt: Mehrfachnutzungen, etwa für Sport, Erholung oder Kleingärten sind nicht ausgeschlossen, sondern sogar erwünscht, solange die Funktion der Fläche für den Kaltluftaustausch sichergestellt bleibt.

Karte 06 zeigt die Handlungsräume für die Maßnahmen im Kaltluftsystem.

Das Beispiel Tegel:

Dass selbst eine Bebauung in den richtigen Dimensionen keine entscheidenden Auswirkungen haben muss, belegt das Beispiel Tegel.

Im Rahmen des Änderungsverfahrens für den Flächennutzungsplan untersuchte die GEONET Umweltconsulting im Auftrag des Senats, wie sich die geplante Bebauung des Flughafengeländes klimatisch auswirkt.

Das Ergebnis: Eine Bebauung der Flächen rund um das Hauptterminal Tegel, wie sie der Senat plant, wird den Nutzen des Flughafenareals für das Stadtklima nicht entscheidend beeinflussen. Das Gelände bleibt ein Gebiet, in dem Kaltluft entsteht, die über natürlichen Luftaustausch die benachbarte Innenstadt entlastet. Potenzielle zusätzliche Bebauungen werden weder die oberflächennahen Lufttemperaturen über dem Rest des Flugfelds noch in den angrenzenden Siedlungen erhöhen (Abbildung 17).

Zudem kann die künftige, konkrete Planung der Bauten und Außenflächen dazu beitragen, negative Effekte zu mindern, indem sie die bereits beschriebenen baulichen und grünplanerischen Maßnahmen zur bioklimatischen Entlastung (wie günstige Albedo, Verschattung oder Fassadenbegrünung) berücksichtigt.

Auch die Kaltluftströme nehmen ­ verständlicherweise ­ am stärksten dort ab, wo Bauten entstehen. Zwischen den neuen Bauten wird die Kaltluft aber kanalisiert. Hier können die Ströme kalter Luft stellenweise sogar zunehmen.

In den Siedlungen und bebauten Bereichen rings um das Flughafengelände wird es nach der Bebauung weniger kalte Winde geben. Am stärksten ist die Abnahme am Nordterminal und in der Cite Foch, weniger stark in den Quartieren längs der Scharnweberstraße.

Die derzeitigen Kaltluftströme sind indes so stark, dass das die bioklimatische Situation nicht wirklich verschlechtert. Auch nach der Bebauung fließt noch ausreichend Kaltluft in die angrenzenden Gebiete, um diese zu kühlen und mit frischer Luft zu versorgen.

GEO-NET Umweltconsulting (2010): Flughafen Tegel. Fachbeitrag Stadtklima zum Änderungsverfahren für den Flächennutzungsplan Berlin. Hannover.

Die neue Bebauung ändert damit nichts Grundlegendes an der klimaökologischen Wirkung des Flughafens Tegel auf die angrenzenden Stadtgebiete. Das gilt auch für Moabit und Charlottenburg Nord. Sie erhalten bisher kühle Luft, die von Tegel über den Grünzug um den Plötzensee und die Kleingärten am Saatwinkler Damm und am Heckerdamm in die dicht bebauten Innenstadtquartiere fließt. Das wird auch in Zukunft so bleiben. Denn das Modell zeigt: Die Luft strömt hier nahezu unvermindert. Je weiter man sich von der neuen Bebauung entfernt, desto schwächer wirkt sie sich aus. Am Ende kommt praktisch dieselbe Menge Kaltluft in der Innenstadt an wie bisher.

Quelle: GEO-NET Umweltconsulting (2010): Flughafen Tegel. Fachbeitrag Stadtklima zum Änderungsverfahren für den Flächennutzungsplan Berlin.