Dass solche Erwägungen auch in der Praxis der HOWOGE ausschlaggebend waren machten die Aussagen der Zeugen Kirschner und Adam deutlich

„Ihr erstes Interesse, dass der Anwalt versteht, was Sie wollen, und das, was Sie wollen, vernünftig umsetzt und Ihnen dabei ein vernünftiger Berater ist, wie das vernünftig läuft, und dann das Verfahren, das Sie ihm anvertrauen, vernünftig, selbstständig managt. Darum habe ich es immer für unsinnig gefunden, Anwaltsleistungen auszuschreiben, habe dies auch im Land Berlin nie getan, sondern habe immer danach gesucht: Wo ist ein guter Anwalt, der das kann? Wer kann mir einen empfehlen? ­ Oder wenn ich schon einen kannte, war es umso besser. Ein bisschen ist das auch so mit einem Architekten und Planer. Da nimmt man den, mit dem man zusammenarbeitet. Üblicherweise nimmt man den Generalplaner. Der hat dann wiederum Statiker und andere, mit denen er gut zusammenarbeitet, und ein derartiges Netz guter Zusammenarbeit soll man dann nutzen und möglichst auch nicht stören."

Dass solche Erwägungen auch in der Praxis der HOWOGE ausschlaggebend waren, machten die Aussagen der Zeugen Kirschner und Adam deutlich. „Wenn sie ausschreiben", so der Zeuge Kirschner, „können Sie das Risiko eingehen, dass Sie jemanden kriegen, den Sie nehmen müssen, der das gar nicht so kann."

­ „Wie es im Leben so ist, gibt es Gute und Schlechte. Nur, Sie wissen, wenn sich jemand bewirbt, nicht wirklich nachhaltig: Gehört er zu den Besseren oder zu den Schlechteren?"

Um diese eher pauschalen Bemerkungen aufzuschlüsseln, bat der Ausschuss die Zeugen, konkrete Beispiele dafür zu nennen, an welchen Punkten es tatsächlich ein wirtschaftliches Risiko sei, Aufträge öffentlich auszuschreiben. Der Zeuge Dr. Baum führte als Beispiel die bei einer öffentlichen Auftragsvergabe von Bauleistungen vorab zu fertigenden, sehr detaillierten Leistungsbeschreibungen an. Es sei dies eine aufwendige Arbeit, die zum einen wesentlich längere Vorbereitungszeiten erfordere ­ „und die", so der Zeuge, „kosten ja letzten Endes auch Geld" ­, zum anderen extrem fehleranfällig sei.

Es habe jeder Fehler, der bei der Erstellung von Leistungsverzeichnissen im Rahmen der Auftragsvergabe von Bauleistungen gemacht würde, so der Zeuge Dr. Baum weiter, immense wirtschaftliche Folgen, da er durch Nachträge ausgeglichen werden müsse. Jede „nicht ganz exakte Beschreibung führt automatisch zum Nachtrag."

Und jeder Nachtrag wirke sich unmittelbar nachteilig auf die veranschlagte Zeit aus:120

Die „Bauzeiten", so der Zeuge Kirschner, verlängern sich ins Unendliche. Allein das ist schon eine Kostensteigerung."

Demgegenüber sei der Vorteil der eigenen Vergabepraxis bei Planungsleistungen gewesen, nicht die einzelnen Leistungsschritte, sondern nur das angestrebte Ergebnis beschreiben zu müssen; so habe man nicht jedes Detail aufführen müssen, sondern schlicht gesagt: „Wir möchten ein Bad."

Bei diesem Verfahren könne der Planer später nicht mit Nachträgen kommen, weil „wir vereinbart haben: Ein Stück Bad der und der Qualität bringt soundso viel Geld, und alle Unterschiede, die da auftreten können, ob die Wand mal ein bisschen schief ist oder ob er noch ein Dübelloch schließen muss, spielen eben keine Rolle."

Dabei vermischt der Zeuge Kirschner die Erfordernisse einer Ausschreibung nach VOF und VOB.

Ohne das Risiko der Nachträge habe man wesentlich sicherer Zeit und Kosten des jeweiligen Projekts planen und einhalten können. Der Zeuge Mark Eichert bestätigte diese Einschätzung des Erfordernisses exakter Leistungsbeschreibungen vorab: „Fehler in Vergabeverfahren", bemerkte er, „können sich ganz schlimm auswirken, auch wenn es ganz kleine Fehler sind."

Gemeint war hiermit nicht nur die Gefahr der Nachträge, sondern auch, was der Zeuge Eichert als „das Damoklesschwert des Primärrechtsschutzes" bezeichnete.

Anders als im unterschwelligen Bereich nämlich haben die unterlegenen Mitbieter bei europaweiten Ausschreibungen die Möglichkeit, bei Zweifeln am korrekten Ablauf des Ausschreibungsverfahrens die Vergabekammer anzurufen, die das Verfahren stoppen und in ein früheres Stadium zurückversetzen kann. „Wenn sie sich vorstellen", so führte der Zeuge Eichert aus, „wie ein Unternehmen wie unseres strukturiert ist ­ da gibt es Projektarbeit, da gibt es schlichtweg Leistungen, die müssen vorhanden sein, Häuser müssen gereinigt werden, Grünflächen müssen gepflegt werden, Bauvorhaben sind angekündigt den Mietern und müssen dann so durchgeführt werden ­: Diese zeitlichen Risiken, die man durch den Primärrechtsschutz hat, die sind natürlich eine ganz erhebliche Frage. Und die Frage: Wie vermeide ich so was? ­ hat natürlich eine ganz erhebliche Rolle gespielt sowohl unter den Juristen als auch unter den Mitarbeitern als auch im Austausch mit den anderen Wohnungsbaugesellschaften, die im Übrigen nicht alle ihre Vergabestellen mit Juristen besetzt haben. Da bemühen wir uns ja quasi bei jeder Ausschreibung von Neuem drum, die möglichst so fehlerlos zu gestalten, dass keinem Bieter die Möglichkeit gegeben ist, da den Primärrechtsschutz zu suchen, weil: Das ist dann sozusagen der Stopp des Verfahrens, und das ist dann das Unangenehmste, was einem passieren kann."

