Bei der Konjunkturbereinigung handelt es sich um ein mathematisches Modell das empirisch nicht verifiziert werden kann
Rezessive Wirtschaftsentwicklungen sollen den Konsolidierungsbedarf damit möglichst nicht erhöhen, günstige Wirtschaftsentwicklungen mit hohen Steuerzuwächsen sollen einen vorhandenen Konsolidierungsbedarf nicht überdecken. Allerdings lassen sich weder konjunkturelle Effekte noch strukturelle Defizite empirisch beobachten
Der rechnerisch ermittelte Einfluss der Konjunktur auf die Steuereinnahmen wird in der Verwaltungsvereinbarung als Konjunkturkomponente bezeichnet. Der Planungssituation wird die ex-ante-Konjunkturkomponente zugrunde gelegt. Maßgeblich für den Erhalt der Konsolidierungshilfen ist jedoch die Betrachtung des abgeschlossenen Haushalts. Hier kommt die ex-post-Konjunkturkomponente zur Anwendung. Die Berechnung beider Komponenten ist in Anhang A (S. 59) erläutert.
Bei der Konjunkturbereinigung handelt es sich um ein mathematisches Modell, das empirisch nicht verifiziert werden kann. Hierin liegen Unwägbarkeiten begründet. Die Länder haben sich gleichwohl entschieden, dieses Verfahren vorläufig anzuwenden, um die Verhandlungen zur Verwaltungsvereinbarung zeitgerecht abschließen und ihre Haushaltsaufstellung darauf abstimmen zu können. Sie haben sich damit auf ein einfaches und pragmatisches Regelwerk zur Konjunkturbereinigung verständigt und sind sich einig, dass das gewählte Verfahren ebenso wie alle anderen derzeit bekannten Verfahren nur eine näherungsweise Trennung von konjunkturellen und strukturellen Effekten ermöglicht.
Sollte sich in der praktischen Anwendung des Verfahrens zeigen, dass die Berechnungen zu unangemessenen Ergebnissen hinsichtlich der Höhe der Konjunkturkomponente führen, ermöglicht die Revisionsklausel auf Verlangen eines der Beteiligten, das Verfahren der Konjunkturbereinigung zu überprüfen und gegebenenfalls mit dem Ziel weiterzuentwickeln, mögliche Schätzfehler bei der Bestimmung der unmittelbar konjunkturellen Auswirkungen auf die Länderhaushalte zu vermindern.
3 Vermeidung von Haushaltsnotlagen
· Zur laufenden Haushaltsüberwachung von Bund und Ländern wurde ein Stabilitätsrat eingerichtet, in dem Bund und Länder auf Ministerebene vertreten sind. Der Stabilitätsrat prüft die Haushaltslage anhand von vier Haushaltskennziffern sowie einer Standardprojektion.
· Angesichts der Überschreitung von drei Schwellenwerten hat der Stabilitätsrat auf seiner Sitzung am 23. Mai 2011 festgestellt, dass Berlin eine Haushaltsnotlage droht. Gleiches gilt auch für die Länder Bremen, Saarland und Schleswig-Holstein.
· Berlin tritt gemeinsam mit den anderen drei Ländern in ein Sanierungsverfahren ein, in dessen Mittelpunkt der Abschluss eines Sanierungsprogramms mit dem Stabilitätsrat steht.
Mit dem Ziel einer Vermeidung von Haushaltsnotlagen wurde mit der Föderalismusreform II ein Stabilitätsrat eingerichtet. Seine Aufgaben bestehen im Wesentlichen in der fortlaufenden Überwachung der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern,
Festlegung der Voraussetzungen und Feststellung einer drohenden Haushaltsnotlage,
Festlegung der Grundsätze zur Aufstellung und Durchführung von Sanierungsprogrammen zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen.
Zusammen mit der Einführung der neuen Schuldenbegrenzungsregel11 soll der Stabilitätsrat die institutionellen Voraussetzungen zur Sicherung langfristig tragfähiger Haushalte im Bund und in den Ländern schaffen. Im Stabilitätsrat sind der Bund mit dem Bundesminister der Finanzen und dem Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, die Länder mit den für Finanzen zuständigen Ministerinnen und Ministern vertreten.
In seiner dritten Sitzung am 23. Mai 2011 hat der Stabilitätsrat festgestellt, dass dem Land Berlin eine Haushaltsnotlage droht. Diese Entscheidung des Stabilitätsrats kam nicht überraschend.
Eine gleiche Feststellung hat der Stabilitätsrat auch für die Länder Bremen, Saarland und Schleswig-Holstein getroffen. Vorausgegangen war das vom Gesetz vorgesehene Verfahren mit Stabilitätsbericht und Evaluation.
Der Bund und die Länder berichten seit der Umsetzung der Föderalismusreform II einmal jährlich zur Sitzung des Stabilitätsrats im Oktober in Form von »Stabilitätsberichten« über vier ausgewählte Haushaltskennziffern und die Ergebnisse ei22 ner Standardprojektion. Dies ist erstmals im Oktober 2010 erfolgt. Der Stabilitätsbericht des Landes Berlin wird vom Senat beschlossen und dem Abgeordnetenhaus zur Besprechung vorgelegt; er ist öffentlich und steht auch im Internet.
Die Feststellung, dass vier Ländern eine Haushaltsnotlage droht, beruht auf der Analyse von vier Haushaltskennziffern mit der Datenbasis des Jahres 2010. Entscheidend ist, ob der für jede Kennziffer festgelegte Schwellenwert überschritten wird oder nicht; das Ausmaß der Überschreitung spielt dabei keine Rolle. Betrachtet werden zwei Zeiträume: der Gegenwartszeitraum (im Stabilitätsbericht 2010 die Jahre 2008 und 2009 mit ihrem jeweiligen Ist und das Jahr 2010 mit dem Soll gemäß Haushaltsplan) sowie der Planungszeitraum (im Stabilitätsbericht 2010 mit den Jahren 2011 bis 2014).
Dies sind die vier Kennziffern:
Finanzierungssaldo je Einwohner (Abb. 10). Der Schwellenwert liegt im Gegenwartszeitraum beim Länderdurchschnitt zuzüglich 200 Euro je Einwohner.
Kreditfinanzierungsquote (als Verhältnis der Nettokreditaufnahme zu den bereinigten Ausgaben; Abb. 11). Der Schwellenwert liegt um drei Prozentpunkte über dem Länderdurchschnitt.
Zins-Steuer-Relation (als Verhältnis der Zinsausgaben am Kreditmarkt zu den Steuereinnahmen zuzüglich Kfz-Steuer-Kompensation, Länderfinanzausgleich und Allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen; Abb. 12). Der Schwellenwert für die Jahre 2008 bis 2010 liegt um jeweils 200 unter dem Länderdurchschnitt; für die Jahre ab 2011 wird einmalig ein Abschlag von 100 berechnet. 2010 = Soll.