Sogar ein Punkt, der gewöhnlich als Vorteil des Vergabeverfahrens genannt wird ­ dass durch den Wettbewerb günstigere Preise erzielt würden ­ könne, so gab der Zeuge Eichert zu bedenken, in einen schwerwiegenden Nachteil umschlagen; man habe bei der HOWOGE erlebt, „dass man deutlich zu niedrige Preise kriegt, dass man dadurch einen Konkurrenzkampf erzeugt, der zu Unterkostenangeboten führt, bei denen man dann feststellt, dass die Firmen Schwierigkeiten haben, ihre Verträge zu erfüllen zu dem Geld, was wir ihnen aus der Ausschreibung heraus zahlen."

Der Zeuge Dr. Sarrazin bestätigte dieses Risiko; als Beispiel führte er die Ausschreibung der Charite-Vorklinik an:

Gemeinsamer abweichender Bericht der Fraktionen der CDU, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP „Wir hatten das Geld beschafft, alles stand. Dann hatte die Charite leider einen Planer an der Hand, der kam auch in den Aufsichtsrat, war sehr nett und hat einen bestimmten Betrag ermittelt, wo sich dann bei tieferer Planung herausstellte, der Betrag war nicht zielführend. Das heißt, er war viel zu niedrig. Das hat den ganzen Prozess um etwa zwei Jahre verzögert, denn alle Welt hatte die alten Zahlen. Die standen in der Haushalts- und Finanzplanung usw. Es waren letztlich große moralische und finanzielle Kosten, die durch die Auswahl eines falschen Planers, der letztlich Kunstfehler gemacht hatte, dort entstanden waren. ­ Darum ist es so wichtig, dass man Generalplaner nach ihrer Kompetenz aussucht. Das erfährt man üblicherweise, indem man rumfragt: Wer macht denn Krankenhausbau? Wer hat denn schon mal Hoch installiert? Wer hat dies, und wer hat das? ­ Und wenn man keinen kennt, fordert man drei oder vier zur Angebotsabgabe auf, holt sich einen vernünftigen Projektsteuerer und wertet so etwas aus. Das ist alles freihändig, was auch vernünftig ist. Wenn das fertig ist, dann wird nach VOB ausgeschrieben."

Die genannten Punkte zusammengenommen waren für die Geschäftsführer der HOWOGE ausschlaggebend dafür, die einmal geübte Vergabepraxis trotz der veränderten Rechtslage beizubehalten. „Im Nachhinein betrachtet", so resümierte der Zeuge Adam, „war das Argument das wirtschaftliche Argument. Die Büros, mit denen wir zusammengearbeitet haben, waren bekannt. Die Zusammenarbeit zwischen Technischer Abteilung der HOWOGE und diesen Büros war eingespielt. Wir wussten, was können diese Büros, was können sie nicht, welche Bautypen können wir diesen Büros anvertrauen, welche Bautypen können wir diesen Büros nicht anvertrauen. Wie gesagt, wir haben ja auch mal bei den Scheffelblöcken ein Büro gehabt, mit dem wir bis dahin nicht zusammengearbeitet haben ­ mit dem Ergebnis, dass wir da erhebliche Probleme bekommen haben.

Und wir haben ­ sage ich mal ­ uns dem absoluten Kriterium der Wirtschaftlichkeit subsumiert. Es ging darum, durch Zusammenarbeit mit bekannten Büros, wo die Zusammenarbeit bewährt war, ein für die HOWOGE wirtschaftlich optimalstes Ergebnis zu generieren. Das war die Intention, das war die Absicht."

Der Pool von Architekten, den die HOWOGE angelegt habe, so auch der Zeuge Kirschner, „war fachlich sehr versiert für unsere Bautypen. Wir haben als größtes bundesdeutsche Unternehmen am meisten KfW-Mittel beantragt, zugunsten der Mieter. Auch das ist eine Beantragungsform, wo Sie einen Architekten brauchen, weil er viele Anträge ausfüllen muss. Die müssen richtig sein, sonst müssen sie die Mittel zurückführen, was alles schon mal passiert ist. Da brauchte man Sicherheit, dass wir Architekten haben, die diese Anträge absolut ausfüllen, sodass es keine Regressansprüche gibt. [...] Das war das Kriterium, die Leistungsfähigkeit, und ganz entscheidend: Die HOWOGE hat es in ihrer langjährigen Tätigkeit, auch mit unserem Vorgänger, geschafft, im Baubereich zu keinerlei Preisüberschreitung zu den Planungsgegenständen zu kommen, und das soll etwas heißen. Das heißt, wir hatten Kostensicherheit nicht nur in der Vorausschau, auch in der Durchführung, und wir haben das immer einhalten.